Pride im Juli: CSD Berlin, Dyke* March & Canal Pride
Der Juli steht im Zeichen der queeren Sichtbarkeit, politischen Demos und endlosen Party-Nächte. Wir haben die wichtigsten Infos zusammengefasst und mit dem CSD e.V. sowie dem Dyke* March gesprochen
Vor dem großen Berliner Pride-Wochenende stechen am 25. Juli beim Canal Pride – CSD auf der Spree 19 Schiffe in die Spree. Mit der Botschaft: „Queeres Aktionsbündnis für Respekt, Toleranz, Vielfalt“. Von Schlagersongs über Wies’n-Pop bis hin zu Dragshows bieten die Schiffe ein buntes Party-Angebot. Die Touren führen auch an der Museumsinsel und dem Regierungsviertel vorbei – mit an Bord sind unter anderem L-Support mit Femmesfloor, das SchwuZ mit Amy Strong und DJ Merean und die Crew der Begine mit Manu und Andrea von den Tangoschlampen. Wer keine der begehrten Boot-Tickets mehr ergattern kann, hat noch die Chance, die Hafenparty auf dem Festland mitzunehmen, bei der Miss Ivanka T., Jordan Snapper und DJ Divinity Stimmung machen. Pride, ahoi!
„Es ist eine Atmosphäre der Gemeinschaft, des Widerstands und der Freiheit!”
Wie immer am Tag vor dem CSD findet am 26. Juli der Dyke* March Berlin – die Demo für lesbische Sichtbarkeit statt. „Der Dyke* March ist ein einzigartiges Event, bei dem Lesben und FINTA*-Personen ihre Identität feiern und gleichzeitig gegen Diskriminierung und für Gleichberechtigung kämpfen können“, erzählt Sara Moshiri, eine der Organisatorinnen, gegenüber SIEGESSÄULE, „Es ist eine Atmosphäre der Gemeinschaft, des Widerstands und der Freiheit!” Dieses Jahr sei es besonders wichtig, politische Forderungen auf die Straße zu bringen. „Es müssen stärkere Maßnahmen gegen Diskriminierung und Gewalt ergriffen werden. Gleichzeitig müssen queere Jugendprojekte und Projekte für lesbische Sichtbarkeit besser gefördert werden”, betont Moshiri. Der Dyke* March erinnert an die Vorkämpfer*innen, die für die lesbische Community auf die Straße gegangen sind, und möchte Lesben und FINTA* als starke, vielfältige und selbstbewusste Individuen darstellen. „Gemeinsam gestalten wir eine gerechtere und gleichberechtigtere Gesellschaft und zeigen, dass Veränderung möglich ist“, erzählt Moshiri. Die Demo startet um 18:00 am Karl-Marx-Platz in Neukölln und marschiert zum Oranienplatz in Kreuzberg. Ab 20:00 wird im Ritter Butzke gefeiert. Der Dyke* March wird jedes Jahr größer und sucht noch immer Demo-Ordner*innen – mit freiem Party-Eintritt als Dankeschön.
Was hat der CSD e.V. gelernt?
Der Berliner CSD ruft zum dritten Mal den Pride Month aus, der am 28. Juni – dem „Stonewall Day” – beginnt und mit der großen Demo endet. Die Veranstaltung „Queens Against Borders” macht den Anfang, gefolgt von diversen Panels zu Herausforderungen im Gesundheitswesen aus TIN*-Perspektive (trans*, inter* und nicht binäre Menschen), Diskussionen zum Thema „Outing im Sport“, Workshops und Partys. „Wir hören zu, schauen, was fehlt, und versuchen auf diese Themen den Fokus zu legen”, erklärt Vlady Schklover vom OrgaTeam. Dieses Jahr: Queer im Alter, Sport, Islam, Queeres Netzwerk und TIN*. „Im Pride Month wollen wir uns nicht gegen irgendwas stellen, sondern uns vielmehr für etwas aussprechen: für Gleichberechtigung und Gemeinsamkeit, für die Menschen, die sich für die Community einsetzen”, erklärt Schklover.
Politisch und laut wird es dafür hoffentlich am 27. Juli, wenn der Berliner CSD seinen großen Demo-Umzug unter dem Motto „Nur gemeinsam stark – für Demokratie und Vielfalt“ feiert. Die Route führt ab 12:00 von der Leipziger Straße/Ecke Spittelmarkt, verläuft über Mitte, Potsdamer Platz, Nollendorfplatz, zur Urania bis hin zur Siegessäule. Das Motto wurde wie immer im CSD-Forum festgelegt und soll sich gerade in diesem Jahr dem Thema Demokratie verschreiben. „Wir wollen klar zeigen: Rechtsruck – nicht mit uns!”, erklärt Mara Geri, Mitglied im CSD-Vorstand, „Dabei müssen wir als Community zusammenstehen, innere Konflikte überwinden und aufeinander zugehen.”
Stichwort Konflikte: Der CSD-Verein hatte in den letzten Jahren immer wieder mit Kritik zu kämpfen. So wurden 2022 zwei Trucks von Ordnern mit rechtsextremen Tattoos geschützt, und letztes Jahr hat ein Demo-Ordner die Berliner Dragqueen Jurassica Parka und weitere Queers homophob beleidigt. Dazu erklärt Geri: „Wir haben unser Awareness-Team nochmals deutlich vergrößert.“ Außerdem dürfe man nicht vergessen, dass viele externe Firmen am CSD teilnehmen, welche selbst für die Organisation der Demo-Ordner*innen verantwortlich seien. „Wir können nicht alle von oben bis unten durchleuchten. Diese Kapazität haben wir nicht”, ergänzt sie.
