Erstes Projekt zur bisexuellen Geschichte Berlins
Anfang 2023 veröffentlichte der Verein BiBerlin auf seiner Webseite eine Auseinandersetzung mit der bisexuellen Geschichte der Hauptstadt, die sich vor allem auf die Jahre nach 1989 konzentriert. Ein Pilotprojekt, das hoffentlich den Grundstein für eine weiterführende Erforschung der Bi+-Geschichte Berlins legt
Michael von Wittke (44) ist langjähriges Mitglied beim BiBerlin e. V. und Projektmanager sowie Initiator des von der Berliner Senatsverwaltung für Justiz, Vielfalt und Antidiskriminierung mit 11.000 Euro geförderten Mikroprojektes „Jüngere Bi+ Geschichte in Berlin“.
Die Erschließung und queerhistorische Einordnung von bisexueller Geschichte und deren Sichtbarmachung war ihm ein zentrales Anliegen: „Als Akteur und Aktivist hat es mich immer genervt, keine wirkliche Geschichte zu haben. Das ist wie Teil einer Familie zu sein, in der alle Geburtsurkunden und Dokumente verbrannt sind.“
Im Juni 2021 schrieb der Berliner Senat Fördergelder für Projekte zur Erforschung der bisexuellen Geschichte Berlins aus. Der BiBerlin e. V. bewarb sich und bekam den Zuschlag dafür, aus den historischen Dokumenten des Berliner Aktivisten Peter Rausch eine Dokumentation zu erstellen.
Da der BiBerlin e. V. weder die geschichtswissenschaftliche Kompetenz noch die Ressourcen besaß, um diese Dokumente auszuwerten und die Geschichte der Berliner Bi+-Community sichtbar zu machen, beauftragte von Wittke den Historiker Karl-Heinz Steinle damit.
Infrastruktur in Berlin ab 1989
Entstanden ist eine erste historische Ausarbeitung, die bisexuelle Organisationsstrukturen in Berlin ab 1989 dokumentiert. Sie basiert zu einem großen Teil auf Veranstaltungseinladungen und -programmen sowie Schreiben an Behörden, die Rausch über die Jahre gesammelt hatte. Darüber hinaus führte Steinle auch Gespräche mit Aktvist*innen aus dem Umfeld von BiBerlin, um weiterführende Informationen zu erhalten. Aufgrund der begrenzten Datenlage und Zeit, die für das Projekt zur Verfügung stand, konnte der Historiker nur einen kleinen Ausschnitt der Bi+-Geschichte Berlins abbilden.
Die Arbeit enthält jedoch viele interessante Details u. a. zur Gründung des Zentrums für bisexuelle Lebensweisen im Herbst 1994, der bisexuellen Disco im Ackerkeller zwischen 1996 und 2000 oder dem ersten Truck von BiNe, dem bisexuellen Netzwerk, auf dem Berliner CSD 1997. Die chronologische Darstellung reicht bis ins Jahr 2022. Des Weiteren enthält die umfangreiche Broschüre eine Zeitleiste mit den wichtigsten Ereignissen der Bi+-Geschichte Berlins und ein Glossar von Paula Balov. Von Abrosexualität über Bisexual Erasure bis hin zu Panromantik und WLW werden dutzende Begrifflichkeiten erklärt, die im Zusammenhang mit der Bi+-Community stehen.
Für den BiBerlin e. V. bedeutet das mittlerweile abgeschlossene Projekt „einen sehr wichtigen Schritt in Bezug auf Sichtbarkeit und den weiteren Ausbau der Vereinsarbeit“, sagt von Wittke. Er hofft, dass es durch dieses Projekt für den Verein künftig leichter werden wird, an Fördermittel zu gelangen, um weitere Projekte durchführen zu können. Von Wittke wertet die Broschüre als Erfolg: Für ihn als bisexuellen Menschen seien auf diese Weise „die Wurzeln der eigenen aktivistischen Arbeit und sexuellen Identität freigelegt und beschreibbar gemacht“ worden. Die Hoffnung ist, dass weitere wissenschaftliche Studien folgen werden und sich die Lücke in der bisexuellen Geschichtsschreibung so immer weiter schließt.
Download der Broschüre: „Jüngere Bi+Geschichte in Berlin“
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