„Sommerhaus der Stars“

Faszination Trash TV: Rache an der Heterosexualität

25. Okt. 2021 Patsy l’Amour laLove
Bild: Doris Belmont
Trash-TV-Expertin Patsy l’Amour laLove

Ob Bachelor oder Dschungelcamp – Trash-TV-Formate sind nach wie vor Dauerbrenner. Doch warum schaut man sich diesen Käse eigentlich an? Trash-TV-Expertin Patsy l’Amour laLove sucht nach Antworten anhand ihrer Vorliebe für das „Sommerhaus der Stars“, das in diesem Jahr gleich mit zwei queeren Paaren aufwartete

Warum schauen wir uns so genanntes Trash-TV so gerne an? Um uns mal wieder so richtig schön scheiße zu fühlen? Auch! Und wir können teilhaben am wundersamen Treiben der flott frisierten Beziehungsdramen, die sich irgendwie doch noch ins Jahr 2021 retten konnten.

Das „Sommerhaus der Stars“ ist auch dieses Jahr ein einziger Genuss. Acht Paare aus dem Bereich Unterhaltung und Trash treten gegeneinander an, indem sie sich ohne Handys und mit ordentlich Alk und Zigaretten im Sommerhaus auf den Füßen sitzen. Im vergangenen Jahr präsentierte RTL von Beginn an ein sprudelndes Feuerwerk der Scheußlichkeiten. Doch auch diesmal hat der Kampf der Promipaare etwas zu bieten: So lässt die Königin des Reality TV – soweit kann man beim Sommerhaus schon gehen – das Publikum erschaudern an einem sich langsam entwickelnden heterosexuellen Beziehungsspektakel – eine unnachahmliche Dynamik.

Männer und Frauen in klaren Rollen

Eindrucksvoll stellten sich Beziehungsformate und Liebesideale vor, die nur scheinbar aus der Zeit gefallen sind. Männer und Frauen in klarer Rollenaufteilung. Oder wie es die Reality-TV-Teilnehmer*innen Michelle Monballijn und Mike Cees-Monballijn auf ihrer Instagram-Seite illustrieren: Rational = Mann und Emotional = Frau. Dabei entzündet gerade der männliche Part dieser Beziehung allerhand aus der Luft gegriffene Streits und fordert fortlaufend Empathie für seine Ego-Show. Mola Adebisi – der Molarator – und Michelle landeten nämlich vor knapp zwei Jahrzehnten mal in der Kiste. Grund genug für den Mitdreißiger Mike, die gesamte Belegschaft in seinen emotionalen Strudel aus Eifersucht und Größenwahn zu verwickeln.

Bild: RTL
Mike Cees-Monballijn und Michelle Monballijn

Queers aus dem Katalog

Viel mehr am Puls der Zeit als die Rollenaufteilungen erscheint die Zusammensetzung mit gleich zwei queeren Paaren: Voltigier-Silbermedaillenträger der Süddeutschen Meisterschaften Dominik Schmitt mit seinem Schauspieler-Partner Lars Steinhöfel („Unter Uns“) sowie das als Transgender-Ikone betitelte Model Benjamin Ryan Melzer mit Partnerin und Miss Germany-Teilnehmerin für NRW Elisabeth Hofbauer. Die Homo- und Transfeindlichkeit ließ ganz im Gegensatz zu dem Pöbel-Prinzen bei „Promis unter Palmen“ (wir erinnern uns an die antischwulen Tiraden gegen Katy Bähm) auf sich warten. Vielmehr noch schloss der Molarator das Thema Trans entspannt mit den Worten: „Für mich ist doch ein Mann, egal wie er da hingekommen ist, ein Mann. Und ne Frau ist ne Frau. Punkt.“ Und Stephan Jerkel von „Goodbye Deutschland“ bemerkte lediglich beim Einzug von Dominik und Lars anerkennend: „Irgendwie sehen die immer gepflegter aus wie die Heteros. Sie sehen immer besser aus, ich weiß auch nicht warum.“

„Irgendwie sehen die immer besser aus als die Heteros, ich weiß auch nicht warum“

Tatsächlich könnten auch die queeren Paare normaler nicht sein. Wie aus dem Katalog bestellt von der Frisur über die extrem weißen Zähne bis hin zur nach Unauffälligkeit schreienden Normcore-Mode scheint sie nichts zu unterscheiden, außer natürlich dass sie irgendwie besser aussehen als ihre heterosexuellen Kontrahent*innen. Man gewinnt fast den Eindruck, sie hätten diesen bei der Beziehungsführung sogar einiges voraus.

Bild: RTL
Benjamin Melzer und Elisabeth Hofbauer

Eigenheiten des heterosexuellen Beziehungslebens

Selbst die (auch im Sommerhaus) hoch im Kurs stehende Religiosität zweier Hetero-Paare, die sich durch irgendeinen New Age-Misch, bei dem man Gartenblumen anbetet, einerseits auszeichnet sowie einem Bibelfimmel andererseits, der das Heilige Buch zum modischen Accessoire werden lässt, täuscht über die Eigenheiten des heterosexuellen Beziehungslebens nur schwerlich hinweg. Mit dem beliebig-schwammigen Trend-Wort „toxisch“ etwa wird das Paar Mike und Michelle gleich mehrfach bedacht. Toxisch, das soll in diesem Fall wohl eine Promi-Partnerschaft umschreiben, in der ein selbstsüchtiger, extrem leicht zu kränkender Mann seine Partnerin, die sich voll Elan von ihm abhängig macht, vor Verzweiflung regelmäßig zur Salzsäule erstarren lässt. Er fühlt sich nicht genug gesehen. 24 Stunden am Tag. Dabei ist er doch eigentlich ganz tolerant: „Du kannst natürlich anziehen was Du willst. Im Rahmen der Möglichkeiten, die ich Dir gebe.“ Wow!

Eine kleine Rache an der Heterosexualität zumindest können wir im Sommerhaus miterleben, als sich der Molarator das Bein verletzt, während er seine Partnerin vor versammelter Runde lächerlich macht. Sie gehe nämlich ganz unnormal, was er seinen Mitbewohner*innen auf der unebenen Wiese dringend vorführen muss. Zum Leidwesen seines Sprunggelenks.

Die Frage stellt sich: Was will uns RTL mit dieser Mischung aus Diversität einerseits und Geschlechterklischees aus den 50ern andererseits sagen?

Womöglich einfach, dass es manchmal eine ganz schön große Last sein kann, heterosexuell zu sein.

Sommerhaus der Stars,

26.10.–28.10., 20:15, RTL

Finale Sendung am 28.10.

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