Coming-out-Aktion in der katholischen Kirche
125 Mitarbeitende der römisch-katholischen Kirche haben sich in einer gemeinsamen Aktion geoutet und fordern ein Ende der Diskriminierung von LGBTIQ*
Mit der Initiative „#OutInChurch. Für eine Kirche ohne Angst“ haben sich 125 Personen als LGBTIQ* geoutet, die haupt- oder ehrenamtlich in der römisch-katholischen Kirche im deutschen Sprachraum beschäftigt sind. Dazu gehören aktive und ehemalige Priester, Gemeinde- und Pastoralreferent*innen, Religionslehrer*innen als auch Verwaltungsmitarbeiter*innen. Auf der Homepage outinchurch.de finden sich persönliche Angaben und Statements der beteiligten Personen.
Ziel der Initiative sei es, LGBTIQ* in der Kirche sicht- und hörbarer zu machen. Das erklärte Initiator Jens Ehebrecht-Zumsande, Referent im Generalvikariat des Erzbistums Hamburg, in einer Pressemitteilung. Denn „tief verankerte kirchliche Methoden der Verurteilung und Beschämung machen es queeren Menschen im Dienst der katholischen Kirche schwer, sich zu zeigen.“ Ein Coming-Out als queer im kirchlichen Kontext stelle immer noch ein erhebliches Risiko dar und könne schwerwiegende Folgen haben, wie zum Beispiel eine Gefährdung der beruflichen Existenz.
#Actout als Vorbild
Inspiriert wurde die Initiative von der Aktion #Actout, bei der sich Anfang Februar letzten Jahres 185 Schauspieler*innen im SZ-Magazin zu Wort meldeten und sich als schwul, lesbisch, queer, nicht binär oder trans* outeten. Damit einher ging die Forderung nach mehr Anerkennung und Diversität in Film, Fernsehen und Theater.
Forderungen der Initiative
Wie #Actout hat auch die Initiative #OutInChurch ein eigenes Manifest veröffentlicht. Darin sind sieben Kernforderungen an die römisch-katholische Kirche enthalten, die wir hier in voller Länge widergeben:
„1. Wir wollen als LGBTIQ+ Personen in der Kirche ohne Angst offen leben und arbeiten können.
2. LGBTIQ+ Personen müssen einen diskriminierungsfreien Zugang zu allen Handlungs- und Berufsfeldern in der Kirche erhalten.
3. Das kirchliche Arbeitsrecht muss geändert werden. Ein offenes Leben entsprechend der eigenen sexuellen Orientierung und der geschlechtlichen Identität, auch in einer Partnerschaft beziehungsweise Zivilehe, darf niemals als Loyalitätsverstoß oder Kündigungsgrund gewertet werden.
4. Diffamierende und nicht zeitgemäße Aussagen der kirchlichen Lehre zu Geschlechtlichkeit und Sexualität müssen auf Grundlage theologischer und humanwissenschaftlicher Erkenntnisse revidiert werden. Dies ist besonders in Anbetracht weltweiter kirchlicher Verantwortung für die Menschenrechte von LGBTIQ+ Personen von höchster Relevanz.
5. Die Kirche darf LGBTIQ+ Personen bzw. -Paaren den Segen Gottes sowie den Zugang zu den Sakramenten nicht vorenthalten.
6. Eine Kirche, die sich auf Jesus und seine Botschaft beruft, muss jeder Form von Diskriminierung entschieden entgegentreten und eine Kultur der Diversität fördern.
7. Im Umgang mit LGBTIQ+ Personen hat die Kirche im Laufe ihrer Geschichte viel Leid verursacht. Wir erwarten, dass die Bischöfe dafür im Namen der Kirche Verantwortung übernehmen, die institutionelle Schuldgeschichte aufarbeiten und sich für die von uns geforderten Veränderungen einsetzen.“
Katholische Verbände zeigen Solidarität
#OutInChurch ruft dazu auf, sich zu solidarisieren: Queere Menschen, die in der römisch-katholischen Kirche tätig sind, sollen sich der Initiative anschließen, und Verantwortliche in der Kirche sollen ihre Unterstützung für das Manifest öffentlich erklären.
