Empowerment für trans* Teens: Singer-Songwriter Sophie Atlas
Nachwuchstalent Sophie Atlas klärt durch seine Musik über die Herausforderungen von trans* Personen auf. Der nicht-binäre trans Junge möchte vor allem queere Teenager empowern. SIEGESSÄULE-Autor Sascha Suden traf ihn zum Gespräch
Gänsehaut, Tränen – ausgelöst durch ein Lied, das es schafft, den Schmerz den trans* Jungen oder Mädchen erleiden müssen, verständlich zu machen. „Turmdach“ handelt von einem Jungen, der springen will, weil ihm die Menschen zurufen „Mädchen, komm runter“. Aber er ist kein Mädchen, er weiß es, die Menge sieht es nicht. Sieht nicht, wer er ist, will es nicht sehen.
Gesungen mit einer Stimme, die tief unter die Haut geht. Die Stimme gehört Sophie Atlas. Dem 18-Jährigen non-binären trans* Jungen, der alle verwirrt, auch weil er seinen weiblichen Vornamen behalten möchte. „Ich mag meinen Namen total gerne und ich finde, dass er zu mir passt.“ Es ist ihm egal, was andere davon halten. „Ich war am Anfang auch von mir verwirrt, da ich nicht wusste, was mit mir los war.“ Und das bereits im Alter von acht Jahren, damals noch ohne die richtigen Worte dafür. „Ich habe mich nie wirklich einordnen können. Ich fand Stereotypen für mich blöd, denn ich mochte beide Seiten.“
„Ich mag meinen Namen total gerne und ich finde, dass er zu mir passt.“
Mit 16 Jahren fand er dann heraus: „Ich identifiziere mich nicht mit dem Geschlecht, in dem ich geboren wurde.“ Er hatte Glück, mit seinen Eltern, mit seinem Umfeld. Sie akzeptierten ihn, halfen ihm verschiedene Pronomen auszuprobieren und liebten ihn wie er war. „Zuhören und Fragen stellen“ ist das wichtigste, was er Eltern von queeren Kindern und Jugendlichen rät. Und auch wenn während des Interviews ein fröhlicher, aufgeschlossener, intelligenter Junge spricht, kommt immer wieder der Schmerz durch, der ahnen lässt wie leidvoll die Erfahrung eines trans* Menschen sein kann.
So wird die Antwort auf die Frage, was er denn meint, wenn man hm sagt, das sei nur eine Phase fast von Tränen erstickt. „Das stimmt nicht, weil ich weiß, wie ich mich fühle. Und wenn man hört, das sei nur eine Phase ist es schlimm, weil man sich dann nicht richtig fühlt. Das ist total schmerzhaft, weil es bedeutet, dass die Leute hoffen, dass es weggeht. Das wir schon wieder, du wirst wieder 'normal' sein.“
Deshalb schreibt er. Kein Wunder, dass er schon etliche Preise bekommen hat. Er hat unter anderem in Berlin eine Masterclass für Songwriting besucht, nachdem er einen nationalen Songwriting-Wettbewerb gewonnen hatte. Danach gewann er einen Wettbewerb als „Best New Artist“ in den USA und studiert nun in Boston mit einem Stipendium Musik. Auf drei CSDs hat er diesen Sommer gespielt.
Aufklärungsarbeit durch Songs
Ihm ist klar, dass nicht alle Menschen sofort verstehen, was Transsein bedeutet. „Ich kann nicht davon ausgehen, dass Menschen das gleiche fühlen, aber deshalb möchte ich es ihnen vermitteln, sie berühren.“ So ist er auch für das Selbstbestimmungsgesetz, das am heutigen 1. November in Kraft getreten ist. „Das ist so wichtig. Für trans* Menschen kann es lebensnotwendig sein, auch für die mentale Gesundheit.“ Sein Ziel: „Aufklärungsarbeit durch Songs“.
„Ich kann nicht davon ausgehen, dass Menschen das gleiche fühlen, aber deshalb möchte ich es ihnen vermitteln, sie berühren.“
Den ersten Song schrieb er mit 8 Jahren als die Urgroßmutter starb. Seitdem textet er, schreibt er, singt er. Und wird nicht nur bekannter und erfolgreicher, sondern auch ein Vorbild. So ist er auch für Pubertätsblocker für Jugendliche. „Weil es soviel Schmerz bedeutet in einem Körper zu sein, in dem man nicht passt. Und jeden Tag die Genderdysphobie, die man jeden Tag mit einiger mentaler Kraft bekämpfen muss.“ Die logische Konsequenz: „Diese Angst und diesen Schmerz, psychisch und physisch einem Kind zu ersparen finde ich richtig.“
Er selbst plant bereits seine Mastektomie. Dem Risiko, dass sich seine Stimme durch die Hormoneinnahme verändert ist er sich bewusst. „Meine Stimme wird sich wahrscheinlich ein wenig verändern, aber durch mein Stimmtraining werde ich das hoffentlich kompensieren können.“
Was rät er trans* Jugendlichen? „Es nicht in sich reinzufressen oder es zu verstecken. Viel reflektieren und nachdenken. Und dann sich Menschen zu suchen, die einen unterstützen. Leute zu suchen, die stolz auf einen sind.“ Auch, wenn er weiß, dass es nicht immer einfach ist. „Man findet immer Menschen, die einen wertschätzen wie man ist.“ Am Ende steht ein Ziel: „Ich finde es schön herauszufinden, wer man wirklich ist und das leben zu können.“ Und für alle, die sich auf dieser Reise befinden, hilft seine Musik. Übrigens, der Junge vom Turmdach ist nicht gesprungen.
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