G-Konsum in queeren Räumen: „Verbote drängen das Problem nur an den Rand“
In der Berliner Partylandschaft, darunter auch queere Clubs und Parties, sorgt die Droge GHB zunehmend für Diskussionen. Denn sie gilt als schwer berechenbar, Überdosierungen können schnell gefährlich werden. Doch wie sollte die queere Szene damit umgehen? Wir sprachen mit Dr. Martin* Viehweger, Co-Betreiber der queeren ViRo Praxis in Berlin und Aktivist für sexuelle Gesundheit
Martin*, inwiefern hat der Konsum der illegalen Droge GHB, kurz für Gammahydroxibuttersäure und auch bekannt als „G“, „Gina“ oder „Liquid Ecstasy“, im Berliner Nachtleben zugenommen? Und inwiefern betrifft das gerade queere Räume? Ob der Konsum tatsächlich zugenommen hat oder ob eher unsere Awareness für das Thema gestiegen ist, lässt sich nicht so einfach sagen. Es gibt da keine Untersuchungen zu. Wir werden aber häufiger mit Problemen rund um GHB-Konsum konfrontiert. Ich würde vermuten, dass man auf sexpositiven Parties eher mehr G-Konsum findet. Die Droge bewirkt vor allem eine Zunahme an Lustgewinn. Das heißt, sie erhöht den sexuellen Appetit und wird deshalb oft eher im Rahmen von sexualisiertem Substanzkonsum benutzt. Menschen, die im sexuellen Kontext konsumieren, haben öfter klare Vorstellungen, wie sie die Droge dosieren möchten.
Zum diesjährigen Tag der Clubkultur am 3. Oktober fand ein Diskussionspanel statt, auf dem du neben anderen gesprochen hast. Der Titel der Veranstaltung lautete: „Will Gina kill the rave culture?“ Wie würdest du diese Frage beantworten? Bedroht GHB tatsächlich die (queere) Berliner Klubkultur? Die Droge an und für sich ist es nicht, was die Partyszene bedroht, sondern es ist der Umgang damit, der problematisch ist. GHB wird unvorsichtig konsumiert und kombiniert, das führt zu Komplikationen. Partyorganisationen lehnen G-Konsum aus Angst vor Repressalien und rechtlichen Konsequenzen zumeist radikal ab. Deswegen überlegen sich einige Räume, generelle G-Verbote auszusprechen, was ich für regressiv halte.
„Prohibition macht alles schwieriger für Menschen, sie konsumieren noch heimlicher und kommen noch weniger an Informationen“
Du bist also gegen Verbote und eher für einen sicheren Gebrauch? Auf jeden Fall! Prohibition macht alles schwieriger für Menschen, sie konsumieren noch heimlicher, versteckter, und kommen noch weniger an Informationen heran. Man muss sich eher überlegen: wie kann ich meine Party veranstalten und gleichzeitig mehr Informationen liefern, um die Gäste und die Party selbst vor Fällen von Überdosierung zu schützen? Ich muss ein Setting kreieren, in dem auch diejenigen Menschen, die überdosieren, möglichst sanft fallen, sich nicht gefährden. Verbote werden das Problem nur an den Rand drängen, dort gibt es weniger Informationen und auch weniger Hilfe.
Wie kann man als Veranstaltungsort oder Partykollektiv am besten mit dem Thema umgehen? Wir müssen eine gewisse Awareness kreieren und die Partystruktur entsprechend aufstellen. Es gibt verschiedene Ideen. Man kann da, wo mehr Licht ist, zum Beispiel auf Toiletten, mit Plakaten Informationen liefern, wie man konsumiert, welche Zeitabstände man einhalten muss, was man kombinieren darf und was nicht. Oder man kann mit Awareness-Teams arbeiten. Darkrooms könnten ganz unten am Boden mit einem kleinem Licht ausgestattet werden, so dass man es sofort sehen kann, falls da eine Person kollabiert. Man kann zwei verschiedene Getränkekarten auf den Tresen legen und auf einer sagen: „das ist für alle, die GHB konsumieren“, und auf dieser Karte den Alkohol weglassen. Ich weiß, das ist alles ein Aufwand, aber es lohnt sich.
„Covid hat viele dazu gebracht, weniger über ihren Konsum zu reden“
GHB wird auch oft als Chemsex-Droge konsumiert. Während der Corona-Pandemie fanden die wenigen Parties, die stattfanden, ja total im Off statt, also „Wohnzimmerveranstaltungen“ oder private Sex Sessions. Hat sich der GHB-Konsum dadurch verändert? Covid hat viel Angst gemacht und die Menschen dazu gebracht, weniger über ihren Konsum zu reden. Die Leute sind deutlich seltener zum STD-Test (sexually transmitted diseases, Anm. d. Red.) gegangen, haben seltener ihre PrEP abgeholt. Das sind aber normalerweise immer die Momente gewesen, in denen wir über Substanzkonsum und -muster reden konnten. Zugleich gab es in unserer Sprechstunde mehr Fälle, in denen über Überdosierungen oder sexuelle Grenzüberschreitungen im Zusammenhang mit GHB gesprochen wurde. Auch bei offenen Gesprächsangeboten, auf denen man sich zum Thema Drogenkonsum austauschen kann, wie die Veranstaltungsreihe „Let’s talk about Sex and Drugs“, wird GHB seit einiger Zeit stärker thematisiert. Ich vermute also, dass es während der Pandemie eine größere Grauzone von Menschen gab, die vielleicht Erlebnisse hatten, ohne dass wir das mitkriegten, weil weniger Kommunikation stattgefunden hat.
„Herausfinden, was für dich sexuell Spaß macht, passt und gut ist, ohne zu konsumieren“
Woran merke ich, dass mein eigener GHB-Konsum oder der von Leuten aus meinem Umfeld bedenklich ist? Es gibt die körperliche Abhängigkeit, da konsumiert man GHB mitunter stündlich, man wacht sogar nachts auf. Wenn man so stark körperlich abhängig ist und die Droge dann nicht regelmäßig zuführen kann, besteht ein großes Risiko für Krampfanfälle. GHB nimmt außerdem für einige Konsument*innen eine große Komponente in ihrem Sexualleben ein. Du kriegst es dann kaum mehr raus. Das heißt, der Sexualtrieb und die sexuelle Kultur sind oft so stark an die Droge gebunden, dass man ohne die Substanz kaum noch die eigene Sexualität belebt. Da muss man sich dann unter Umständen selbst erst neu kennenlernen, mit der eigenen sexuellen Kultur neu umgehen. Also herausfinden, was für dich sexuell Spaß macht, passt und gut ist, ohne zu konsumieren, deine Geilheit wiederfinden, dich auf anderem Weg entfalten – und das ist gar nicht einfach.
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