Dyke* March 2024
Am 26. Juli findet der Dyke* March Berlin zum zwölften Mal statt. Mittlerweile bringt die Demo für lesbische Sichtbarkeit Zehntausende Menschen auf die Straße und ist für viele FLINTA* ein Highlight der Pride-Saison. In diesem Jahr wird der Dyke* March im Vorfeld allerdings durch eine hitzig geführte politische Debatte überschattet.
Was war passiert? Ein kurzer Abriss: Die Debatte wurde im Juni mit einer Äußerung des Dyke*-March-Orga-Teams in den Kommentarspalten auf Instagram losgetreten, die palästinasolidarische Melonen-Symbole verwendete und sich gegen Rassismus, Antimigrationsmobilisierung, Antisemitismus, Islamophobie, Siedlerkolonialismus, Genozid und Apartheid positionierte. Dies stieß neben Zustimmung auch auf Kritik in Teilen der Community – u. a. wegen der Nicht-Erwähnung des Hamas Terrors. Tage später (24. Juni ) wurde ein Einladungspost zum Soliabend in der Möbel Olfe auf dem Dyke* March Insta-Account veröffentlicht, auf dem die eigentlich gelben, nach unten zeigenden Dreiecke des Möbel-Olfe-Logos, rot waren.
Zur Erklärung: Die Hamas benutzt das rote Dreieck seit Ende letzten Jahres in u. a. Propaganda-Videos als Feindesmarkierung. In sozialen Medien wird es u. a. auch in antisemitischen Memes verwendet. Für andere Menschen steht es – ähnlich wie die Wassermelone oder die Kufiya – schlicht symbolisch für Solidarität mit Palästina. Das Auftauchen roter Dreiecke auf einem Dyke*-March-Flyer wurde von einigen als Provokation gelesen.
Auf dem Soli-Abend in der Möbel Olfe am 8. Juli kam es außerdem zu einer Eskalation, als eine Gruppe von Lesben einen Tisch mit „Safe Table for Jews and Israelis“-Schildern labelte und dort u. a. Regenbogenfahnen mit dem Magen David (sog. Davidstern) anbrachte. Außerdem hatten sich die Frauen mit Stickern mit Slogans wie „No Pride in Hamas“ u. a. beklebt. Andere Besucher*innen reagierten auf diese Aktion mit „Free Palestine“-Rufen. Nach Wortgefechten unter den Gästen wurde die Veranstaltung vom Dyke*-March-Orga-Team vorzeitig abgebrochen. Seitdem erreicht die Debatte neue Höhen. Die SIEGESSÄULE wollte wissen: Wie hat eigentlich das Orga-Team den Shitstorm und den Abend in der Olfe erlebt? Für die SIEGESSÄULE sprach Lara Hansen mit Danny Bergmann und Eve Zwicker aus dem ehrenamtlichen Dyke*-March-Team.
SIEGESSÄULE: Ihr habt zwei sicherlich nervenraubende Wochen hinter euch. Wie geht es euch heute?
Eve: Ich freu mich wahnsinnig auf den Dyke* March am Freitag. Aber natürlich stecken uns auch die letzten Wochen ziemlich in den Knochen.
Danny: Mir geht‘s gut, mein Kampfgeist ist wieder geweckt!
SIEGESSÄULE: Bei eurem Soli-Abend in der Bar Möbel Olfe vor zwei Wochen kam es zu einem Eklat. Könnt ihr den Abend aus eurer Sicht nochmal rekonstruieren?
Eve: Wir sind sechs Leute im Orga-Team. An dem Abend waren vier von uns im Bar-Einsatz. Zwei kamen erst später dazu, ich war eine davon. Für mich war das eine ziemlich schnelle Nummer. Ich hab den Tisch nicht gesehen, bis es ein Zeichen gab, jemand solle kommen, und dann war diese Eskalation schon im Gange. Meine Barschicht hätte zu diesem Zeitpunkt eigentlich angefangen. Ich habe den Gästen mitgeteilt, dass es erstmal keine Drinks gibt und alle ruhig bleiben sollen.
