CSD auf der Spree: Nur kommerziell?
Am 20. Juli findet der 17. CSD auf der Spree statt! Die Organisator*innen der Veranstaltung erregten in den letzten Monaten Aufsehen in den sozialen Medien, u. a. wegen eines Facebook-Posts. Darüber sprachen wir mit dem Veranstalter Alexander Wippert
Am Donnerstagabend vor dem großen Berliner Pride stechen 15 Schiffe in See, deren Tour u. a. an der Museumsinsel und dem Regierungsviertel vorbeiführt. Fast alle sind bereits ausverkauft. In diesem Jahr gibt es ein paar Neuerungen: So wird der Canal Pride nicht mehr von der 2021 neu gegründeten CSD auf der Spree eG organisiert, sondern wieder von dem Unternehmen Wattskonzept. Auch sind nicht mehr ganz so viele Schiffe wie noch 2022 am Start. Zudem gab es Irritationen, als vor ein paar Monaten auf dem Facebook-Account des CSD auf der Spree ein Post auftauchte, in dem gegen geschlechtergerechte Sprache polemisiert wurde. Einige User*innen zeigten sich empört. Wir fragten kritisch bei Alexander Wippert von Wattskonzept nach und bekamen ein paar sehr überraschende Antworten.
Was gibt es Neues beim CSD auf der Spree? Die Verantwortung lieg wieder bei uns. Wir hatten letztes Jahr die Organisation einer Genossenschaft übergeben und die gibt es nicht mehr. Es hat sich herausgestellt, dass das Team nicht funktioniert hat.
Die Genossenschaft war deine Idee? Ja, ich habe sie gegründet, aber eigentlich war es keine kluge Idee. Ich habe gemerkt, es können Menschen nicht über ihre Fähigkeiten hinaus gefordert werden. Und wenn ich aktuell den Zirkus beim CSD e. V. sehe, wo teils die gleichen Personen im Boot waren oder sind, bin ich heute schlauer.
Warum sind bei den Schiffen Café fatal und der Berliner CSD e.V. nicht mehr dabei? Das sind die personellen Hintergründe, die auch etwas mit der Kündigung der Genossenschaft zu tun haben. Also bestimmte Personen waren oder sind gleichzeitig verantwortlich beim Café Fatal und beim CSD e.V. Es ist dort momentan ein Vorstandsmitglied aktiv, das auch bei uns im Team der Genossenschaft war. Wir distanzieren uns durch die Kündigung u. a. vom Berliner CSD e.V. der momentan in keinem guten Licht steht und sich gegenüber den Mitgliedern zu eklatanten Vorwürfen äußern muss. Der Berliner CSD e.V. hat also wenig Grund zum Feiern und viel mit sich selbst zu tun.
Es gibt die Kritik, dass der CSD auf der Spree nur kommerziell ist. Was wäre daran schlecht, wenn es nur kommerziell wäre? CSD ist eine politische Demonstration. Und ihr macht Euch die Taschen voll unter dem Label CSD? Ich halte es für legitim, dass eine Veranstaltung, die politisch ist, auch wirtschaftlich erfolgreich agiert, um das Event zu finanzieren. Was ich nicht legitim finde ist, wenn die Marke CSD allein dazu benutzt wird, um damit Geld zu machen. Wir organisieren eine Veranstaltung und die Schiffe sind der hauptsächliche Kostenträger. Also muss das ganze finanziert werden, durch Ticketpreise, Sponsoring und Vereinspartnerschaften.
„Wir sind gern eine kommerzielle Veranstaltung und unterscheiden uns dadurch von einer Demonstration.“
Das heißt ihr seid eine rein gewinnorientierte Veranstaltung, die Community hat davon nichts? Die Teilnehmenden, die Vereine und die Organisation haben zumindest eine hohe internationale Aufmerksamkeit und Präsenz und unsere Crews auf den Schiffen können anständig bezahlt werden. Ja, insofern sind wir gern eine kommerzielle Veranstaltung und unterscheiden uns dadurch von einer Demonstration. Aber wir unterscheiden uns eben überhaupt nicht von allen anderen CSD-Veranstaltungen rund um die Berliner Pride Week.
Warum sind es dieses Jahr weniger Schiffe? Wir haben nur 15 statt 18 Schiffe, weil die Reedereien entweder keine Schiffe oder kein Personal haben. Wir mussten daher leider auch „Liebe ist Halal“ und vielen anderen absagen. Theoretisch hätten wir wesentlich mehr Boote an den Start bringen können. Die Schiffsparade über die Spree ist eben sehr beliebt.
