Interview mit dem BLF

Fetisch-Hauptstadt Berlin: 50 Jahre Ostertreffen

5. Apr. 2023 Carsten Bauhaus
Bild: Jason Harrell
Tommy Kopitzsch-Schenz (li.) und Michael Breitkop vom BLF

Ein Doppeljubiläum zu Ostern: Easter Berlin – eines der größten europäischen Fetisch-Events – feiert in diesem Jahr seine 50. Ausgabe. Und immerhin 25 Jahre wird der Berlin Leder und Fetisch e. V. (BLF), der das Event seit 1998 organisiert. Aus diesem Anlass wird es erstmals ein Outdoor-Fetischfestival geben. SIEGESSÄULE sprach mit Tommy Kopitzsch-Schenz vom BLF über das Event

Bereits 1972 fand zum ersten Mal Easter Berlin statt, das damals noch Ostertreffen hieß. Wie kam es dazu? Der New Yorker Lederclub The Cycle MC galt damals weltweit als Vorbild. Die Besucher wurden inspiriert, eigene Lederclubs in Europa zu gründen, etwa in Amsterdam, München und London. Im friedlichen Wettstreit der einzelnen Clubs sicherte sich Berlin dann das Osterwochenende mit dem Ostertreffen. 1972 fand es erstmals statt – noch bevor es überhaupt einen Verein gab. Dieses erste Ostertreffen wurde privat von mehreren Personen organisiert. Aufgrund des riesigen Erfolgs wurde bald der Verein MSC Berlin gegründet, der vom Folgejahr an der offizielle Veranstalter des Ostertreffens wurde.

„Viele Mitglieder waren damals schlichtweg an Aids weggestorben.“

Wenn 1972 das erste Ledertreffen stattfand, wären wir dieses Jahr eigentlich schon bei der 52. Ausgabe ... Richtig. Aber die beiden Corona-Jahre rechnen wir nicht mit. 2020 musste Easter Berlin ganz ausfallen und 2021 gab es nur eine virtuelle Version. So feiern wir dieses Jahr also das 50. Treffen. Und gleichzeitig begehen wir dieses Jahr das 25. Jubiläum des BLFs.

Warum ist der organisierende Berlin Leder und Fetisch e. V. (BLF) nur halb so jung wie das Treffen selbst? Der ursprüngliche Verein MSC Berlin wurde 1997 aufgelöst. Viele Mitglieder waren damals schlichtweg an Aids weggestorben. Dazu kamen diverse Streitereien. Die Übriggebliebenen gründeten dann im April des darauffolgenden Jahres den BLF, der seit 1998 das Treffen organisiert.

„Der früher beliebte Military Look ist ziemlich untergegangen."

Gibt es Fetische, die früher mal wichtig waren, aber heute kaum noch gelebt werden oder vielleicht sogar ganz verschwunden sind? Das klassische Leder-Outfit ist ja immer noch sehr stark vertreten. Und tatsächlich erlebt es durch den Film „Tom of Finland“ wieder eine kleine Renaissance. Der früher beliebte Military Look ist dagegen ziemlich untergegangen. Dafür gibt es natürlich neue Fetische wie Skin und Rubber. In den letzten 20 Jahren ist Sportswear wichtig geworden – und dann natürlich die Puppys, die in den letzten fünf, sechs, sieben Jahren Einzug gehalten haben.

Wann hast du dein erstes Ostertreffen in Berlin erlebt? Ich bin 2007 von Köln nach Berlin gezogen. Damals gab es gerade Streit zwischen dem BLF und den Bikern ohne Grenzen, kurz BOG, die damals im BLF integriert waren. Die Clubs haben sich dann getrennt. Da bin ich also mitten reingeraten – wurde aber tatsächlich Mitglied in beiden Vereinen.

Es scheint so, als würde sich die Community öfters mal streiten … Tatsächlich wird es dieses Jahr sehr wahrscheinlich zu einer Wiedervereinigung der beiden Clubs kommen, der BLF mit seinen etwa 50 Mitgliedern und die etwa 40 Mitglieder des BOG.

„Das A und O ist die ,Brotherhood'.“

Also eine Geschichte mit Happy End immerhin. Was ist für dich das Besondere an der Leder- und Fetischszene? Das A und O ist die „Brotherhood“, der Zusammenhalt, vor allem in der Lederszene des europäischen Auslands, aber auch in den USA. Erst recht nach Corona konnte man den starken Zusammenhalt in der Fetischszene beobachten. Es kommen ja auch immer wieder neue Mitglieder zu uns, die aus unterschiedlichen Gründen eintreten. Einer davon ist, dass sie Anschluss in der Community suchen. Wir hatten schon ein Mitglied, bei dem die Mitgliedschaft ein schwules Coming-out angeregt hat – auch mit Unterstützung von uns. Eine andere schöne Sache war, dass einer unserer Kandidaten für die Wahl zum Mr. Leather Berlin ein trans Mann war. An solche Erlebnisse erinnert man sich natürlich gerne zurück.