Danny: Die Gruppe war uns nicht bekannt und kam unangemeldet. Sie dekorierten einen der Tische mit verschiedenen Fahnen, Schildern und Symbolen und warteten auf Reaktionen der umstehenden Gäste. Wir sehen darin sowohl einen Versuch der Spaltung als auch die Aneignung für alle jüdischen Menschen zu sprechen. Die Frauen am Tisch weigerten sich nach wiederholter Aufforderung, die Bar zu verlassen. Als ich nach meiner Tresenschicht zu dem Tisch kam, drohte die Situation schon zu eskalieren. Es kam zu verbalen Auseinandersetzungen. Zur Sicherheit aller haben wir die Veranstaltung beendet und alle gebeten, die Olfe zu verlassen.
Eve: Die Frauen von dem Tisch haben dann die Polizei gerufen, was wir aufs Schärfste verurteilen. Danny: Dazu kommt, dass sie die Reaktion, die sie bewusst hervorgerufen haben, gefilmt und das Bildmaterial der Polizei und der Presse übergeben haben.
SIEGESSÄULE: Sind euch die Leute schon bekannt?
Eve: Mittlerweile wissen wir, dass diese Gruppe mehrheitlich nicht jüdisch ist.
Danny: Die Leute kamen aus keinem jüdischen Verein und ohne ersichtlichen Auftrag.
SIEGESSÄULE: Was war deren Motivation, eurer Wahrnehmung nach? Denkt ihr, sie hatten tatsächlich jüdische Sicherheit im Sinn?
Eve: Wir sehen das klar als Instrumentalisierung an.
Danny: Es gibt bei der Gruppierung Überschneidungen mit einer anderen Gruppe, die schon vor zwei Jahren die Demo gestört hat, weil sie sich mit transfeindlichen Parolen vor den Aufzug setzen wollten. Deswegen ist unser Verdacht, dass sie jetzt auf diesen Zug aufgesprungen sind, um dem Dyke* March zu schaden und die Community zu spalten.
SIEGESSÄULE: Wie wehrt ihr euch gegen die schweren Vorwürfe seitens der Gruppe?
Danny: Einmal vorweg, der Vorwurf des Antisemitismus trifft uns alle hart. Uns zu unterstellen, wir würden Hamas-Symbole bewusst verwenden, ist infam und da wehren wir uns ganz klar. Israel-Kritik ist kein Antisemitismus, Antizionismus ist nicht Antisemitismus. Uns ist es wichtig, dass man da ganz klar differenziert zwischen Kritik an der Regierung Israels und dem jüdischen Volk. Und selbstverständlich sind alle jüdischen Personen auf unserer Demo willkommen!
SIEGESSÄULE: Eine der Frauen vom Tisch hat die Polizei gerufen und ausgerechnet gegen eine einzelne Dyke of Color Anzeige erstattet. In eurem Statement solidarisiert ihr euch mit der Angezeigten und weist auf rassistische Motive seitens der Gruppe hin. Steht ihr mit ihr in Kontakt?
Eve: Ja, wir sind im persönlichen Kontakt und müssen jetzt abwarten. Sie muss erstmal beim LKA Stellung beziehen und wir unterstützen soviel wir können.
Danny: Interessanterweise ist es so, dass sich die Gruppe der transfeindlichen Störerinnen – ich nenn sie mal so – auch vor zwei Jahren eine Person herausgepickt und angezeigt hat, die sie als vermeintlich schwach ausgemacht haben. Die Person haben wir damals auch unterstützt. Es ist das gleiche Muster. Die Polizei zu rufen im Bewusstsein, man hat als weiße Person keine Ressentiments der Polizei zu befürchten und sich dann eine BiPoC auszusuchen, wo davon auszugehen ist, dass sie dieses Privileg nicht hat. Damals war es eine trans* Person, diesmal war es eben eine pro-palästinensische PoC.
