Performance-Festival „Queer Darlings"

„Ein nicht binärer Planet": Liz Rosenfeld im Gespräch

11. Apr. 2023 Carsten Bauhaus
Bild: Dorothea Tuch
Liz Rosenfeld (li.) und R. Justin Hunt

Die vierte und letzte Ausgabe der Reihe „Queer Darlings" in den Berliner Sophiensælen bringt vom 14. bis zum 23. April wieder fantasievolle Performances jenseits binärer Normen auf die Bühne.

Thematisch geht es um persönliche und gesellschaftspolitische Momente „der Veränderung, des Übergangs, der Krise und der Transition(en)." Zu sehen gibt es u. a. die Performance „Ursa-X" von dem*der in Berlin lebenden US-amerikanischen Künstler*in Liz Rosenfeld. SIEGESSÄULE-Autor Carsten Bauhaus traf die*den queere*n, feministische*n, sex- und fatpositive*n Künstler*in zum Gespräch

Liz, die Inspiration für deine Performance „Ursa-X“ ist der griechische Mythos um die Sternbilder Ursa Major und Minor – die große Bärin und der kleine Bär. Wie lautet diese Geschichte? Zeus verliebt sich in die Nymphe Kallisto und zeugt mit ihr einen Sohn namens Arkas. Aus Eifersucht verwandelt dann Hera, die Gattin von Zeus, Kallisto in eine Bärin. Erwachsen geworden trifft Arkas bei der Jagd auf seine Mutter, ohne sie zu erkennen. Um dann den Mord des Sohnes an seiner Mutter zu verhindern, verwandelt Zeus die beiden in Sternbilder – Kallisto in die Große Bärin und Arkas den Kleinen Bären.

Es geht also in dem Mythos wie auch in der Performance insgesamt um Wandel und Transformationen. Inwieweit spielen da eigene Erfahrungen hinein? Es geht natürlich wie immer in meinen Arbeiten auch um meine eigene Erfahrung. Aber darüber hinaus geht es eben auch um ganz andere Veränderungen als nur die des Geschlechts: um Veränderungen von Identitäten und Körpern, etwa durch das Altern. Oder den Wandel von Wünschen und Leidenschaften an verschiedenen Punkten im Leben.

„Planet der Löcher“

In der Performance geht es viel um Astronomie. Woher kommt das Interesse daran? Ich liebe es, verschiedene Ideen miteinander zu verbinden. Als ich zu den Themen Astronomie und Astrologie recherchiert habe, erfuhr ich, dass Merkur der einzige Planet ist, der kein Geschlecht hat. Er ist sozusagen ein nicht binärer Planet. Außerdem wird er auch als „Planet der Löcher“ bezeichnet. 

Die Beschäftigung mit Löchern ist ein weiterer Baustein von „Ursa-X“… Meine Freundin Johanna Linsley hat mich eingeladen, einen ihrer Texte zu benutzen, in dem es viel um das Konzept von Löchern geht: Löcher als Übergangsorte, Löcher als Portale hinein in etwas gänzlich anderes. Der Text kommt auf verschiedene Arten zum Einsatz: als Zitat auf der Wand, rezitiert und vorgelesen.

Auch die Hauptfigur Ursa ist ein Loch, das nicht gefüllt werden kann und sich dennoch danach sehnt. Wie stellt man so etwas dar? Durch sehr viele verschiedene Handlungen auf der Bühne bilden wir quasi verschiedene Schichten von Löchern. Und am Ende realisieren wir dann, dass wir tatsächlich alle zusammen in einem riesigen Loch sitzen.

Was wird das Publikum auf der Bühne noch zu sehen bekommen? Ich versuche in letzter Zeit, sehr interdisziplinär zu arbeiten – mit Text, Film, Performance und auch Zeichnungen. In letzter Zeit habe ich viele kleine Löcher gezeichnet, und während der Performance wird es eine filmische Animation dieser Zeichnungen zu sehen geben – also, eine weitere Schicht von Löchern. Und auch ein spezielles Sounddesign, entwickelt von Neda Sanai, ist ein wichtiges Element der Performance. 

Hommage an einen verstorbenen Freund

Wie muss man sich den Entstehungsprozess einer solchen Performance vorstellen? Meine Arbeitsweise ist grundsätzlich sehr kollektiv. Zum Anfang erkläre ich mein Konzept und meine Vision – und frage dann alle Beteiligten, wie ihre persönlichen Erfahrungen mit dem Thema sind. Grundsätzlich arbeite ich gerne mit Freund*innen zusammen, also Leuten, die mich gut kennen. Und dieses Gefühl der Intimität zieht sich durch meine Arbeit hindurch.

So wie bei deinem Duett mit deinem Bühnenpartner, R. Justin Hunt, in dem ihr mit „physischer Übertragung experimentiert“. Was genau passiert da? Es geht um die Frage, wie es ist, jemandem, den man liebt, einen Spiegel vorzuhalten. R. Justin Hunt ist ein alter Freund von mir aus London, der in seinem Leben schon sehr viele Performance-Erfahrungen gesammelt hat, angefangen mit Ballett über zeitgenössischen Tanz bis hin zu einer Karriere als Dragqueen. Er befindet sich altersmäßig genau wie ich in seiner Lebensmitte. In unserem Duett versuchen wir zu erkunden, wie man den jeweils anderen Körper bewohnen kann. An anderer Stelle tanze ich dann ein Solo. Es ist eine Hommage an einen Freund, der im letzten Sommer verstorben ist: ein Tanz mit einem Körper, der eigentlich gar nicht mehr da ist – ein weiterer Versuch, mit einem anderen Körper zu sein. 

SIEGESSÄULE präsentiert
Queer Darlings 4, 14.–23.04., Sophiensæle

Ursa-X, 20.+21.04., 20:00, 22.+23.04., 18:00
sophiensaele.com

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