Gefühlvoll und unaufgeregt: „Besties“ ist lesbisches Kino vom Feinsten
Die französische Regisseurin Marion Desseigne Ravel erzählt in ihrem ersten Langfilm eine moderne „Julia und Julia“-Variante: Zwei Teens aus verfeindeten Pariser Vorort-Cliquen verlieben sich ineinander. Tagsüber prügeln sie sich vor den Freund*innen, nachts erkunden sie ihre aufkeimende Liebe
Coming-of-age- und Coming-out-Filme sind ja so letztes Jahrhundert. In Zeiten, in denen Neugeborene praktisch in Regenbogenwindeln laufen lernen, hat doch niemand mehr ein Problem mit der sexuellen Selbstfindung – oder? Die 16-jährige Nedjma im Film „Besties“ hingegen kämpft gehörig mit ihrer aufkeimenden Sexualität und ihrer ersten Verliebtheit – ausgerechnet in das doofe, neue Nachbarmädchen, die der falschen Clique angehört.
Der erste Langfilm der Regisseurin Marion Desseigne Ravel zeigt zwei junge Frauen in einem Pariser Banlieue, hin- und hergerissen zwischen der Zugehörigkeit zu den alles entscheidenden Freundescliquen der Straße und ihrer Lust aufeinander.
Zina, die Neue, die ins große Mietshaus einzieht, scheint etwas cooler mit der Sache umzugehen und geht auch etwas forscher ans Werk, während Hauptfigur Nedjma immer wieder einen Schritt vor in Richtung der Begehrten macht und dann wieder zwei Schritte zurück.
Das alles wird wunderbar unpathetisch erzählt, und, trotz des Settings im verrufenen, sozialen Brennpunkt vor den Toren von Paris, auch dankenswerterweise ohne jeden Sozialkitsch. Weder der Migrationshintergrund der Figuren noch Eltern und Schule werden, wie so oft, als brutale, lebensfeindlche Hölle beschrieben.
Gefühlvolle Coming-out-Bilder
Lina El Arabi und Esther Rollande spielen das zugleich zaghafte und dennoch leidenschaftliche Paar gekonnt authentisch und glaubhaft. In Szene gesetzt werden sie von einer grandios unaufgeregten Kamera von Lucile Mercier – so cineastisch und gefühlvoll waren lange keine Coming-out-Filmbilder mehr zu genießen.
Die eigentliche Geschichte des Films ist weder besonders neu noch besonders aufregend. Das Liebespaar, das sich tagsüber vor den Augen der kritischen Freundinnen prügelt und nachts heimlich in seinem Versteck auf dem Hausdach Sex hat – das scheint erstmal wirklich nichts Extraordinäres zu sein. Junge Frauen, die sich mit dem Label „Lesbischsein“ schwertun, von Freund*innen und Clique bedrängt werden, „nicht so zu sein“ und deshalb auch so tun, als wäre es nicht so, das kennen wir aus vielen anderen Filmen. Aber hier ist es hochprofessionell gespielt und umgesetzt sowie unterhaltsam inszeniert.
Gerade die Unaufgeregtheit und Selbstverständlichkeit der Story lassen sie unter die Haut gehen und zu einem wirklich empfehlenswerten Film eines jungen, französischen Kinos werden. Bis hin zum wirklich schlauen Ende, das sich gegen alle Klischees wehrt und es nicht mal nötig hat, sich zwischen Drama oder Happy-End entscheiden zu müssen.
„Besties“ ist bestes lesbisches Kino, gefühlvoller Coming-out-Film und Kamerakunst vom Feinsten. Ein Film, der den Sommer besser macht!
Besties, Frankreich 2021,
Regie & Drehbuch: Marion Desseigne Ravel.
Mit: Lina El Arabi, Esther Rollande u. a.
Seit 29.06. im Kino
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