Monitoringbericht

Deutlicher Anstieg queerfeindlicher Straftaten in Berlin

5. Dez. 2022 as
Bild: canva

Der im Rahmen der Berliner Initiative für geschlechtliche und sexuelle Vielfalt erstellte Monitoring-Bericht zu trans- und homofeindlicher Gewalt in der Hauptstadt zeigt, dass die Zahl der zur Anzeige gebrachten Straftaten gegen LGBTIQ* 2021 so hoch war wie noch nie. Transfeindliche Delikte waren dabei besonders gewaltsam

Die Berliner Senatsverwaltung für Justiz, Vielfalt und Antidiskriminierung hat heute den 2. Monitoringbericht zu trans- und homofeindlicher Gewalt in Berlin vorgestellt. Demnach sei seit 2014 ein kontinuierlicher Anstieg polizeilichregistrierter LSBTIQ*-feindlicher Straftaten in Berlin zu beobachten. 2020 wurden 377, 2021 sogar 456 Taten erfasst. Dies sei der mit Abstand höchste jemals erfasste Wert.

Das am häufigsten angezeigte Delikt stellen Beleidigungen dar. 2021 machte sie mit 48,5 Prozent fast die Hälfte der gesamten Straftaten aus. Ebenfalls wurden häufig Körperverletzungen (28,7 Prozent) und gefährliche Körperverletzungen (9,7 Prozent) zur Anzeige gebracht.

Meisten Fälle in Kreuzberg und Mitte

LSBTIQ*-feindliche Taten wurden dabei vor allem in LGBTIQ*-Ausgeh- und Wohnvierteln registriert – 2020 und 2021 lagen die Ortsteile Kreuzberg und Mitte hier an der Spitze. Besonders der Ortsteil Neukölln, aber auch Friedrichshain und Kreuzberg fallen mit hohen Anteilen von Körperverletzungen und gefährlichen Körperverletzungen auf. In den Jahren 2019, 2020 und 2021 lässt sich hingegen ein Bedeutungsverlust von Tempelhof-Schöneberg als Tatort verzeichnen.

Mehr als die Hälfte aller Vorfälle (51,4 Prozent) fand in den Abend- und Nachstunden (18.00 bis vor 6.00 Uhr) statt, wobei pandemiebedingt in den Jahren 2020 und 2021 eine Verschiebung hin zu Mittags- und frühen Abendstunden (12:00 bis vor 18:00 Uhr) zu beobachten war.

Die ermittelten Tatverdächtigen LSBTIQ*-feindlicher Straftaten sind vorwiegend männlich (zwischen 2010 und 2021 lag die Anzahl männlicher Tatverdächtiger bei durchschnittlich 90 Prozent), häufig jung und auffällig oft bereits polizeilich bekannt (76 Prozent) – sie agieren ebenso allein wie aus Gruppen heraus.

Die meisten LSBTIQ*-feindlichen Übergriffe treffen Personen, die allein unterwegs sind. Geschädigte von queerfeindlichen Gewaltdelikten sind zu 37,7 Prozent männlich und 29.8 Prozent weiblich. Der Anteil weiblicher Geschädigter habe sich dabei seit 2019 deutlich erhöht. Vermutet wird, dass die erhöhte Anzeigenbereitschaft auch auf die Arbeit von Antigewaltprojekten für lesbische, bisexuelle oder queere Frauen zurückgeht.

Schwerpunkt transfeindliche Gewalt

Schwerpunkt des diesjährigen Berichtes lag auf transfeindlicher Gewalt. Neben der Auswertung der polizeilichen Meldestatistik wurde zudem eine standardisierte Befragung von über 140 transgeschlechtlicher Berliner*innen für den Monitoring-Bericht durchgeführt.

Zwei Drittel der befragten trans* Personen (66 %) hatten demnach in den letzten fünf Jahren Gewalterfahrungen gemacht, fast die Hälfte (48,2 %) im letzten Jahr. Gerade einmal 13 Prozent der befragten Betroffenen erstatteten Anzeige. Vor allem öffentliche Orte wie Verkehrsmittel oder Straßen werden von trans* Personen als permanente Bedrohung wahrgenommen.

Fehlende Solidarität

Besonders erschreckend: Obwohl bei fast zwei Dritteln der berichteten Gewaltvorfälle unbeteiligte Personen zugegen waren, haben die Betroffenen nur in 7 Prozent der Fälle Hilfe oder Solidarität durch Passant*innen erfahren.

Die Interviewten verstanden diese Angriffe oft als „Sanktionierung transgeschlechtlicher Abweichungen von einer hegemonialen binären Geschlechterordnung.“ Täter*innen würden sich dabei als legitime Verteidiger*innen dieser Ordnung fühlen. Zudem scheine bei ihnen eine sexualisierte Wahrnehmung von trans* Personen verbreitet zu sein, die zur Folge habe, dass die Hemmschwelle zu sexualisierten Übergriffen bei Täter*innen sinke.

Bei den polizeilich erfassten Fällen wurde deutlich, dass transfeindliche Taten häufig besonders gewaltsam sind. Der Anteil von Gewaltdelikten liegt mit 31,6 % zehn Prozentpunkte über dem Anteil bei Fällen, die sich auf die sexuelle Orientierung beziehen. Körperverletzungen und insbesondere schwere Körperverletzungen machen einen vergleichsweise deutlich höheren Anteil aus.

Senatorin: Betroffene sollen Vorfälle zur Anzeige bringen

Die Senatorin für Justiz, Vielfalt und Antidiskriminierung, Dr. Lena Kreck (Die Linke), sagte heute in einer Pressemitteilung, dass der Monitoring-Bericht für Berlin in ein Jahr falle , „das bundesweit stark von öffentlichen Debatten über die Menschenrechte transgeschlechtlicher Personen geprägt ist und in dem transfeindliche Gewalt wie selten öffentliche Aufmerksamkeit erzeugt hat.“ Diese Aufmerksamkeit sei auch bedeutsam für die Bekämpfung von Hassgewalt. „Mit dem Monitoringbericht wollen wir zu einem öffentlichen Bewusstsein beitragen und Betroffene weiter motivieren, Vorfälle zu melden und zur Anzeige zu bringen. Die in der Stadt gut ausgebaute Infrastruktur aus Strafverfolgungs- und Ermittlungsbehörden sowie Fachberatungsstellen wird durch den Monitoringbericht um ein wichtiges Instrument ergänzt.“


Der Bericht erscheint im Rahmen der Umsetzung der Initiative „Berlin tritt ein für Selbstbestimmung und Akzeptanz geschlechtlicher und sexueller Vielfalt" (IGSV) und wird von der Camino gGmbH erstellt. Der nächste Bericht ist für 2024 geplant. Schwerpunktthema soll dann „Bisexuellenfeindliche Gewalt“ sein.

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