CSD-Stern-Demo am 26. Juni
Berlin startet in die Pride-Saison 2021 mit einem zentralen CSD-Event: der Stern-Demo am 26. Juni. Sie besteht aus drei Demozügen, die von verschiedenen Startpunkten in der Stadt sternförmig auf den Alexanderplatz zulaufen. An die Aktion schließt sich eine digitale Pride-Week an
Nachdem es eine Zeit lang fast so aussah, als würde es 2021 in Berlin gar keine CSD-Paraden geben können, sind mittlerweile mehrere Demos und Prides geplant: Dazu gehören der Marzahn Pride (17.Juli), der Trans Pride (10. Juli), die Prides des Berliner CSD e. V. (24. Juli) und der Aktionsgemeinschaft LGBTIQ Berlin e. V. (11. September).
Eröffnet wird die Pride-Saison aber von der Stern-Demo des CSD Berlin Pride am 26. Juni. Diese wird aus mehreren kleinen Demozügen bestehen, mit jeweils eigenen Themenschwerpunkten. Koordiniert wird das Orga-Team von Stefan Kuschner, ehemaliges Vorstandsmitglied des Berliner CSD e. V. Die grundlegende Idee für die Stern-Demo geht laut Kuschner auf das Jahr 2020 zurück, als klar wurde, dass der Pride des Berliner CSD e. V. nur digital stattfinden würde: „Ausschließlich online für die Rechte der LGBTIQ*-Community einzutreten, kam für uns, den leider kürzlich verstorbenen Christian Pulz, Anette Detering, Wolfgang Beyer, Nasser EL-Ahmad und andere, auch in der Pandemie nicht infrage“, sagt Kuschner gegenüber SIEGESSÄULE. „In Abstimmung mit der Versammlungsbehörde und der Polizei haben alle Beteiligten kurzerhand im letzten Jahr einen CSD unter Einhaltung der geltenden Corona-Maßnahmen organisiert und mit fast 4.000 Teilnehmenden durchgeführt.“
„Mit der Pandemie sind unsere Bedürfnisse und Problemlagen fast völlig aus dem öffentlichen Diskurs verschwunden“
Angesichts der Pandemiesituation im Frühjahr war es kaum möglich, wieder einen CSD in dieser Größenordnung durchzuführen – verschiedene kleine Demos schienen da eine Alternative. Drei wurden angemeldet: ihre Themenschwerpunkte sind die Lesben- und Schwulenbewegung in der DDR, die queere Infrastruktur in der Pandemie und Antirassismus und Feminismus. Sie starten in verschiedenen Berliner Bezirken und bewegen sich dann in Richtung Alexanderplatz.
Zum Alexanderplatz deswegen, weil man an den freien Geist der Wendezeit in der DDR und die dort stattgefundene Großdemo vom 4. November 1989 erinnern wolle, so Stefan Kuschner: „In diesem Sinne wollten wir an die Tradition der friedlichen Revolution anschließen und sie für eine Stern-Demo 2021 fruchtbar machen. Heute sind wir mit einer bedrohlichen Lage für LGBTQIA+ in Europa konfrontiert. Mit der Pandemie sind unsere Bedürfnisse und Problemlagen fast völlig aus dem öffentlichen Diskurs verschwunden und die von der Community mühsam in Jahrzehnten aufgebaute Infrastruktur für queere sichere Räume ist so gut wie nicht mehr existent. Wir brauchen Sichtbarkeit.“
Kein Konkurrenzdenken
Und Sichtbarkeit soll auch unter Corona-Bedingungen hergestellt werden. Die Demos sind nur unter Einhaltung von Hygiene- und Abstandsregeln zu gewährleisten, die an die aktuellen Verordnungen des Berliner Senats angepasst werden: „Wir bereiten uns darauf vor, die Demoteilnehmenden mit Masken und Desinfektionsmittel zu versorgen. Die unterschiedlichen Demozüge werden örtlich versetzt am Alexanderplatz ankommen, damit wir unnötige Menschenansammlungen vermeiden.“
Dass in diesem Jahr noch eine Reihe weiterer CSD-Demos in Berlin stattfinden sollen, findet Stefan Kuschner großartig – und hat dabei keinerlei Konkurrenzdenken: „Die Community ist so vielschichtig, da kann die Stern-Demo nur eine Möglichkeit von hoffentlich vielen sein, um Mitgliedern der queeren Szene Unterstützung und Sichtbarkeit anzubieten. Je häufiger sie sich zeigt und protestiert, umso besser, ganz egal ob als Teil der Stern-Demo, im Livestream oder in einer ganz anderen Konstellation.“
Routen der Stern-Demo
Am 26. Juni starten zwischen 12:00 und 13:00 Uhr an verschiedenen Orten in Berlin drei Pride-Demozüge mit unterschiedlichen Themenschwerpunkten und Mottos, die sich alle in Richtung Alexanderplatz bewegen.
