Krieg in der Ukraine

Die LGBTIQ*-Anlaufstelle für Geflüchtete am Hauptbahnhof

9. März 2022 Nina Süßmilch
Bild: Nina Süßmilch

Auf der Flucht vor dem Krieg sind laut Berliner Senat mittlerweile um die 70.000 Ukrainer*innen in der Hauptstadt angekommen. Am Berliner Hauptbahnhof haben Freiwillige eine Anlaufstelle für LGBTIQ*-Geflüchtete aufgebaut. Unsere Autorin Nina Süssmilch war vor Ort und gibt ein Stimmungsbild über die aktuelle Situation

Es ist zugig am Berliner Hauptbahnhof an diesem Dienstagmittag. Eine Gruppe von sechs Freiwilligen steht hinter einem großen Tisch, auf dem Listen für Unterkünfte und Informationszettel für Ankommende liegen. Die bunten Queer- und Trans-Flaggen sind nicht nur auf den Westen der Helfer*innen angebracht. Auch hinter ihrem Stand sind sie deutlich zu sehen. Daneben gibt es einen Treffpunkt, der BPoC-Geflüchteten gilt, ebenfalls deutlich markiert mit Schildern. Unweit davon stehen die einzigen Polizist*innen, die in diesem Bereich des Bahnhofs zu sehen sind.

Patrick engagiert sich bei der LGBTIQ*-Anlaufstelle am Hauptbahnhof. Über eine Telegram–Gruppe haben sich die Freiwilligen der LGBTIQ+ - Gruppe organisiert. Patrick trägt eine dicke Winterjacke und Mütze. Er ist seit einigen Tagen am Hauptbahnhof und hilft. In zwei Stunden-Schichten werden die Freiwilligen eingeteilt, viele bleiben länger. Alle tragen als Kennzeichen eine signalgelbe Weste. Orange ist sie, wenn die Person Russisch oder Ukrainisch sprechen kann.

Der Ankunfts- und Freiwilligen-Bereich ist voller Menschen und wirkt dennoch nicht hektisch. Plakate an Säulen zeigen an, wo es Essenstände, Medikamente und Listen für Unterkünfte gibt. Pfeile auf dem Boden machen die Laufrichtung klar, die von allen konsequent ignoriert wird. In einem anderen Bereich des Bahnhofs gibt es Kleider- und Sachspenden. Auch an das Wohl von Tieren denkt man: über die Berliner Tiertafel wurden Futterspenden organisiert. Vom Busbahnhof aus können die Geflüchteten in andere Städte weiter fahren. Es gibt Busse bis nach Paris.

Flucht aus der Hafenstadt Mariupol

Der erste Zug aus Polen, wo im Moment die meisten Geflüchteten aus der Ukraine ankommen, ist gegen neun Uhr morgens in Berlin, erzählt Patrick. Danach gehe es über den ganzen Tag verteilt weiter. Die ankommenden Menschen werden an der Anlaufstelle mit Infos versorgt. Vor allem geht es darum ihnen ganz individuell zu helfen - ob auf dem Weg zu den Essenständen, den Kleiderspenden oder zu den Zügen. Immer wieder hören sie dabei Geschichten, was den Menschen auf der Flucht passiert ist oder wen sie zurücklassen mussten.

Manche Geflüchtete, die zur Anlaufstelle kommen, seien alleine, wie zum Beispiel der junge Teenager Y. Er hatte es geschafft aus Mariupol zu fliehen, der eingeschlossenen Hafenstadt im Südosten der Ukraine. Jetzt ist er in Berlin gelandet. Eigentlich wollte er weiter nach Nürnberg fahren zu einem Freund, den Y. aber nicht mehr erreichen konnte. „Ich komme ursprünglich aus Nürnberg," berichtet Patrick. Er habe dann seine Community über Instagram kontaktiert und um Hilfe gebeten. Innerhalb kürzester Zeit konnte darüber nicht nur eine Unterkunft für Y. organisiert werden, sondern auch die Möglichkeit zu arbeiten. Das sei ihm wichtig gewesen. Auch am Berliner Hauptbahnhof versuchte Y. zu helfen, solange er auf seinen Zug nach Nürnberg wartete und brachte den Freiwilligen Essen. Solche Erfahrungen seien unglaublich erfüllend, schildert Patrick. Auch das Miteinander der Helfer*innen sei enorm wichtig.

Bisher sind so gut wie alle Angebote freiwillig organisiert. Inzwischen gibt es auch ein Versorgungszelt vor dem Hauptbahnhof. Berlin will weitere Strukturen schaffen: So soll das Gelände des im letzten Jahr geschlossenen Flughafen Tegel als Ankunftszentrum für Geflüchtete aus der Ukraine genutzt werden.

In der queeren Community gibt es eine große Solidarität. Zahlreiche LGBTI*-Organisationen haben sich zu dem Bündnis „Queere Nothilfe Ukraine" zusammengeschlossen. Es gibt mehrere Spendenkampagnen z. B. von dem Verband Quarteera für russischsprachige LGBTIQ* in Deutschland oder dem Bündnis Queere Nothilfe Ukraine. Wer die Möglichkeit hat, queere Geflüchtete aufzunehmen, kann sich unter folgender Adresse melden: unterbringung@queere-nothilfe-ukraine.de. In Berlin bieten u. a. die Schwulenberatung und Quarteera Unterstützung, Beratung und Vermittlung von Unterkünften an.

Spendenaktion Queere Nothilfe Ukraine

Zahlreiche Organisationen der deutschen LGBTIQ*-Community haben sich zum Bündnis Queere Nothilfe Ukraine zusammengeschlossen. Es werden Spenden gesammelt, die für die notwendige Versorgung oder Evakuierung queerer Menschen in der Ukraine verwendet werden. Link zur Spendenseite: https://altruja.de/nothilfe-ukraine/spende

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