Ende einer glitzernden Welt: Abschied von Deko Behrendt
Vor ein paar Tagen machte die traurige Nachricht die Runde: Das Schöneberger Geschäft Deko Behrendt für Kostüme und Partyartikel ist der Corona-Krise zum Opfer gefallen und wird im März 2021 schließen. Ein großer Verlust – auch für die queere Community. Jurassica Parka erklärt, warum Berlin den Laden so schmerzlich vermissen wird
“Sagen Sie, ich gehe am Wochenende zu einer Mottoparty … ich gehe als die Jacob Sisters. Ich frage mich, ob Sie vielleicht eine Handtasche im Sortiment haben … eine Handtasche, die aussieht wie ein Pudel?” Kurze Stille.
“Ja, ich denke, wir haben zwei verschiedene Modelle – ich hole die mal kurz nach vorne, dann können wir schauen, welches besser passt”, antwortet mir die Verkäuferin. Ich bin verblüfft und freudig erregt. Es gibt Pudelhandtaschen.
Ich befinde mich im Fachgeschäft für Dekorations- und Festartikel. Deko Behrendt in der Hauptstraße, Schöneberg. Eine Institution, die im März 2021 schließen wird. Die Konkurrenz zum Onlinehandel und vor allem der Corona-Lockdown haben dem Fachgeschäft den Garaus gemacht. In den letzten Monaten wurden weder Feste gefeiert, noch Kleinkunstbühnen ausgestattet … das merkt man hier.
Es ist furchtbar, es ist traurig, ein riesiger Verlust für Berlin! Das Geschäft gibt es seit über 100 Jahren. Seine unauffällige Fassade mit kleinem Schaufenster verrät nicht sofort, was sich im Inneren verbirgt. Kostüme, Perücken, Grabsteine, Raumschiffe, Gebisse, Schminke, Kontaktlinsen, Skelette, Girlanden, Partygeschirr, Masken und natürlich Pudelhandtaschen. Hier gibt es alles für Feierlichkeiten, Geburtstage, Halloween, Fasching und natürlich auch für den gemeinen Bühnentransvestiten. Es gibt Cowboyhüte, Morgensterne, Zombieköpfe, Glitzerfolien und Konfettikanonen … einfach alles. Die Plastikquote liegt bei 150 Prozent.
Ein Zufluchtsort
Deko Behrendt ist ein schmaler, sehr langer Laden, man schraubt sich von Raum zu Raum weiter hinein in eine glitzernde unwirkliche Welt, die kein Ende zu haben scheint. In jedem Raum steht ein Tresen – ein Relikt aus dem letzten Jahrhundert. Schweres Holz, Glasoberfläche, darauf eine Kasse. EC-Karten-Bezahlung fühlt sich hier irgendwie komisch an. Dahinter eine angestellte Verkaufsperson. Jede Frage ist recht, jede wird beantwortet. Man pflegt hier die hinlänglich bekannte „Berliner Schnauze“.
„Wissense wat? Ick hatte jestern schon die Gloria Viagra hier im Laden zu stehen, die wollte neue Wümpern. Hab ick der gleich drei von den neuen B5-Wümpern verkooft, schaunse mal. Die passen jut.”
Deko Behrendt ist ein Ort losgelöst von Raum und Zeit. Und so bürgerlich die Belegschaft auch zu sein scheint, hier wird queeres Leben nicht hinterfragt. Niemand muss sich hier erklären, auch nicht wegen einer Pudelhandtasche. Tatsächlich ist Deko Behrendt eine Art Zufluchtsort.
Es riecht nach Polyester und West-Berlin
Ich gehe dort oft hin, einfach um mal Dinge anzuschauen, sich zu amüsieren. Es riecht nach Polyester und West-Berlin. Wenn Fasching oder Halloween ist, dann stehen die Leute an. Es macht eben doch einen Unterschied, ob man ein Kostüm direkt anprobiert und fühlen kann, sich damit im Spiegel anschaut. Bei AliExpress oder Amazon geht das nicht.
Ich werde Deko Behrendt vermissen, ich bin traurig und geschockt, dass dieser wunderbare kleine Laden bald nicht mehr da sein wird. Ich spreche die Verkäuferin darauf an, als sie mit den zwei angekündigten Pudelhandtaschen aus dem Lager zurück kommt. Sie lächelt, aber ich sehe, dass ihre Augen feucht werden. Seit 36 Jahren arbeite sie hier.
„Ja, is so! Aber man muss nach vorne gucken, wa? Habense nochn Wunsch? Wir ham gerade Prozente uff Glitzer, guckense ma.”
Berlin wird Deko Behrendt vermissen.
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