Demo am 13. Juli

Disability Pride Parade Berlin: „Behindert und verrückt – Solidarisch feiern!“

12. Juli 2024 Patricia Fritze
Bild: Sally B.
Im letzten Jahr lautete das Motto: „Behindert und verrückt auf die Straße zurück“.

Unter dem Motto „Behindert und verrückt – Solidarisch feiern!“ rollt, humpelt, tanzt und feiert die Disability Pride Parade am 13. Juli durch Berlin. Die Demo wird bereits zum elften Mal veranstaltet und stellt die Rechte und Forderungen von queeren Menschen mit Behinderung in den Mittelpunkt. SIEGESSÄULE hat vorab mit den Organisator*innen gesprochen

Grün, Blau, Weiß, Gelb, Rot – die Farbaufzählung der Disability Pride Flag repräsentiert mit jedem Streifen eine marginalisierte Gruppe von Menschen mit Behinderung und weist gleichzeitig auf deren Verbundenheit und Solidarität hin. Mittlerweile gibt es verschiedene Versionen der Flagge, ursprünglich waren die Streifen jedoch im Zick-Zack angeordnet, um auf die Barrieren hinzuweisen, mit denen Menschen mit Behinderung in ihrem Alltag konfrontiert werden. Noch immer gibt es viele Bereiche, in denen die Barrieren abgebaut werden müssen – dafür kämpft das Kollektiv „Behindert und verrückt feiern“, das in diesem Jahr auch eine ausführliche Liste an Forderungen vorstellt. Das Kollektiv besteht seit 2013 und ist eine Initiative der Arbeitskreise „mit_ohne Behinderung“ und „Psychiatriekritik“.

Gemeinfrei (Public Domain)
Disability Pride Flag. Grün: Beeinträchtigungen der Sinneswahrnehmung, Blau: psychische Behinderungen, Weiß: unsichtbare und nicht diagnostizierte Behinderungen, Gold: Neurodiversität, Rot: körperliche Behinderungen

Gemeinsam mit anderen Aktivist*innen organisiert Marlen König die Pride Parade und sieht das Kollektiv stetig wachsen. „Erst durch die vielen Ehrenamtlichen ist die Demo möglich“, erklärt König gegenüber SIEGESSÄULE. Dabei zählt jede Unterstützung: ob vor Ort, durch Spenden oder in Form von Werbekampagnen. Das Kollektiv trifft sich regelmäßig, um die jährliche Demo zu organisieren und den Forderungskatalog auszuarbeiten, der den Weg in eine inklusive und solidarische Zukunft weiter vorantreiben soll.

Auch Tom Geserich ist Teil des Orga-Teams der „Behindert und verrückt“-Pride und machte in seinem Kommentar für SIEGESSÄULE im letzten Jahr auf das Potenzial von queeren, verrückten und behinderten Prides aufmerksam: „Wir behinderten Menschen sind Teil der queeren Community, wir waren schon immer mehr als ein Nachgedanke. Dies auszusprechen mag banal erscheinen, doch werden wir zu oft übersehen, nicht als begehrenswert wahrgenommen und haben keinen Zugang zu queeren Räumen.“

Forderungen für eine inklusive Zukunft

Dabei fordert das Kollektiv unter anderem: Menschen mit Behinderung, die arbeiten können, sollen überall mitarbeiten können. Außerdem: Mehr Mitspracherecht auf dem Arbeitsmarkt und bei der Gestaltung von Bezahlung in Werkstätten für Menschen mit Behinderung. Barrieren im Gesundheitsbereich sollen abgebaut und mehr Schutz für Betroffene gewährleistet werden. Diese Forderungen sind angesichts des Rechtsrucks in Deutschland und Europa dringlicher denn je – besonders mit Blick auf die politische Position der AfD, die sich für den Abbau von Inklusion ausspricht. Deshalb lautet eine weitere Forderung des Kollektivs: „Kinder mit Behinderung sollen mit allen anderen Kindern zur Schule gehen“. Das Parteiprogramm der AfD wiederum sieht ein Bildungssystem vor, das behinderte Kinder aus dem regulären Schulbetrieb ausschließen soll, und befürwortet stattdessen gesonderte Bildungseinrichtungen für Kinder, die nicht der gesellschaftlichen Norm entsprechen.