Was ist mit der Aufregung wegen Facebook. Kannst du sie dir erklären? Es geht darum, dass auf unserer Facebook-Seite ein Post von einer Ulrike erschienen ist. Die Frau hat sich semantisch mit gendergerechter Sprache auseinandergesetzt. Wir haben den Post gelesen und freigestellt, denn er war für uns nicht verwerflich.
„Ob der Text tendenziös transidentische Menschen in ein schräges Licht bringt oder nicht, das mag dahin gestellt sein.“
Am Anfang habt ihr behauptet, ihr seid gehackt worden. Das war der erste Ansatz, weil es unklar war. Aber wir sind nicht gehackt worden, das habe ich auch erklärt. Der Stein des Anstoßes kam von einer Person, einer Trans-DJ, die sich durch den Text angegriffen fühlte. Wir haben den Text nochmal gelesen und fanden nichts anrüchiges daran, weil sich der Inhalt nicht um die sozialen Aspekte der gendergerechten Sprache bemüht, sondern sich damit rein semantisch befasst. Ob der Text tendenziös transidentische Menschen in ein schräges Licht bringt oder nicht, das mag dahin gestellt sein. Ich fand die Facebook-Welle unglaublich künstlich. Dass ich etwas erklären soll, was ich gar nicht erklären muss, war irritierend. Ich habe mich nur gefragt, sind die Personen, die sich darüber aufgeregt haben auch genauso engagiert beim Thema Selbstbestimmungsrecht vs. Abschaffung des Transsexuellengesetzes? Jedenfalls habe ich aus dem Personenkreis nie wieder etwas Substantielles gelesen oder gehört.
Ihr habt dann den Kritiker*innen vorgeworfen, dass eine Kampagne gegen euch gefahren wird. Genau, das war mein Eindruck. Es schien für mich aus der aufgelösten Genossenschaft-Ecke zu kommen. Ich fand es auffallend, wer sich beteiligt hat. Ich habe versucht, es im persönlichen Gespräch zu klären, aber es war nicht machbar. Grundsätzlich halte ich es für schwierig oder gar für ausgeschlossen, komplexe Sachverhalte auf der Facebook-Ebene zu diskutieren. Es verliert sich dort vieles im Spontanen, Ungefähren und vor allem im Unsachlichen. Deshalb würde ich zu diesem und anderen Themen eventuell einladen an einer Podiumsdiskussion teilzunehmen..
Ihr habt den Post nicht als schlimm empfunden. Würdet ihr ihn heute noch einmal posten? Ja, ich würde ihn nochmal posten, aber kommentieren. Das Problem war, dass die Menschen, die es moniert haben nicht bereit waren, mit mir über den Inhalt zu diskutieren. Das fand ich schräg und gleichzeitig entlarvend.
Die Kritiker*innen meinen u. a., dass der Post trans*feindlich ist. Wart ihr zu unsensibel? Ich behaupte der Text war überhaupt nicht transfeindlich. Wir leben zudem in einer Demokratie und ich darf vieles veröffentlichen ohne mich gleich rechtfertigen zu müssen. Schon gar nicht für fremde Texte. Wer mich einigermaßen kennt, weiß sehr wohl welche Haltung ich gegenüber Minderheiten vertrete – und das nicht erst seit 17 Jahren beim CSD auf der Spree. Wir leben in einer freien Gesellschaft, die am besten funktioniert wenn der Unterschied zwischen Meinung und Fakten offensichtlich ist. Die Initiator*innen der Beschwerde haben uns das deutlich vor Augen geführt.
„Wir als Veranstalter haben eine Haltung zur Sozialethik und zu allgemeinen Regeln im Umgang miteinander.“
Habt ihr denn recherchiert, wer Ulrike ist bzw. die Person, die hinter dem Post steckt? Nein, ich habe es nicht weiter verfolgt. Wir sind eine Spaßveranstaltung, äußern uns nicht persönlich zu politischen Themen, aber bieten eine Plattform dazu. Aber wir als Veranstalter haben trotzdem eine Haltung zur Sozialethik und zu allgemeinen Regeln im Umgang miteinander. Ich glaube hier hat jemand völlig überzogen reagiert aus einer Motivation heraus, die ich nicht kenne. Aber wer weiß, vielleicht geschehen ja Zeichen und Wunder.
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