Nachtcafé von Trans*Sexworks

Fehlende Räume für trans* Sexarbeiter*innen

16. Apr. 2025 Michelle Bohlmann
Bild: Wszebor Sienkiewicz
Illustration zu dem geplanten Nachtcafé von Trans*Sexworks

Es war ein Schlag ins Gesicht, als Anfang des Jahres die Absage für das Nachtcafé an der Froben-, Ecke Bülowstraße kam – ein dringend benötigter Ort für trans* Sexarbeiterinnen. Obwohl die Finanzierung durch Stadt und Bezirk stand, zog sie die Gewobag im letzten Moment zurück. Das von Trans*Sexworks und der Berliner Stadtmission geplante Projekt sollte Café und Beratungsstelle sein – für Sexarbeitende, drogengebrauchende Menschen und obdachlose Queers

Die Kurfürstenstraße gilt als einer der bekanntesten Straßenstriche Berlins, doch das Bild hat sich verändert. Immer mehr Sexarbeit findet im angrenzenden Bülowkiez statt, besonders in der Frobenstraße. Hier arbeiten unter anderem viele trans* Sexarbeiter*innen, die wiederum vermehrt Gewalt ausgesetzt sind: Beschimpfungen, Überfälle und Pfeffersprayangriffe gehören für viele zum Alltag. Besonders hart trifft es geflüchtete trans* Personen. Für sie birgt jede polizeiliche Kontrolle ein Risiko, da die meisten von ihnen keine gültigen Aufenthaltspapiere haben. In vielen der Herkunftsländer ist Sexarbeit verboten und wird streng bestraft.

Beratungsstelle für trans*, inter und nicht binäre Sexarbeiter*innen

Nachts fehlt auf dem Strich ein sicherer Rückzugsort – das Nachtcafé hätte genau das für trans* Sexarbeiter*innen sein sollen. Vorgesehen waren neben einer Beratungsstelle eine Küche, Duschen und Schlafplätze. Doch die Gewobag lehnte mit Verweis auf ein fehlendes 24/7-Nutzungskonzept ab. Caspar Tate von Trans*Sexworks erklärt im Interview mit SIEGESSÄULE: „Der Plan war, das Nachtcafé tagsüber von der Stadtmission zur Wohnraumberatung zu nutzen.“ Auch andere Träger wie Queerhome hätten bereits ihr Interesse bekundet.

Die Organisation Trans*Sexworks wurde 2015 gegründet und bietet eine explizite Beratungsstelle für trans*, inter und nicht binäre Sexarbeiter*innen. Sie haben den Grundstein gelegt, dem später weitere Organisationen wie der Frauentreff Olga und Hydra gefolgt sind. Olga ist eine Anlaufstelle für drogenkonsumierende Sexarbeitende und bietet Grundversorgung, psychosoziale Betreuung sowie Hilfe bei Gewalt und Menschenhandel. Hydra bietet seit 1980 Workshops und Beratungen mit Fokus auf rechtliche und soziale Gleichstellung an.

„Die Menschen vertrauen einem mehr an, als einem Sozialmitarbeiter und geben mehr über ihre Lebenssituation preis.“

Die Besonderheit bei Trans*Sexworks ist der Peer-to-Peer-Ansatz, bei dem nicht Sozialarbeiter*innen, sondern trans*Personen beratend zur Seite stehen. „Das hat einige Vorteile“, erzählt Tate. „Die Menschen vertrauen einem mehr an, als einem Sozialmitarbeiter und geben mehr über ihre Lebenssituation preis.“ Denn Sexarbeiter*innen befürchten oft rechtliche Folgen. „Die Beratung ist niedrigschwellig und auf Augenhöhe“, erklärt Tate. So treffe man sich in einem Café oder ähnlichem, um über die Anliegen zu sprechen. Außerdem fördert die Organisation den Austausch zwischen trans* Sexarbeiter*innen und veranstaltet Events wie Brunch, Karaoke und Schwimm-Ausflüge.

Ein weiteres Highlight: Mitglieder der Organisation verteilen nachts per Fahrrad Safer-Sex- und Safer-Use-Produkte wie Kondome und Tests, was gut von den Sexarbeiter*innen aufgenommen wird. Trans*Sexworks bietet auch Weiterbildungsmöglichkeiten, Vorträge und Workshops an, die sich wiederum an Beratungsstellen und Sozialmitarbeiter*innen richten. Casper Tate sagt: „Ich hoffe sehr, dass weitere Stellen auf uns zukommen und unser Angebot wahrnehmen. Nur so können wir für die Thematik sensibilisieren.“

Rechtlicher Schutz vs. Kriminalisierung

Besonders in den letzten Jahren fordert die CDU/CSU die Einführung des „nordischen Modells“, bei dem Sexarbeit zwar erlaubt, der Kauf sexueller Dienstleistungen jedoch strafbar wäre. Kritiker*innen warnen, das Modell dränge Sexarbeit in die Illegalität, verschlechtere Arbeitsbedingungen und erschwere den Zugang zu Hilfe. Auch Tate hatte große Sorgen mit Blick auf den Koalitionsvertrag. Überraschenderweise ist dort aber keine Rede von einem Sexkaufverbot, vielmehr heißt es: „Im Lichte der Evaluationsergebnisse zum Prostituiertenschutzgesetz werden wir mit Unterstützung einer unabhängigen Experten-Kommission bei Bedarf nachbessern.“ Der Einsatz einer unabhängigen Kommission wird von vielen begrüßt, allerdings bleibt offen in welcher Art und Weise das Gesetzt gegebenenfalls nachgebessert wird. Mitte des Jahres steht die Evaluation an.

„Wenn du arbeitest, dann läufst du keine 20 Minuten, um dir Kondome zu holen.“

Die Suche nach einem neuen Ort für das geplante Nachtcafé gestaltet sich nicht nur angesichts der Wohnraumsituation in Berlin schwierig. Die Stadt Berlin und der Bezirk Tempelhof-Schöneberg haben zwar einen Alternativstandort nahe der Yorckstraße vorgeschlagen, allerdings liegt der 20 Minuten vom Straßenstrich entfernt. „Wenn du arbeitest, dann läufst du keine 20 Minuten, um dir Kondome zu holen“, so Tate. Wie es nun weitergehe, sei vorerst ungeklärt. Trans*Sexworks überlegt alternativ Container anzubieten, die jedoch viel kleiner wären und keine Dusche hätten. Tate glaube nicht, dass sie den ursprünglichen Standort doch noch bekommen könnten, doch Trans*Sexworks bleibt hoffnungsvoll. Es gebe auch Ideen, dass bestehende Beratungsstellen ihre Räume nachts zur Verfügung stellen könnten.

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