QTIBIPOC United
Start: 12:00, Oranienplatz
In Kreuzberg startet um 12:00 am Oranienplatz die Demo „QTIBIPOC United“, die über Adalbertstraße und Holzmarktstraße zum Alexanderplatz führt. Organisiert wird sie von Sängerin und Aktivistin Achan Malonda und Marco Linguri, Vorstandsmitglied beim Liberal-Islamischen Bund e. V. Nach dem Motto „Der Regenbogen ist nicht nur weiß“ sollen Vielfalt und Diversität der nicht-weißen Mitglieder von Berlins queerer Community sichtbar werden. Denn, wie die Veranstalter*innen sagen: „Zu oft werden wir unsichtbar gemacht oder sind nicht mit gemeint. Der Samstag, 26. Juni, soll daher auch unser Tag sein. Wir starten in Kreuzberg auf der Oranienstraße, mitten in einem Kreuzberger Kiez, in dem unsere Communitys auch sonst häufig anzutreffen sind.“ Die Demo soll sich inhaltlich unter anderem mit feministischen Themen und rassistischen Strukturen in Gesellschaft und queerer Community auseinandersetzen. „Allies“ (Unterstützer*innen) sind dabei herzlich willkommen. Als Redner*innen werden u. a. vor Ort sein: Politikwissenschaftler*in und Aktivist *in Tarek Shukrallah und Antonella Lerca Duda, Gründerin und Vorsitzende der Organisation Sex Work Call (SWC), die sich für die Rechte von Sexarbeiter*innen in Rumänien einsetzt.
East Pride Berlin
Start: 13:00, Gethsemanekirche/Stargarder Str.
„Wir verstehen den East Pride Berlin als einen Versuch, unsere gemeinsame Erfahrung als LGBTIQ*, die in sozialistischen oder nachsozialistischen Gesellschaften sozialisiert sind, zur Sprache zu bringen“, sagt Anette Detering aus dem Orga-Team über die Idee. Mit der Route durch Ostberlin soll an die Geschichte der unabhängigen Lesben- und Schwulenbewegung in der DDR erinnert werden. Startpunkt ist um 13:00 an der Gethsemanekirche – von diesem Ort aus kämpfte die erste eigenständige Lesbengruppe der DDR unter dem Namen „Lesben in der Kirche“ für Emanzipation und Teilhabe. Auch zentrale Orte des schwul-lesbischen Aktivismus in Ost-Berlin wie der Sonntags-Club sind Teil der Route, die über Schönhauser Allee und Karl-Marx-Allee führt. Darüber hinaus will man unter dem Motto „Für eure und unsere Freiheit!“ auf die zum Teil bedrohliche Situation für LGBTIQ* in Ländern wie Polen, Ungarn, Russland und insbesondere in Tschetschenien aufmerksam machen. Zu den Redner*innen gehören u. a. Marina Krug und Bettina Dziggel von Lesben in der Kirche, Kathrin Schulz vom Verein Sonntags-Club, Sasha vom Słubice-Frankfurt-PRIDE und Nadja Schallenberg, die die erste Interessengemeinschaft für Transvestiten und trans* Personen in der DDR gründete. Eröffnet wird dieser Pride bereits um 11:00 mit einem evangelischen LGBTIQ*-Gottesdienst in der Gethsemanekirche.
Queerschutz Now!
Start: 12:00, Herrmannplatz
Um 12:00 Uhr startet am Herrmannplatz eine Demo durch Neukölln, bei der die desolate Situation der queeren kulturellen Infrastruktur und der Gastro- und Eventbranche im Mittelpunkt steht. Gefordert wird, dass diese „Identifikationsorte und Schutzräume ... besondere Aufmerksamkeit und Unterstützung durch Politik und Gesellschaft“ brauchen. Betreut wird die Demo von Baffolo Meus von der Travestie für Deutschland e. V. und Veranstalter Bob Young (GMF Berlin). Über Hasenheide, Gneisenaustraße, Mehringdamm und Unter den Linden führt die Route Richtung Alexanderplatz, begleitet von Redebeiträgen u. a. von Kulturschaffenden oder Leuten aus der Clubszene. Mit dabei sind u. a. das Party-Kollektiv Butch Barflys, ZDF-Fernsehrät*in Luca Renner und die Vorständin der Clubcommission Lewamm „Lu“ Ghebremariam. Auch die Situation und Bedürfnisse von trans*, inter* und nicht binären Personen sollen auf der Demo in den Fokus gerückt werden. Ziel ist es „Dykes, Tunten & Queeroes zu vereinen und das kämpferische Signal zu senden: Wir bleiben queerful und solidarisch!“
Abschlussevent
Von 16:00 bis 23:00 Uhr gibt es im Innenhof der Alten Münze Berlin ein Abschlussevent: der „Pride Garden“ mit Musik und Showacts. Mit dabei sind u. a. DJ Stella deStroy, DJ Caramel Mafia und Jade Pearl Baker. Tickets im Vorverkauf gibt es nicht mehr, allerdings soll an der Abendkasse noch ein Ticketkontingent für die Veranstaltung zur Verfügung stehen.
