Entwurf zum Selbstbestimmungsgesetz veröffentlicht
Der massiv in der Kritik stehende Entwurf zum geplanten Selbstbestimmungsgesetz wurde am Dienstag für alle zugänglich gemacht. Vor allem die Bundesbeauftragte für Antidiskriminierung, Ferda Ataman, fand deutliche Worte
Seit Dienstag, dem 09.05., ist der Referentenentwurf für das geplante Selbstbestimmungsgesetz nun endlich für alle öffentlich einsehbar. Durch das Gesetz sollen Personen zukünftig ihren Geschlechtseintrag und ihren Namen selbstbestimmt durch einen einfachen Behördengang ändern können. Damit würde auch das nach wie vor in Kraft befindliche „Transsexuellengesetz (TSG)“ ersetzt werden. Danach ist ein Gang vor Gericht notwendig, um den Personenstand zu ändern, sowie zwei teure psychologische Gutachten, deren Erstellung oft mit entwürdigenden Fragen einhergeht.
Darüber hinaus hat die Bundesregierung auch die Verbändebeteiligung zum Selbstbestimmungsgesetz gestartet. Laut einer aktuellen Pressemitteilung des Bundesverband Trans* können Verbände bis zum 30. Mai 2023 schriftlich eine Stellungnahme beim Bundesfamilienministerium einreichen, das gemeinsam mit dem Bundesjustizministerium die Federführung bei der Umsetzung des Gesetzes innehat.
„Das Selbstbestimmungsgesetz ist ein wichtiger Baustein, um Diskriminierung von trans*, intergeschlechtlichen und nicht-binären Personen abzubauen und Akzeptanz für geschlechtliche Vielfalt zu stärken. Viel zu lange hat auf politischer Ebene die Initiative gefehlt, eine menschenrechtsbasierte Regelung auf den Weg zu bringen", lobte Kalle Hümpfner, Referent*in für gesellschaftspolitische Arbeit im Bundesverband Trans*, die Arbeit der Bundesregierung.
Transfeindliche Narrative im Gesetzesentwurf
Gleichzeitig kritisierte Hümpfner: „Es ist kein Geheimnis, dass das Selbstbestimmungsgesetz Gegner*innen hat, welche gezielt Ängste schüren, um das Gesetzesvorhaben zu gefährden. Die starke Verbreitung des transfeindlichen Narrativs, wonach geschlechtergetrennte Toiletten, Saunen oder Unterkünfte durch das Gesetz weniger geschützt seien, hat zu massiver Verunsicherung geführt.
Dies spiegelt sich leider schmerzhaft in dem Gesetzentwurf.“
Verschiedene Sonderregelungen im Entwurf z. B. zum Hausrecht oder zum Kriegsfall hatten für massive Kritik aus Community und Politik gesorgt, wie SIEGESSÄULE berichtete. So steht zum Beispiel bei den Ausführungen zum Hausrecht im Entwurf, dass Personen auch zukünftig, nach einer Änderung des Geschlechtseintrags, keine bestimmte Behandlung oder den Zugang zu geschlechtsspezifischen Toiletten und Umkleideräumen verlangen dürfen.
Ungewöhnlich deutlich kritisierte Sven Lehmann, Queerbeauftragter der Bundesregierung, heute in einem Facebook-Statement diese Ausführungen: „Der Verweis auf das Hausrecht im Gesetz löst bei den Betroffenen massive Ängste vor neuen Ausschlüssen aus, gerade angesichts transfeindlicher Entwicklungen überall auf der Welt. Wenn Teile des Gesetzentwurfs Angst bei denen auslöst, die er schützen soll, dann müssen sie verändert werden.“
Deutliche Kritik von Ferda Ataman
Auch die Unabhängige Bundesbeauftragte für Antidiskriminierung, Ferda Ataman, mahnte heute in einem Pressestatement an, dass der Gesetzesentwurf dringend nachgebessert werden müsse. „Das größte Problem sehe ich im Begründungstext des neuen Selbstbestimmungsgesetzes“, sagte sie. „Der geht an wichtigen Stellen ungewöhnlich ausschweifend auf Argumente ein, die sich gegen die Akzeptanz geschlechtlicher Vielfalt wenden. Man könnte auch sagen, die Gesetzesbegründung lässt sich auf unsachliche Debatten aus den sozialen Medien ein.“
Dies sei fatal. Zum Beispiel dürfe das Selbstbestimmungsgesetz nicht den Eindruck vermitteln, man müsse die Geschlechtsidentität von trans Personen nicht so genau nehmen, wenn sie Dienstleistungen in Anspruch nehmen. „Das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) verbietet Diskriminierungen aufgrund des Geschlechts. Allein aufgrund der äußeren Erscheinung darf niemand pauschal ausgeschlossen werden – hier ist das AGG eindeutig und das darf nicht in Frage gestellt werden. Der Verweis auf das Hausrecht im Gesetzesentwurf ist deshalb überflüssig.“
Konkret ging sie dabei auch auf den von Justizminister Buschmann angeheizten transfeindlichen Diskurs zum Beispiel Frauensauna ein und bezog dabei erfreulich deutlich Stellung: „Das Szenario, Männer würden sich künftig amtlich als Frauen registrieren lassen, um in eine Frauensauna einzudringen, ist nicht schlüssig. Auch von trans Frauen in Saunen sind keine Störungen bekannt. Trans Frauen als Gefahr darzustellen statt als schutzwürdig, ist falsch und infam. Das Selbstbestimmungsgesetz gibt trans-, nichtbinären und intersexuellen Menschen endlich auch in Deutschland den Schutz und die Rechte, die sie in anderen Ländern längst haben. Nicht mehr und nicht weniger.“
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