Kommentar zum Lesbenfrühlingstreffen

Das Gespenst der Transfeindlichkeit

27. Apr. 2021 Paula Balov

Das diesjährige Lesbenfrühlingstreffen gibt auch transfeindlichen Positionen eine Bühne. Queere Organisationen distanzierten sich deshalb bereits von dem Event. Das reicht jedoch nicht aus: um solidarisch zu sein, muss Transfeindlichkeit endlich offen benannt und gemeinsam bekämpft werden, findet SIEGESSÄULE-Autorin Paula Balov

Es gibt keinen Tag, an dem ich nicht beruflich oder aktivistisch etwas für die queere Szene tue. Und keinen Tag, an dem ich mich dabei nicht wie eine Hochstaplerin fühle, also das Gefühl habe, nicht „queer genug“ zu sein, um wirklich dazuzugehören – obwohl ich weiß, dass ich keinerlei Grund dazu habe. Dieses queere „Impostor Syndrome“ (Hochstaplersyndrom) kennen viele Menschen, die wie ich bisexuell und genderqueer sind, die sich in den typischen homosexuellen Coming-Out-Erfahrungen nicht wiederfinden oder die in einer Beziehung leben, die sowohl vom Hetero-Mainstream als auch von der queeren Szene immer wieder fremddefiniert wird. In meinem Fall eine Beziehung mit einer trans Frau.

Im Jahr 2021 glauben zwar mehr Menschen, kapiert zu haben, dass trans Frauen Frauen und trans Männer Männer sind, doch gilt das oft nur solange, bis sie feststellen, dass sich trans* Personen in ihrem Dating-Pool befinden. Dann werden schnell wieder Biologismen aus der Mottenkiste geholt, um z. B. trans und nicht binären Lesben und lesbischen Paaren ihr Lesbischsein abzusprechen.

Transmisogyner Schwerpunkt beim LFT

So haben sich auch, als gäbe es nicht ausreichend dringende lesbische Belange, die Organisatorinnen des digitalen Lesbenfrühlingstreffens (LFT) 2021 für einen transmisogynen Schwerpunkt entschieden. In verschiedenen Vorträgen, die online zugänglich sein sollen, werden trans Frauen als Bedrohung für Lesben und lesbische Spaces konstruiert. Nachdem das Programm für das diesjährige LFT veröffentlicht wurde, prangerten einige Aktivist*innen die diskriminierenden Argumente und oftmals zweifelhafte wissenschaftliche Grundlage der Vorträge an, darunter z. B. die Aktivistin Lou auf Twitter. Daraufhin distanzierten sich unter anderem die Bundesstiftung Magnus Hirschfeld und der Dyke* March Germany von den transfeindlichen Teilen des Lesbenfrühlingstreffens.

Subtile Feindlichkeit und Ausflüchte

Gut so. Wer jetzt nicht Flagge zeigt, solidarisiert sich mit Transfeindlichkeit. Trotzdem ist damit noch nicht viel getan, sich offiziell von so genannten TERFs (kurz für: trans exclusionary radical feminists) und von Hassgruppen wie der britischen „LGB Alliance“ zu distanzieren, die derzeit Stimmung gegen trans* Personen macht. Dies darf nur der erste Schritt sein.

Transfeindlichkeit ist ein Gespenst in der LGBTIQ*-Community, das oft subtil agiert. Ich sehe es in jedem Gespräch, in dem sich queere cis Menschen nach intimen Details meiner Beziehung erkundigen wollen, um zu entscheiden, wo sie mich einordnen. Ich sehe es in jedem Flyer, auf dem sich Aktivist*innen lieber hinter dem Wort „Frauen*“ (mit Sternchen) verstecken, anstatt sich offen mit trans Frauen zu solidarisieren. Ich sehe es bei jeder Gleichsetzung von Vulva mit Feminismus und Penis mit patriarchaler Gewalt. Und jedes Mal, wenn jemand von „männlicher Sozialisation“ spricht, im gleichen Atemzug trans Frauen für ihre Wut kritisiert oder gleichgeschlechtlichen Paaren mit einer cis und einer trans Person „Heten-Performance“ vorwirft.

Vor allem habe ich das Gespenst jedoch in den Wischi-Waschi-Antworten und Ausflüchten gesehen, die mir mehrmals als SIEGESSÄULE-Autorin begegnet sind – dann, wenn ich LGBTIQ*-Initiativen direkt gefragt habe, ob trans Frauen bei ihnen willkommen sind und wie sie spezifisch trans* Personen unterstützen. Auch wenn ich selbst nicht die primäre Zielscheibe von Transfeind*innen bin, hat dieses Gespenst meine Erfahrung auf eine Weise geprägt, dass ich heute schwer nachvollziehen kann, wie sich Menschen durch die queere Szene bewegen, ohne den unterschwelligen Cissexismus zu erkennen.

Beteuerungen sind nicht genug

Wie wäre es, wenn wir uns nicht nur von Projekten distanzieren, die ihre Ressourcen dafür verwenden, eine der vulnerabelsten demografischen Gruppen zu diskriminieren – sondern auch das alltägliche Gespenst Transfeindlichkeit offen benennen? Wie wäre es, wenn wir uns nicht mehr mit faulen Kompromissen zufrieden geben, sondern Projekte danach bewerten, auf welche Weise sie trans* und nicht-binäre Menschen unterstützen, sichtbar machen und schützen?

Das wäre der Ansatz einer Strategie für tatsächliche Inklusion und Veränderung. Dass Menschen wie ich, die sich zwischen mehreren queeren Kategorien befinden, dann mit weniger „Impostor Syndrom“ durch die Welt laufen müssten, wäre übrigens ein angenehmer Nebeneffekt.

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