Digitale „Pride Week“, 26. bis 29. Juni
Zeitgleich mit der Stern-Demo startet das Orga-Team auch eine digitale „Pride Week“, die vier Tage lang vom 26. bis 29. Juni stattfindet. Das Programm gibt es als Stream im Internet oder beim TV-Sender Alex Berlin. Mit dabei: Live-Eindrücke von den Demozügen und rund 30 Panels
Wenn das Corona-Jahr überhaupt etwas Gutes gebracht hat, dann jede Menge kreative, neue Aktionskonzepte! Etwa die Mischung aus Straßendemo und gleichzeitigem Streaming des Protestes im Internet, mit der mehr Menschen erreicht werden können.
Auch die Stern-Demo am 26. Juni greift dieses Konzept auf: Zeitgleich mit den Demozügen startet auf der Website csdberlinpride.de ein Videostream. Moderiert von Sängerin und Aktivistin Achan Malonda, Musikerin Sookee und Dragqueen Donna Dreamatic Davis wird am Samstag ab 11.30 Uhr immer wieder live zu den Demos geschaltet, um einen Eindruck von der Stimmung vor Ort zu vermitteln. „Wir stehen vor pandemiebedingten Einschränkungen, nicht jede*r möchte oder kann unter diesen Umständen auf den Straßen mitdemonstrieren,“ erklärt das Orga-Team hierzu. „Zudem sind die Themen der Community so vielschichtig, dass wir den CSD Berlin Pride mit einem hybriden Konzept für alle sichtbar machen wollen, ob nun auf der Straße oder digital.“
Programm der „Pride Week“
Neben der Übertragung der Pride-Demos werden am 26. Juni auch verschiedene Aktivist*innen im Alex-Berlin-Studio zu verschiedenen Demo-Themen sprechen. Darüber hinaus gibt es bereits mehrere Infoveranstaltungen und Diskussionen: So diskutieren Achan Malonda und Sookee mit Nolledorfblogger Johannes Kram und CSD Berlin Pride Team-Koordinator Stefan Kuschner über latente und offene Diskriminierung aus dem Feuilleton, vermeintliches Gutmenschentum und Cancel-Culture. Beim Thema Queer Altern werden u. a. Bernd Gaiser, der Mitbegründer des ersten CSD in Berlin und Ina Rosenthal von der lesbischen Initiative RuT zu Wort kommen.
Am Sonntag, den 27. Juni, lautet das Thema des Tages „Internationale Stimmen und LGBTQIA+ & Glauben“, moderiert von Ina Rosenthal und Margot Schlönzke. Zu sehen gibt es u. a. ein Gespräch mit Aktivist*innen der unabhängigen Lesben- und Schwulenbewegung in der DDR zur Frage „Warum haben wir aufgehört zu sprechen?". Außerdem kommen Vertreter*innen des jüdisch-queeren Vereins Keshet Deutschland zum Thema jüdische Queer in Deutschland und Marco Linguri vom Liberal-Islamischen Bund e. V. zum Thema queer und muslimisch zu Wort. Auch eine anderthalbstündige Diskussion zur Situation von LGBTIQ* in Polen ist geplant.
Am Montag, den 28. Juni, geht es um die Situation der queeren Infrastruktur und der queeren Schutzräume in der Corona-Krise, moderiert von Jurassica Parka, Naomi Noa Donath udn Henry Erik Böttcher. Zum Thema sprechen z. B. LGBTIQ*-Filmschaffende oder die AHA Berlin. Zu Gast sind außerdem Eva Kreienkamp, Vorstandsvorsitzende der Berliner Verkehrsbetriebe, zum Thema Schutz vor Diskriminierung in öffentlichen Verkehrsmitteln. Und es wird auch über den Artikel 3 des Grundgesetzes, queerfeindliche Gewalt sowie die Rolle der Medien beim Abbau von Vorurteilen gegenüber LGBTIQ* diskutiert.
Der letzte Tag der Pride Week ist der Dienstag, 29. Juni. Er steht ganz unter dem Motto „QTIBIPoC United“, moderiert von Achan Malonda, Sookee und Tarek Shukrallah. Vorgestellt werden Positionen von Queers, „die durch Rassifizierung und Migrantisierung zusätzlich marginalisiert sind“. Unter anderem gibt es eine Debatte über „Kunstfreiheit vs. Diskriminierungsfreiheit“ und es geht um die Erfahrungen von trans* Personen in der europäischen Ballroom-Szene..
Das gesamte Programm der Pride Week gibt es hier!
Infos zu weiteren Pride-Events 2021 in und um Berlin findet ihr hier!
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