Erinnerungen an Serpil Pak
Am 26.01. starb die in Berlin lebende lesbische Schauspielerin und Stand-up-Comedian Serpil Pak im Alter von 57 Jahren. Als Teil der Frauenkabarettgruppe „Die Bodenkosmetikerinnen" und in Solo-Programmen wie „In Schleier Haft" nahm sie deutsch-türkische Zuschreibungen und Missverständnisse gekonnt aufs Korn. Der Diplomat Rolf Schütte, der u. a. Generalkonsul in San Francisco und Boston war, erinnert sich an die Komikerin, mit der ihn eine langjährige Freundschaft verband
2008 im Goethe Institut in San Francisco: Nach ihrem amüsanten Comedy-Programm zusammen mit ihrer Freundin Nursel standen Serpil und ich noch auf einer der steilen Straßen der schönen Stadt an der Bay und kamen ins Gespräch. Wir konnten kaum unterschiedlicher sein: hier der offizielle Vertreter Deutschlands an der amerikanischen Westküste mit dem imposant klingenden Titel „Generalkonsul“, dort die Deutsch-Türkin, die gerade als „Orient-Walküre“ in einem urkomischen und sicher politisch nicht ganz korrekten Programm aufgetreten war. Und doch wäre es vielleicht Liebe auf den ersten Blick gewesen, wenn Serpil nicht lesbisch und ich nicht schwul gewesen wäre. Aber so wurde aus dieser ersten Begegnung keine Partnerschaft, sondern eine langjährige Freundschaft.
Und diese Freundschaft wurde nun jäh beendet genau an dem Tag, als wir nur wenige Stunden vor Serpils Tod noch lange miteinander telefoniert hatten. Serpil hatte vorgeschlagen, dass wir uns auf Face Time treffen; darauf hatte ich mit der Bemerkung reagiert, dass ich mich sehr darauf freue, ihr schönes Gesicht wiederzusehen. Dies war nicht nur scherzhaft gemeint, denn bei unseren letzten Treffen real und virtuell wurde Serpil tatsächlich immer schöner, sah zufrieden und entspannt aus. Auf ihrem Gesicht war auch an ihrem letzten Tag das leicht verschmitzte, etwas süße und etwas bittere Lächeln, das ich so mochte. Ihre Stimme war rau und tief sonor, wie immer. Nach allem, was sie in den letzten Jahren gesundheitlich zu erdulden hatte, erschien mir das alles schon wie ein kleines Wunder.
Immer wieder musste sich Serpil neu erfinden
Serpil hatte nicht nur in ihrer Zeit als Komikerin ausgeprägte „Stand-up“-Qualitäten. Immer wieder musste sie sich neu erfinden. Das Leben war nicht immer lieb zu ihr. Träume platzten manchmal fast so schnell, wie sie entstanden waren. Doch Serpil und ich versicherten uns gegenseitig: davon lassen wir uns nicht unterkriegen.
Psychologin, Lebensberaterin für Fremde und Freunde, Komikerin, Katzenmutti... viele Rollen, die schon ausgereicht hätten für ein erfülltes Leben. Aber Serpil wollte auch schreiben, vielleicht den Roman ihres bunten, aber nicht immer einfachen Lebens; sie wollte noch Unternehmerin werden und hungrige Berliner mit ihren einzigartigen, selbst kreierten und köstlichen veganen Crackern verwöhnen; und sie träumte davon, in der Südtürkei einen zweiten Wohnsitz auf einem felsigen Berghang mit Meerblick zu bauen. Wann immer sie von diesen Projekten sprach, sah man ihr den Enthusiasmus und die Vorfreude an. Begeisterung und Lebensfreude konnte ich auch spüren, als wir vor vielen Jahren einige Male auf der Party „Gayhane“ im SO36 tanzen gingen.
Von ihren Ernährungsprinzipien war sie so überzeugt, dass sie mich als „Allesfresser“ noch fast zum veganen Asketen bekehrt hätte. Doch immer war sie auch bereit, zuzuhören und sich Neuem zu öffnen: leider hat es die Corona-Pandemie dann verhindert, dass ich ihr mit der „Zauberflöte“ einen Einstieg in die Welt der Oper vermitteln konnte.
Serpil konnte sich alle diese Eigenschaften auch im etwas fortgeschrittenen Alter bewahren – trotz aller geplatzten Träume, Enttäuschungen, schweren Belastungen nicht nur gesundheitlicher Art. Sie war und blieb stark, ließ sich nicht entmutigen. Dafür habe ich sie immer bewundert.
Solche Stärke haben manche Menschen besonders dann, wenn sie einen starken Menschen an ihrer Seite haben, auf den sie sich verlassen können, der sie auch in schweren Zeiten nicht verlässt, der sie stützt und unterstützt. Einen solchen Menschen hatte Serpil in ihrer Partnerin Fatma. Ich konnte Fatma nur einmal persönlich treffen, bei dem Besuch der beiden bei mir in Riga. Doch nicht nur während dieser kurzen Begegnung, sondern auch aus vielen Gesprächen mit Serpil war mir klar, dass die beiden eine tiefe Liebe verband, die auch in schweren Tagen trug – bis in den Tod, der sie nun leider viel, viel zu früh voneinander getrennt hat.
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