Queer in der Bundeswehr

Empörung über Urteil gegen Anastasia Biefang

27. Mai 2022 as
Vorstand QueerBW v. l. n.r.: Rainer F. Rose, Anastasia Biefang, Sven Bäring, Thomas Trede

Nachdem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts zum Tinder-Profil der Bundeswehroffizierin Anastasia Biefang hagelte es deutliche Kritik u. a. aus der Politik und vom Verein Queer in der Bundeswehr. Denn dadurch werde das Recht auf sexuelle Selbstbestimmung eingeschränkt und Diskriminierung und Verfolgung Tür und Tor geöffnet

Ein Urteil des Bundesverwaltungsgerichts sorgt für Empörung: Die Bundeswehroffizierin und trans* Aktivistin Anastasia Biefang hatte auf Tinder mit den Worten „Spontan, lustvoll, trans*, offene Beziehung auf der Suche nach Sex. All genders welcome." nach Sexdates gesucht. Nachdem ihrem Vorgesetzen ihr Dating-Profil zugespielt worden war, sprach er ihr einen Verweis aus. Als Grund wurde angegeben: Sie wäre ihrer Verpflichtung zum ordnungsgemäßen außerdienstlichen Auftreten nicht gerecht geworden.

Daraufhin wehrte sich Biefang gegen diese Disziplinarmaßnahme. Doch das Bundesverwaltungsgericht entschied am 25. Mai, dass ein Dating-Profil, welches die Suche nach Sexualkontakten andeutet, auch ohne jeglichen Bundeswehrbezug disziplinar geahndet werden kann. Aufgrund ihrer Dienststellung nehme sie eine „repräsentative Stellung“ ein und dürfe durch ihr Verhalten das Ansehen der Bundeswehr nicht ernsthaft beeinträchtigen.

Kritik von QueerBW

Der Verein Queer in der Bundeswehr (QueerBW) kritisierte das Urteil in einer gestern Abend herausgegebenen Pressemitteilung: „Bei einem Dating-Profil, welches keinerlei Hinweis auf die Bundeswehr gibt, muss die Privatsphäre von Soldat:innen respektiert werden." Weiter heißt es: „Offene Beziehungen sind in Deutschland legal und unterliegen keinerlei Beschränkungen." Insofern habe der Staat die persönliche Freiheit zu achten und nicht das Recht, Soldat*innen „ungerechtfertigt in ihrem Recht auf sexuelle Selbstbestimmung einzuschränken."

Die Pressemitteilung des Bundesverwaltungsgerichts zeuge von vergangenen Moralvorstellungen: „Der Profiltext ,All genders welcome' wurde explizit als Grund für die Zweifel an der ,charakterlichen Integrität' einer Offizierin genannt, die seit über 27 Jahren in der Bundeswehr dient. In diesem Zusammenhang von ,wahllosem' und ,promiskuitiven Sexualverhalten' zu sprechen und einer etablierten Führungskraft ihre moralische Integrität abzusprechen, ist rückständig und in unseren Augen verfassungswidrig."

Auch erwecke die Mittelung den Eindruck transphober Denkmuster, da eine trans Frau mit der männlichen Bezeichnung der Dienststellung als auch mit dem bei ihrer Geburt zugewiesenen Geschlecht erwähnt wird.

Laut QueerBW haben sich in den vergangenen Stunden, mehrere Soldat*innen an den Verein gewendet und ihre Bedenken über die Auswirkungen des Urteils und ihre Angst über disziplinäre Verfolgung zum Ausdruck gebracht. „Wir stellen fest, dass das Urteil Tür und Tor zu Diskriminierung und Verfolgung bietet." Auch sei das Risiko, dass nun gezielt nach Dating-Profilen Ausschau gehalten wird, nicht zu vernachlässigen. Deswegen fordern QueerBW das Bundesministerium der Verteidigung und den Deutschen Bundestag auf, „unverzüglich Vorkehrungen zu treffen, dass das Privatleben der Soldat:innen Privatsache bleibt" 

„Wir leben nicht im Jahr 1955.“

Auch aus der Politik kam deutliche Kritik an dem Urteil: So sagte die verteidigungspolitische Sprecherin der Grünen-Bundestagsfraktion, Sara Nanni, gegenüber dem RedaktionsNetzwerk Deutschland (RND), dass Dienstvorschriften nicht so stark in das Privatleben eingreifen dürften, wie das in diesem Fall geschehen sei: „Likes für rechtsextreme Inhalte sollten ein Problem sein. Die Tatsache, dass man eine offene Ehe lebt und auf einem Dating-Portal unterwegs ist, nicht. Das ist die falsche Moralvorstellung aus den 50er Jahren, die wir dachten überwunden zu haben." Wie man genau vorgehen wolle, werde noch geprüft.

Die Vorsitzende des Verteidigungs­ausschusses, Marie-Agnes Strack-Zimmermann (FDP), brachte gegenüber dem RND ihre Auffassung zu dem Urteil ebenfalls deutlich auf den Punkt: „Wir leben nicht im Jahr 1955. Privat ist privat, und Dienst ist Dienst.“

Queerbeauftragter: Solche Urteile sollen zukünftig verhindert werden

Sven Lehmann, Beauftragter der Bundesregierung für die Akzeptanz sexueller und geschlechtlicher Vielfalt („Queer-Beauftragter"), hatte sich am Freitag in einem Tweet hinter Anastasia Biefang gestellt und das Urteil kritisiert. Dabei hatte der Grünen-Politiker auch darauf aufmerksam gemacht, dass er selbst ein Profil auf Dating-Apps habe und ihm als Staatssekretär und Teil der Bundesregierung deswegen nicht die „charakterliche Integrität" abgesprochen werde. Es sei wichtig wie man arbeitet, nicht wie man datet, twitterte er.

Er kündigte an, das Gespräch mit Bundesverteidigungsministerin Christine Lambrecht und der Wehrbeauftragten Eva Högl zu suchen und zu beraten, wie sich „künftig disziplinarische Urteile wie das gegen Anastasia Biefang verhindern lassen."

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