Im vergangenen Jahr machte auch der Berliner Senat, insbesondere aber die Berliner Bildungsverwaltung, durch den Ausschluss behinderter Schüler*innen an Regelschulen negativ auf sich aufmerksam. Dafür bekamen sie vom Kollektiv „Behindert und verrückt feiern“ den Negativpreis „Glitzerkrücke“ verliehen. Dieser Preis wird jedes Jahr während der Demo verliehen und geht an Vereine, Unternehmen oder Institutionen, die sich in besonderer Weise negativ durch Ausgrenzung oder Diskriminierung von Menschen mit Behinderung „hervorgetan“ haben.

Bild: Kollektiv „Behindert und verrückt feiern“
Bilder der Demo „Behindert und verrückt – Solidarisch feiern!“ von 2023.

Barrierefreie Route

Bei der anstehenden Pride ist es den Organisierenden besonders wichtig eine inklusive und solidarische Demo zu organisieren und dabei auf eine barrierefreie Route zu achten. Das bedeutet sicherzustellen, dass Menschen mit verschiedenen Mobilitätsbedürfnissen problemlos teilnehmen können. Zudem werden ausreichend barrierefreie Toiletten und Ruhezonen bereitgestellt, genauso wie es während der gesamten Veranstaltung Übersetzer*innen für Gebärdensprache geben wird. „Das sind alles Vorkehrungen, an die bei den großen Prides aufgrund mangelnder Repräsentation in der Regel nicht gedacht wird“, bemerkt König. Gedacht werden soll, wie das Motto dieses Jahres bereits ausdrückt: nicht nur inklusiv, sondern solidarisch. König meint dazu: „Wir denken auch an andere Menschen, deren Rechte verletzt werden. Dazu gehören Geflüchtete, genauso wie Menschen mit Behinderung und verrückte Menschen in anderen Ländern.“

„Das sind alles Vorkehrungen, an die bei den großen Prides aufgrund mangelnder Repräsentation nicht gedacht wird.“

In den 1970er-Jahren wurde die „Disability Rights Movement“ in den USA zu einer treibenden Kraft für die Rechte von Menschen mit Behinderung. Am 26. Juli 1990 unterzeichnete der damalige Präsident der Vereinigten Staaten George H. W. Bush den „Americans with Disabilities Act“, der die Gleichstellung von Menschen mit Behinderung gesetzlich festlegt. Aus diesem Grund findet im Juli der internationale Disibility Pride Month statt.

Entgegen dem Rest der Welt feiert Berlin nicht im Juni, sondern im Juli den Pride-Monat: Der große Hauptstadt-CSD bildet traditionell das Highlight der Pride-Saison in Deutschland. So kommt es jedes Jahr, dass sich die beiden Pride-Monate überlagern.

Dieser Zufall mag unglücklich sein, doch das Kollektiv „Behindert und verrückt“ macht sich keine Sorgen, dass sich beide Pride-Monate den Juli teilen. Dadurch, dass in diesem Jahr zwischen den Demonstrationen zwei Wochen liegen, kannibalisieren sich die Veranstaltungen nicht gegenseitig. Der Demo-Termin im Juli unterstreicht vielmehr einen entscheidenden Punkt: Die Anliegen von behinderten und neuroatypischen Menschen sind auch queere Anliegen.

Die „Behindert und verrückt“ Pride gibt es bereits seit vielen Jahren.

„Behindert und verrückt“-Pride-Parade
13. Juli ab 15:00
Startpunkt: Hasenheide/Ecke Jahnstraße, Neukölln
Route: über Hermannplatz, Kottbusser Brücke, Kottbusser Tor
Ziel: Platz vor dem Café Südblock in der Admiralstraße 1-2
pride-parade.de

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