Viele sagen heute noch Leder- oder Ostertreffen, aber der offizielle Name lautet Easter Berlin. Seit wann eigentlich? 2013 gab es im BLF eine komplette Erneuerung hinsichtlich Vereinswesen und öffentlicher Sichtbarkeit. Wir haben festgestellt, dass der BLF selbst kaum bekannt ist, aber jeder natürlich weiß, was Ostern in Berlin los ist – auf Englisch also: Easter Berlin. Die Marke des BLF ist also Easter Berlin kann man sagen, und tritt seitdem immer stärker in den Vordergrund.

Easter Berlin gibt es ja jedes Jahr. Habt ihr euch für das Jubiläum etwas Besonderes ausgedacht? Erstmals wird es dieses Jahr ein dreitägiges Outdoor-Fetischfestival geben. Vom Ostersamstag bis zum Ostermontag jeweils von 12:00 bis 22:00 Uhr. Ort ist der U-Bahnhof Nollendorfplatz, wo auch der Weihnachtsmarkt stattfindet. Es wird einen eingezäunten Bereich geben, wo jeder ab 18 Jahren mit Interesse für Fetisch ohne Eintritt rein darf. Wir schlagen damit zwei Fliegen mit einer Klappe. Dort feiern wir nämlich nicht nur unser Jubiläum, sondern geben endlich auch den Shops Gelegenheit zum Verkauf. Es kommen jedes Jahr 20.000 bis 25.000 internationale Besucher*innen nach Berlin und die wollen natürlich shoppen am Osterwochenende. Für Gewerbetreibende sind Sonderöffnungsgenehmigungen in diesen Tagen aber nur sehr schwer erhältlich. Jetzt haben die Shops auf dem Festival Gelegenheit, an Ständen ihre Waren anzubieten. Daneben werden sich die Vereine präsentieren, es gibt Getränke und Food-Stände und auch eigene Bereiche für Bondage oder Puppys. Auf einer Bühne wird ein Show-Programm gezeigt. Highlight ist die Wahl des Mister Leather Berlin.

Was verbirgt sich hinter der Veranstaltung „Berlin-Warszawa-Express“? Der BLF arbeitet sehr gern mit anderen Vereinen zusammen, auch international. So gibt es zum Beispiel eine Skin Party in Kooperation mit „Skins+Punks we stand united“ – oder eben „Berlin-Warszawa-Express“ in Kooperation mit der PLUG, der Polish Leather Uniform Group. Anlass ist, dass unser aktueller Mister Leather Berlin aus Polen stammt. Die Zugchefs werden die amtierenden Mister aus Deutschland und Polen sein: Lukasz und Bartek. Trotz des Namenspiels wird es aber keine Zugfahrt sein, sondern eine Veranstaltung im New Action.

„Berlin ist heute in diesem Bereich die größte Szenestadt der Welt.“

Werfen wir mal einen Blick in die Zukunft: Wie wird Easter Berlin in 25 Jahren aussehen? In Zeiten, wo sich alles so schnell verändert, kann man ja eigentlich nicht mal mehr sagen, was in fünf Jahren sein wird. Aber solange es fetischinteressierte Männer gibt, die sich auch zeigen wollen, und das in einer der weltoffensten Städte der Welt, wird es Easter Berlin weiter geben. Natürlich hängt einiges an der ehrenamtlichen Arbeit, die sich manchmal wie ein Vollzeitjob anfühlt. Das ist zwar viel Arbeit, aber es macht auch Spaß. Man sieht ja auch eine positive Entwicklung: Berlin ist heute in diesem Bereich die größte Szenestadt der Welt. Keine andere Stadt hat so viele Shops und Locations.

Und das wird auch so bleiben? Das hoffe ich natürlich – nicht, dass wir so etwas erleben wie Amsterdam: Vor der Jahrtausendwende war Amsterdam als Fetisch-Stadt noch wichtiger als Berlin. Aber für einschlägige Lokale wurde es dort immer schwieriger. So ist Berlin an die erste Stelle gerückt.

Easter Berlin,
Leather Fetish Week, 04.–10.04.,
verschiedene Locations

easterberlin.de

Folge uns auf Instagram

#Easter Berlin#Ostertreffen#Fetisch

Das Siegessäule Logo
Das Branchenbuch mit Haltung
Queer. Divers. Überzeugend.