„Es ist unsere Verantwortung immer wieder dazuzulernen und zu reflektieren – das wollen wir Jahr für Jahr machen.”
In dem Zuge wird dem Verein auch oft Pinkwashing und Kommerzialisierung vorgeworfen. Stella Spoon, ebenfalls Vorständin beim CSD e.V., betont: „Wir achten darauf, dass Unternehmen ein internes Queer-Netzwerk haben und sich für LGBTIQ*-Rechte am Arbeitsplatz einsetzen.” Es werde auch Unternehmen die Teilnahme am CSD verweigert, bestätigt Geri – allerdings ohne Namen zu nennen. Auch für den misslungenen Versuch, sich rassismuskritisch und divers zu gestalten, wurde der CSD-Verein kritisiert. Beispielsweise mussten sich 2022 zwei marginalisierte Gruppen – trans* Personen und BIPoC – einen Wagen teilen, anstatt unterschiedlichen Communitys eigene Themenwagen zu geben. Es sei immer ein Abwägen der Schwerpunkte, erklärt Spoon. „Dieses Jahr wollen wir vor allem trans* und TIN*-Personen eine Bühne geben und zeigen, wie divers die Berliner Community ist”, ergänzt Geri. Auf die Vorwürfe der letzten Jahre geht der Vorstand insofern ein, als er beteuert, der Verein sei bereit, künftige Abläufe besser zu gestalten. „Niemand ist perfekt. Es ist unsere Verantwortung immer wieder dazuzulernen und zu reflektieren – das wollen wir Jahr für Jahr machen”, erklärt Spoon.
Sechs Forderungen an Kai Wegner
In mancher Hinsicht schlägt der Verein bereits eine neue Richtung ein. So wurden dem Regierenden Bürgermeister Kai Wegner (CDU) und der Berliner Regierung sechs Forderungen für die queere Community überreicht: Die Ergänzung des Artikel 3 Grundgesetz um die sexuelle Identität, schnellere und konkrete Maßnahmen im Kampf gegen Hasskriminalität, verpflichtetende Schulung des Lehrpersonals zu geschlechtlicher und sexueller Diversität, der Aufbau einer diskriminierungsfreien und sicheren queeren Sport-Infrastruktur, 15 Prozent queere Medienförderung und der Austausch mit der Landesregierung zum Thema Mehrelternschaft. Deadline für einen konkreten Plan ist Mitte Juli – sollte nicht darauf eingegangen werden, findet der CSD ohne die Eröffnungsreden des Senats statt. Ein klares, aktivistisches Vorgehen, das von Rückgrat zeugt. Ausgerechnet der Berliner Queerbeauftragte Alfonso Pantisano warf dem CSD-Verein daraufhin „Erpressung“ vor. „Wir wollen mehr politische Arbeit machen und konkrete Forderungen an die Landesregierung stellen“, erklärt Geri. „Wir wollen Druck machen, denn es muss etwas passieren.” Der Verein behalte sich vor, wen er auf der Demo zu Wort kommen lasse. Winkende Menschen mit leeren Versprechen brauche man nicht. „Queere Rechte sind nicht nice to have. Queere Rechte sind Menschenrechte”, bringt Spoon es auf den Punkt.
Update: Kai Wegner wird nicht den CSD eröffnen
Am 18. Juli hat sich der CSD e. V. mit dem Regierenden Bürgermeister Kai Wegner im Roten Rathaus getroffen, um über die genannten Forderungen zu sprechen. Wegner teilte bei diesem Gespräch mit, dass er „aufgrund des Versuchs, zuvor Druck auf ihn aufzubauen“, die Eröffnungsrede nicht halten möchte. An der Demonstration werde er aber weiterhin teilnehmen. Daraufhin veröffentlichte der CSD – der diese Entscheidung in Absprache mit dem CSD-Forum getroffen hat – dass auch sie sich „unter den gegebenen Rahmenbedingungen ebenfalls keine Eröffnungsrede des Regierenden Bürgermeisters vorstellen“ können.
Doch bereits kurz nach dem Treffen kursierte die Annahme im Netz, dass der CSD den Bürgermeister bei dem Treffen gebeten habe, die Eröffnungsrede zu halten, woraufhin dieser das Angebot abgelehnt habe (wie queer.de berichtete). Der CSD antwortete in seiner Pressemitteilung darauf: „Wer die Eröffnungsrede beim diesjährigen CSD hält, wird vom basisdemokratischen CSD-Forum und vom Vorstand des Berliner CSD e. V. entschieden. Ein Angebot über die Eröffnungsrede hätte im Rahmen des gestrigen Gesprächs also gar nicht gemacht werden können.“
Weiterhin schreibt der Verein, dass Wegner nicht glaubwürdig darstellen konnte, wie er eine mögliche Bundesratsinitiative zur Aufnahme queerer Menschen ins Grundgesetz zum Erfolg bringen wolle. Außerdem konnte kein Fortschritt oder eine verbindliche Zusage gegenüber den sechs Kernforderungen festgestellt werden.
Stattdessen wird nun der 46. Berliner CSD Berlin vom Vorstand des CSD e. V. und der Aktivistin Sophie Koch vom LAG Queeres Netzwerk Sachsen eröffnet. Außerdem zu Wort kommen Helmut Metzner (Bundesstiftung Magnus Hirschfeld), Derrick Kimera (Let’s Walk Uganda), Ahmet Gözübüyük (Istanbul Pride), sowie Vertreter*innen des BiBerlin e.V und „Rangin Panah - Afghanistan Project“.
Trotzdem beschreibt der CSD das Gespräch mit dem Regierenden Bürgermeister als konstruktiv und hofft darauf, nach der Demo mit Wegner und der Landesregierung weitere Schritte zur Umsetzung der Forderungen machen zu können.
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