Rund 20 katholische Organisationen und Verbände sind dem Aufruf bereits gefolgt. In einer gemeinsamen Erklärung mit dem Titel „Für Diversität in der katholischen Kirche“, die zum Start der Aktion veröffentlicht wurde, unterstreichen sie die Bedeutung von #OutInChurch und stellen fest: „Die katholische Kirche ist so vielfältig wie die Gesellschaft selbst und Heimat für jede*n. Niemand darf wegen der eigenen sexuellen Orientierung und /oder der geschlechtlichen Identität diskriminiert oder ausgeschlossen werden.“ Alle Menschen werden dazu aufgerufen sich für eine „Kirche ohne Angst“ zu engagieren.
Unterzeichnet haben die Erklärung unter anderem der Katholische Deutsche Frauenbund (KDFB), die Katholische Frauengemeinschaft Deutschlands (kfd), das Forum katholischer Theologinnen Agenda, der Bund der Deutschen Katholischen Jugend (BDKJ), das Präsidium des Zentralkomitees der deutschen Katholiken (ZdK) sowie die Arbeitsgemeinschaft katholischer Hochschulgemeinden (AKH).
Reaktionen aus Kirche und Politik
Mehrere deutsche Bischöfe und Generalvikare haben sich zu der Initiative „Outinchurch“ geäußert und diese u. a. als mutigen Schritt gelobt. Der Aachener Bischof Helmut Dieser erklärte im Namen der Deutschen Bischofskonferenz (DBK), dass in der Kirche ein Klima der Angstfreiheit entstehen müsse. Niemand dürfe wegen seiner sexuellen Orientierung und geschlechtlichen Identität „diskriminiert oder abgewertet oder kriminalisiert werden." Der Hamburger Erzbischof Stefan Heße sagte in einer Mitteilung des Erzbistums Hamburg: „Eine Kirche, in der man sich wegen seiner sexuellen Orientierung verstecken muss, kann nach meinem Dafürhalten nicht im Sinne Jesu sein.“ Der Hildesheimer Bischof Heiner Wilmer betonte gegenüber dem NDR, dass die katholische Kirche auch das kirchliche Arbeitsrecht in den Blick nehmen müsse, „damit Mitarbeitende der Kirche eine homosexuelle Orientierung nicht weiter verheimlichen müssen."
Auch aus der Politik gab es verschiedene Reaktionen. Unter anderem äußerte der LGBTIQ*-Beauftragte der Bundesregierung, Sven Lehmann, „den größten Respekt“ für den Mut der an der Coming-out-Aktion beteiligten Personen. Er hoffe auf einen konstruktiven Dialog in der Katholischen Kirche. Bundesjustizminister Marco Buschmann von der FDP forderte über Twitter, dass niemand wegen seiner oder ihrer sexuellen Identität benachteiligt werden dürfe. Er fügte hinzu: „Bei allem Respekt vor dem kirchlichen Selbstbestimmungsrecht insbesondere im verkündungsnahen Bereich – dem muss auch die Kirche als einer der größten Arbeitgeber in Deutschland Rechnung tragen.“ Im Koalitionsvertrag hatte die Bundesregierung festgelegt, das gemeinsam mit den Kirchen geprüft werden soll, inwiefern das kirchliche dem staatlichen Arbeitsrecht angeglichen werden könne.
TV-Dokumentation
In einer TV-Dokumentation mit dem Titel „Wie Gott uns schuf“ von Hajo Seppelt, Katharina Kühn, Marc Rosenthal und Peter Wozny sprechen Beteiligte von #OutInChurch zum ersten Mal offen vor der Kamera über ihre Erfahrungen. Zu sehen am 24.01. um 20.30 Uhr im Ersten und in der ARD Mediathek.
Folge uns auf Instagram
#KatholischeLGBTI*#Initiative#Coming out#LGBTIQ*#Diskriminierung#Outinchurch#queer#Kirche