Berliner Preis für Lesbische* Sichtbarkeit 2024

Deborah Moses Sanks: „Meine Kamera ist meine Stimme“

29. Apr. 2024 Interview: Annabelle Georgen
Bild: Morten Bäcker
Deborah Moses Sanks bei der Preisverleihung

Der mit 5000 Euro dotierte Berliner Preis für Lesbische* Sichtbarkeit 2024 wurde am 26. April an die Fotografin Deborah Moses Sanks verliehen. Die 74-jährige Schwarze Aktivistin aus den USA hat vielen Frauen durch ihre Bilder eine Stimme gegeben. Deborah lebt seit den frühen 2000ern in Berlin und engagiert sich im Verein „Adefra – Schwarze Frauen in Deutschland“. SIEGESSÄULE-Redakteurin Annabelle Georgen hat mit der Preisträgerin gesprochen

Deborah, du bist im New York der 50er-Jahren großgeworden. Wann hast du gewusst, dass du lesbisch bist? Ich habe als Kind immer gewusst, dass ich strange war (lacht). Ich habe aber lange als Hetero gelebt. Ich wurde schwanger mit 19. Und zu dieser Zeit in der Südbronx, wo ich großgeworden bin, musste man in Schwarzen Familien den Vater des Kindes heiraten. Ich hatte nicht den Mut, nein zu sagen. Meine erste lesbische Beziehung hatte ich mehrere Jahre später. Ich habe aber 30 Jahre im Schrank verbracht. Ich habe so viel verpasst, weil ich mich verstecken musste. Ich war sehr aktiv in der Kirche und traute mir ein Coming-out nicht zu bis ich eine Frau in Deutschland kennenlernte. Sie hat mich ermutigt, mich zu outen, und das habe ich dann auch getan. Als ich später in die USA zurückging und meiner Familie verkündete, dass ich lesbisch war, war diese aber gar nicht überrascht! Meine Tochter meinte: „Wir wussten das immer. Wir haben nur darauf gewartet, dass du es uns sagst.“

Mit deiner Kamera hast du die US-amerikanische Gesellschaft dokumentiert und mehrere Reportagen im Ausland gemacht. 1989 bist du mit einem befreundeten Arzt nach Angola geflogen, mitten im Bürgerkrieg. Man hört oft von Bürgerkriegen in den Nachrichten. Aber wenn man mitten in so einem Krieg zusieht, was dort passiert, ist es eine ganz andere Geschichte. Diese Reportage hat mich sowie meine Sicht auf die Welt verändert. Ich wollte die Konsequenzen der Landminen für die Zivilbevölkerung in Angola dokumentieren. Ich habe Schwerverletzte und Leichen gesehen, die nebeneinander in den Fluren eines Krankenhauses lagen. In einem Dorf traf ich später einen alten Mann mit Tränen in den Augen, der zu mir kam und darum bat: „Sagen Sie bitte Ihrer Regierung, keine Landminen mehr hier zu verwenden.“

„Ich wusste, dass ich den Rest meines Lebens Frauen und Kinder fotografieren würde.“

Es gab auch diese eine Frau, die auf dem Boden saß. Sie hatte keine Beine mehr. Als ich meine Kamera herausnahm, drehte sie sich. Sie wollte nicht fotografiert werden. Und da sah ich, dass sie ihr Baby auf dem Rücken trug. Das hat mich tief berührt. Von diesem Moment an veränderte sich mein Leben als Fotografin: Ich wusste, dass ich den Rest meines Lebens Frauen und Kinder fotografieren würde. Und das ist bis heute so geblieben.

10 Jahren später bist du nach Berlin gekommen und hast beim Verein Adefra (die Abkürzung steht für afrodeutsche Frauen) ein Zuhause und zugleich eine Berufung gefunden ... Für mich ist Adefra viel mehr als nur ein Verein. Er ist meine zweite Familie, mein Schwesternkreis. Als ich nach Berlin kam und an einer Sitzung bei Adefra teilnahm, wurde mir sofort klar, dass ich dabei sein wollte. Die Aktivistinnen machten die gleiche Art von Arbeit, politisch und sozial, die ich den USA machte. Dort habe ich meine Kamera als Stimme benutzt.

Hast du gerade Fotoprojekte am Laufen? Ich mache derzeit nicht so viele Bilder. Ich versuche mich auf das Modeln zu konzentrieren. Neulich habe ich einen Vertrag mit der Modelagentur Misfit Model unterschrieben. Ich möchte auch in den USA modeln. Ich bin für alles offen!

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