SIEGESSÄULE: Wie stellt ihr sicher, dass der Dyke* March für von Rassismus, Antisemitismus und von Polizeigewalt betroffenen Personen gleichermaßen ein sicherer Ort des Zusammenkommens sein kann in Zukunft?
Eve: Für dieses Jahr haben wir über 100 Ordner*innen, die alle über die aktuelle Situation Bescheid wissen. Wir haben Sanitäter*innen-Kollektive für die Demo angefragt. Wir hoffen, dass es zu keiner Polizeigewalt kommt. Ansonsten haben wir den Ermittlungsausschuss (EA) mit ihren Anwält*innen als backup.
Danny: Wir haben mit der Polizei ausgemacht, dass es für uns oberste Priorität hat, dass unsere Ordner*innen Konfliktparteien zuerst ansprechen und versuchen zu de-eskalieren oder Gruppen zu trennen. Wir versuchen interne Lösungen zu finden, sodass die Polizei nicht einschreiten muss, was wir vermeiden wollen. Wie in jedem Jahr wünschen wir uns keine Nationalstaatsflaggen auf der Demo, denn man kann seine Sympathien auch anders zeigen. Wir hoffen dadurch, Konfliktpotenzial rauszunehmen. Das Hauptziel ist es, lesbische Sichtbarkeit auf die Straße zu bringen und das bringt die Teilnehmenden hoffentlich zusammen.
SIEGESSÄULE: Euer Motto lautet dieses Jahr „Love Dykes* – Fight Fascism“. Was bedeutet das für euch, insbesondere angesichts der versuchten Spaltung?
Eve: Wir sehen einen Rechtsruck in Europa und in Deutschland, und wissen, dass es unsere Community mitunter auch als Erstes treffen wird. Queerfeindliche Angriffe sind gestiegen. Wir wollen zeigen, dass wir das sehen und dagegen kämpfen.
SIEGESSÄULE: Warum ist der Dyke* March wichtig?
Danny: Der Dyke* March ist wichtig, weil er die lesbisch-queere Community empowert. Weil er zeigt, wir sind viele und wir sind gemeinsam stark. Wir wollen trans* Personen einen Raum geben. Es ist uns wichtig, alle queeren Personen anzusprechen und nicht zu exkludieren, wie es etwa der East Pride tut, der als Gegendemo auftritt und bei seiner Veranstaltung nicht mal 500 Leute anzog.
SIEGESSÄULE: Wie schützt ihr trans* Identitäten explizit?
Eve: Wenn es einen Übergriff gibt, wird die angreifende Person natürlich der Demo verwiesen. Meistens bewegen sich Leute, die stören, aber in einem legalen Rahmen. Für uns gibt es dann nur die Möglichkeit, diese Leute abzuschirmen und ans Ende der Demo zu verweisen, weil unsere Demo – wie andere auch – dem Berliner Versammlungsgesetz unterliegt.
Danny: Im letzten Jahr hatten wir für den Dyke* March extra eine Gruppe zur Unterstützung da, die bereit war, transfeindliche Plakate oder Banner mit einem anderen Banner abschirmen. Das war aber gar nicht notwendig, weil es im letzten Jahr keine Störung gab. Dieses Jahr rechnen wir auch nicht mit transfeindlichen Vorfällen.
SIEGESSÄULE: Was wünscht ihr euch für den Dyke* March am Freitag?
Eve: Ich wünsch mir eine kraftvolle, vielbesuchte, fröhliche, friedliche, starke Demo. Ich hoffe, dass wir alle Spaß haben.
Danny: Und dass wir hinterher wieder ein empowerndes Gefühl haben, wir sind viele und es tut so gut, in der Gemeinschaft mitzulaufen.
Dass wir alle sagen können, wir freuen uns schon aufs nächste Jahr.
Transparenzhinweis: Manuela Kay, Ko-Verlegerin der SIEGESSÄULE, ist Mitbegründerin des Dyke* March und Teil des Orga-Teams. Lara Hansen hat keine persönlichen Verflechtungen mit dem Dyke* March und arbeitet als freie Redakteur*in für die SIEGESSÄULE.
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