Ende einer schwulen Liebe: „Goodbye" von Sam Vance-Law
Am 6. Mai erscheint das zweite Album des in Berlin lebenden kanadischen Künstlers Sam Vance-Law. Mit „Goodbye" wird die kurze Liste von Herzzschmerz-Alben über queere Liebesgeschichten um ein Werk reicher
Liebeskummer ist universell. Die meisten von uns haben ihn mindestens einmal im Leben bereits erfahren müssen. Manchmal ist das beste Mittel, in Momenten des größten Herzschmerzes auf voller Lautstärke Songs von Adele, Taylor Swift oder Whitney Houston über verflossene Lieben zu hören. Für queere Menschen sind diese nicht weniger mitreißend und insbesondere schwule Männer haben ohnehin ein Faible für verletzliche Pop-Diven. Songs über queere (verlorene) Liebe muss man allerdings suchen.
Als die Beziehung des kanadischen Musikers Sam Vance-Law nach der Veröffentlichung seines ersten Albums „Homotopia“ vor vier Jahren in die Brüche ging, erschien es ihm unumgänglich, den Schmerz über das Ende dieser Liebe musikalisch zu verarbeiten. Am 06. Mai erscheint mit „Goodbye“ nun eines der ultimativen Herzschmerz-Alben, und Vance-Law reiht sich damit in die noch sehr kurze Liste an Künstler*innen ein, die ein ganzes Album über queere Liebe und ihr Ende kreiert haben. Vergleiche mit Taylor Swift, die mit ihren Songs über Trennungen weltbekannt wurde, begrüßt Vance-Law übrigens begeistert.
Der 34-jährige Wahlberliner begann in einer Zeit sich mit seiner sexuellen Orientierung auseinanderzusetzen, in der die Repräsentation von queeren Menschen nicht so vorangeschritten war wie heute. Im Interview erinnert er sich, wie er Lieder mitsang, die heterosexuelle Liebesgeschichten behandelten. Er stellte sich dabei vor, dass diese Songs heimlich auch für schwule Männer wie ihn komponiert worden wären, empfand aber stets Zweifel daran.
„Es gibt Gefühle, über die ein heterosexueller Mann nicht sprechen würde. Nicht, weil er sie nicht empfindet, sondern weil es ihm nicht erlaubt ist. Mir (als schwulem Mann) hingegen schon.“
Mit seinen eigenen Songs möchte er daher nun queeren Menschen, die sich nicht gehört oder repräsentiert fühlen, endlich Geschichten geben, die ihren eigenen entsprechen. Diese sind zwar eindeutig queer, aber gleichzeitig universell über die Liebe und somit auch für Heteros. Als offen schwuler Musiker genießt Vance-Law gewisse Freiheiten. „Es gibt Gefühle, über die ein heterosexueller Mann nicht sprechen würde. Nicht, weil er sie nicht empfindet, sondern weil es ihm nicht erlaubt ist. Mir (als schwulem Mann) hingegen schon. I can do whatever the fuck I want.“
Diese ungefilterte Emotionalität seiner Lieder lässt einen beim Hören tief in Vance-Laws Welt eintauchen. Vor dem inneren Auge entstehen Geschichten. So kann man den Chor, der bei „Someone Else“ energisch „Don’t say I’ll love someone else“ singt, förmlich an Vance-Laws Seite sehen, während er seinen Expartner anfleht, ihre Liebe nicht mit Kommentaren wie „Du wirst schon jemand anderes finden, jemand Besseres sogar“, offiziell als beendet zu deklarieren. Das jazzige „Too Soon“ kreiert hingegen eine Nightclub-Stimmung, in der man sich Sam lässig auf einer verrauchten Bühne mit Zigarette im Mundwinkel vorstellen kann, während er melancholisch die Indifferenz des Ex moniert.
Fünf Phasen der Trauer
Dass er, geplagt von Liebeskummer, im Zuge der Produktion seines zweiten Albums die „Fünf Phasen der Trauer“ nach Kübler-Ross durchlebte, fand Vance-Law durch Zufall heraus. Er fragte Google: „Warum bin ich seit drei Monaten rund um die Uhr wütend?“ und fand in dem Modell der schweizerisch- US-amerikanischen Sterbeforscherin einen nachvollziehbaren Fahrplan seines Trauerprozesses: Leugnen und Isolation, Zorn, Verhandeln, Depression, Akzeptanz finden sich auf dem gesamten Album wieder. In manchen Songs vermischen sie sich, bei anderen ist nicht klar, in welcher Phase sich Vance-Law befindet. Aber so ist Trauer: unberechenbar, irrational und nicht pragmatisch.
„Goodbye“ ist ein intimes Album geworden, mit verletzlich ehrlichen Texten, begleitet von teils melancholischen, teils tanzbaren Melodien. Die Songs nehmen einen auf eine Reise mit, und wenn sich Sam Vance-Law im letzten Lied bei all seinen Freund*innen für deren seelische Unterstützung und Geduld bedankt und ein für alle Male beim Ex verabschiedet, hat man als Hörer*in das Bedürfnis, sich die Geschichte nochmals von Beginn an anzuhören. Denn so ist es auch mit der Liebe. Trotz Schmerz zieht es uns doch immer wieder zu ihr hin, weil sie einfach schön ist. Genauso wie „Goodbye“.
Sam Vance-Law: Goodbye (Virgin/Universal), ab dem 06.05. erhältlich
Sam Vance-Law live in Berlin, 17.05., 20:00, Hole 44
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