Nollendorfplatz

Gedenktafel für homosexuelle NS-Opfer beschädigt: „Attacke auf queere Erinnerungskultur“

7. Apr. 2025 pb
Bild: Sebastian Walter
Die vandalisierte Gedenktafel am Morgen des 7. Aprils

Am U-Bahnhof Nollendorfplatz wurde die Gedenktafel für die im Nationalsozialismus verfolgten Homosexuellen schwer beschädigt. Grünen-Politiker Sebastian Walter fordert mehr Schutz für queere Erinnerungsorte und Infrastruktur in Berlin

Die Gedenktafel für die homo­sexuellen Opfer des Nationalsozialismus am U-Bahnhof Nollendorfplatz (Ausgang Motzstraße/ Maaßenstraße) wurde am Montagmorgen, dem 7. April, großflächig beschädigt. Die Inschrift der dreieckigen Tafel – „Totgeschlagen – totgeschwiegen – den homosexuellen Opfern des Nationalsozialismus“ – wurde mit roter Farbe beschmiert. Daneben wurden die Wörter „HIV“ und „Dresden“ an die Fassade gesprüht. Das teilte uns eine Passantin telefonisch mit, die auch die Polizei verständigte. Die Ermittlungen wurden aufgenommen. Die Entfernung der Schmierereien erfolgte am gleichen Tag.

Die Schmiererei spielt vermutlich auf ein rechtes Narrativ an, das Deutsche als unschuldige Opfer der Bombardierung Dresdens 1945 darstellt. Erst Ende März wurden beschädigte Stolpersteine in Wilmersdorf gemeldet, die ebenfalls mit dem Schriftzug „Dresden“ besprüht worden waren.

Schweigeminute am Tag danach

Am folgenden Dienstagnachmittag, 8. April, versammelten sich auf Initiative des schwulen Anti-Gewalt-Projekts Maneo einige Dutzend Menschen zu einer Schweigeminute und Gedenkveranstaltung. Unter den Teilnehmenden waren Berlins Queerbeauftragter Alfonso Pantisano (SPD), der Bezirksbürgermeister von Tempelhof-Schöneberg Jörn Oltmann (Bündnis 90/Die Grünen) sowie Bezirksstadtrat Matthias Steuckardt (CDU).

„Die Schändung dieses Gedenkortes verhöhnt das Leiden von Homosexuellen, die unter der menschenverachtenden Ideologie der Nazidiktatur verfolgt und ermordet wurden.“

Maneo-Leiter Bastian Finke sagte in seiner Rede: „Die Schändung dieses Gedenkortes verhöhnt das Leiden von Homosexuellen, die unter der menschenverachtenden Ideologie der Nazidiktatur verfolgt und ermordet wurden.“ Er betonte, dass menschenverachtende Ideologien nicht der Vergangenheit angehörten, sondern „weltweit und auch in Deutschland“ auf dem Vormarsch seien. Die Bezirksverwaltung und zivilgesellschaftliche Organisationen zeigten sich entschlossen, queerfeindlichen Einschüchterungsversuchen entschieden entgegenzutreten.

Langfristige Schutzmaßnahmen gefordert

Zum Vorfall äußerte sich auch Sebastian Walter. Er ist Sprecher für Queer- und Diversitätspolitik der Grünen-Fraktion im Abgeordnetenhaus und direkt gewählter Abgeordneter für Schöneberg-Nord. In seinem Statement verurteilt er den Vandalismus als „eine direkte Attacke auf unsere queere Erinnerungskultur und auf die Würde derer, die im Nationalsozialismus entrechtet, verfolgt und ermordet wurden.“ Die Beschädigung solcher Gedenkorte zeige, „wie tief menschenverachtende Ideologien in unserer Gesellschaft wieder Fuß fassen.“

Sebastian Walter fordert „Aufklärung sowie langfristige Maßnahmen zum Schutz queerer Infrastruktur und Gedenkkultur in Berlin.“ Gegenüber der SIEGESSÄULE konkretisiert er seine Forderung: In Zeiten, in denen sich queerfeindliche Angriffe auf queere Infrastruktur häuften – „vom Schwulen Museum über das Rut, vom Hoven bis zum Homo-Mahnmal“ – fehle es an Strategie und „konsequenten Maßnahmen des Senats.“ Sinnvolle Schritte seien beispielsweise Sicherheitsmaßnahmen und Polizeipräsenz, um die betroffenen Einrichtungen zu unterstützen. „Dazu gehört aber auch die Bereitstellung von finanziellen Mitteln und Prävention in den Kiezen“, betont er. „Aktuell fühlen sich viele der Institutionen vor allem alleingelassen.“

„Aktuell fühlen sich viele der Institutionen vor allem alleingelassen.“

Die Tafel mit dem „Rosa Winkel“ erinnert an die Verfolgung und Ermordung queerer Menschen während des Nationalsozialismus und ist ein zentraler Gedenkort für die LGBTIQ*-Community sowie ein wesentlicher Teil queerer Erinnerungskultur in Berlin.

Die Gedenktafel, 1989 am Nollendorfplatz errichtet, ist das erste Mahnmal im öffentlichen Raum, das explizit den homosexuellen Opfern des Nationalsozialismus in Deutschland gewidmet ist. Seit 1993 ergänzt eine zusätzliche Tafel den Gedenkstein. Sie erinnert an die Schließung von Szenelokalen im Nollendorfkiez während der NS-Zeit.

Bild: Michael F. Mehnert CC BY-SA 3.0 Quelle

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Update 9. Apr. 2025

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