Einziger Deutschlandauftritt: Anohni and the Johnsons
Sie hat sich rar gemacht – zwischenzeitlich sogar ihren Abschied von der Bühne erklärt. Doch jetzt wird Anohni rückfällig: Am 9. Juli kommt sie für einen einzigen Deutschlandauftritt mit den Johnsons nach Berlin. SIEGESSÄULE sprach mit ihr vorab
Eigentlich hatte sie nicht vor, noch mal auf Tournee zu gehen – daraus machte Anohni bei unserem letzten Gespräch im Juli 2023 kein Geheimnis. „Ich bin nicht geschaffen fürs ständige Reisen. Es setzt mir wirklich zu – im Sinne von: Es ist nicht gut für meine Gesundheit.“ Ein offener, ehrlicher Umgang mit sich selbst. Die 53-jährige Britin mit Wohnsitz New York inszeniert sich gern als Fantasiewesen mit wallenden Gewändern, Schleiern und seidenen Handschuhen. Und integrierte den Namen ihres großen Idols, der ermordeten LGBTIQ*-Aktivistin und Trans-Pionierin Marsha P. Johnson. Anohni zollt ihr Tribut mit ihrer Band The Johnsons, aber auch mit dem Coverartwork ihres aktuellen, sechsten Albums „My Back Was A Bridge For You To Cross“ – ein Werk, auf dem sich Anohni erstmals in ihrer Karriere an R&B und Soul wagt.
Musikalisches Wachrütteln
Ein ähnliches Experiment wie die harschen elektronischen Klänge des Vorgängers „Hopelessness“ von 2016 – diesmal mit Klavier, Gitarre, Streichern und einem Retro-Sound im Sinne von Sam Cooke oder Marvin Gaye. Die verehrt sie als Musikikonen wie Bürgerrechtler und gesellschaftliche Visionäre. „Im Grunde greife ich Marvins zentrale Frage von 1971 auf – nämlich: ‚What‘s Going On?‘ Ich schaue, was aus seinen Beobachtungen und Vorahnungen geworden ist. Das führt zu der Erkenntnis: Es ist genauso schlimm wie damals. Es hat sich rein gar nichts verbessert, und wenn wir – 50 Jahre später – nicht langsam aktiv werden, ist es endgültig zu spät.“
„Es hat sich rein gar nichts verbessert, und wenn wir – 50 Jahre später – nicht langsam aktiv werden, ist es endgültig zu spät.“
Also ein musikalisches Wachrütteln – ein Song gewordener Tritt in den Allerwertesten einer lethargischen Menschheit. Damit kehrt Anohni jetzt doch wieder zurück auf die Bühne. Aber nicht, wie 2016 im Tempodrom, mit zwei anonymen Beatslieferanten, zu deren pulsierendem Teppich sie agierte, sondern mit den Johnsons. Eine neunköpfige Liveband, zu der u. a. Julia Kent (Cello), Maxim Moston (Violine), Doug Wieselman (diverse Blasinstrumente) und Gitarrist Jimmy Hogarth zählen. Einfach weil sie – so Anohni – die Arbeit mit echten Musiker*innen vermisse, weil die Songs des aktuellen Werks allesamt live im Studio entstanden und insofern perfekt für eine Konzertdarbietung seien.
„ Für eine*n Künstler*in gibt es nichts Erfüllenderes, als eine Art Katalysator für die Fantasie der Leute zu sein.“
Aber auch, weil sie es schlichtweg vermisse, vor Publikum zu agieren: „Auf der Bühne zu stehen ist eine Freude und ein Privileg. Für eine*n Künstler*in gibt es nichts Erfüllenderes, als eine Art Katalysator für die Fantasie der Leute zu sein. Diese Rolle zu übernehmen ist das Größte. Und je länger ich gesagt habe, dass ich dafür nicht mehr zur Verfügung stehe, desto größer wurde der Wunsch in mir, es doch wieder zu versuchen.“ Eben mit zwölf Europa-Konzerten, darunter ein einziges in Deutschland in der Zitadelle in Spandau am 9. Juli. Ein Open-Air-Konzert in der Stadt, in der Anohni zu Beginn der 2010er-Jahre auch kurzzeitig gelebt hat und an die sie beste Erinnerungen hegt.
SIEGESSÄULE präsentiert Anohni and the Johnsons
09.07., 20:00
Zitadelle Spandau
anohni.com
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