Kai Wegner: „Polizei wird unter Generalverdacht gestellt“
Bei der Wahl zum Berliner Abgeordnetenhaus am 26. September geht für die CDU Spitzenkandidat Kai Wegner ins Rennen. Wir sprachen mit dem CDU-Landesvorsitzenden über steigende Mieten, seine kritische Haltung zum Landesantidiskriminierungsgesetz, Hans-Georg Maaßen und die Öffnungszeiten von Berliner Spätis
Herr Wegner, die Pandemie hat Bars, Clubs und Saunen schwer gebeutelt. Wie geht es für die Szene nach Corona weiter? Wir werden sie nach dem Auslaufen der Überbrückungshilfen weiter unterstützen! Und wir werden wirtschaftshemmende Maßnahmen abbauen. Beim Handel sollten wir zum Beispiel über das Ladenschlussgesetz nachdenken. Denn eins ist klar: Was für Niedersachsen und Bayern die Autoindustrie ist, das sind für Berlin die Gastronomie, die Kultur, der Tourismus und das Nachtleben.
Viele Spätis müssen nun sonntags schließen. Was ist Ihnen wichtiger: Der Ruhetag oder Alkohol rund um die Uhr? In Spätis gibt es ja nicht nur Getränke, sondern auch Dinge des täglichen Bedarfs. Es gehört zu einer Metropole, dass man auch sonntags noch Nudeln kaufen kann. Spätis sind moderne Tante-Emma-Läden. Meine Oma hatte so einen in Spandau. An den kann ich mich gut erinnern. Sie sollten am Sonntag öffnen dürfen. Dafür möchte ich Rechtssicherheit schaffen.
„Dass der Mietendeckel nicht verfassungskonform ist, das hätte jeder wissen können"
Als Bundestagsabgeordneter haben Sie mit dafür gesorgt, dass der Berliner Mietendeckel vors Verfassungsgericht kam und aufgehoben wurde ... Ja, das haben wir – weil wir so schnell wie möglich Rechtssicherheit haben wollten. Wenn das erst in zwei Jahren entschieden worden wäre, wären noch höhere Nachzahlungen auf die Mieterinnen und Mieter zugekommen. Dass der Mietendeckel nicht verfassungskonform ist, das hätte jeder wissen können – trotzdem hat dieser Senat sehenden Auges die Verfassung gebrochen.
Müssen Menschen mit Durchschnittslöhnen künftig nach Brandenburg ziehen? Nein, ich will keine Verhältnisse wie in Paris zulassen, wo in der Innenstadt nur noch Wohlhabende leben und die Geringverdiener aus der Stadt gedrängt werden. Deshalb ist es so wichtig, dass in einer attraktiven, wachsenden Stadt wie Berlin auch das Wohnungsangebot mitwächst. Das mittlere Preissegment von 8 bis 9 Euro pro Quadratmeter fällt in Berlin derzeit völlig weg – du hast entweder Sozialwohnungen oder Luxusangebote. Deshalb müssen wir viel mehr zusätzlichen, bezahlbaren Wohnraum schaffen.
Wie wollen Sie Neubau erleichtern? Als Erstes braucht Berlin ein Bündnis für bezahlbares Bauen und Wohnen – alle müssen mit an Bord: Genossenschaften, städtische Wohnungsbaugesellschaften, die private Immobilienwirtschaft, Mieterverbände, Bauwirtschaft und die Verwaltung. Zweitens müssen wir die Gestaltungsspielräume nutzen. Wir sollten nachverdichten, beispielsweise auf den Dächern von Supermärkten. Wir sollten auch dafür werben, die Ränder des Tempelhofer Feldes zu bebauen. Zum Dritten brauchen wir möglichst schnell mehr Personal in den Bauplanungsämtern der Bezirke, damit wir Neubaupläne schneller prüfen und genehmigen können.
Trotzdem wird es noch dauern, bis die neuen Wohnungen fertig sind. Wie würde ein CDU-Senat den Leuten helfen, die ihre Miete nicht mehr bezahlen können? Zum Beispiel, indem wir auf das Wohngeld vom Bund noch ein Berliner Mietergeld drauflegen. Das wäre eine zielgenaue Hilfe, die bei denen ankommt, die sie wirklich brauchen – bei sogenannten Normalverdienern, die mit ihrem Einkommen knapp über der Grenze für einen Wohnberechtigungsschein liegen. Anders beim Mietendeckel: Von dem haben insbesondere Leute mit ordentlichem Einkommen profitiert, die zum Beispiel im sanierten Altbau am Kurfürstendamm leben.
„Wenn ein Projekt spannend ist, dann ist die Politik gefordert, alle Möglichkeiten auszuloten – wenn sich das Projekt von jeder Gewalt distanziert und Dialogbereitschaft signalisiert."
Durch die steigenden Immobilienpreise verschwinden viele alternative Freiräume, zum Beispiel die Liebig34. Werden die letzten noch gnadenloser geräumt, wenn Sie ab Herbst mitregieren? Wir müssen schauen, dass wir in Berlin weiterhin spannende, kreative Orte haben. Für mich hört es aber auf, kulturell spannend zu sein, wenn aus solchen Räumen heraus Gewalt ausgeht, wie in der Rigaer Straße. Dann müssen die Bewohnerinnen und Bewohner mit einer klaren Ansprache des Rechtsstaats rechnen.
Die Fans der „Meuterei“ waren friedlich. Deshalb bekamen sie das Angebot, ihre Räume zu kaufen – für eine Dreiviertelmillion. So viel Geld haben kleine Initiativen nicht übrig. Ist für sie noch Platz in Berlin? Ich bin ein Fan von Liegenschaftspolitik. Berlin muss die Möglichkeit haben, Räume zu gestalten. Deshalb sollte das Land nicht alle seine Grundstücke veräußern, sondern auch langfristige Erbbaupachtverträge abschließen. Das gibt Investoren die Möglichkeit, Grundstücke zu entwickeln – und trotzdem kann das Land langfristig steuernd eingreifen. Man kann aber nicht erwarten, dass ein Eigentümer seinen Raum verschenkt. Wenn ein Projekt spannend ist, dann ist die Politik gefordert, alle Möglichkeiten auszuloten – wenn sich das Projekt von jeder Gewalt distanziert und Dialogbereitschaft signalisiert.
Um Minderheiten zu schützen, hat der Senat das Landesantidiskriminierungsgesetz (LADG) beschlossen. Sie haben es ein „Anti-Polizei-Gesetz“ genannt. Warum? Das LADG behindert die Polizei, weil sie nach einem Einsatz zwei Stunden auf den Abschnitt fahren müssen, um rechtssicher zu dokumentieren, falls eine Beschwerde gegen sie kommt. Zum Beispiel, wenn der Kontrollierte gesagt hat: „Sie kontrollieren mich nur, weil ich aus einem anderen Land komme.“
„Das Landesantidiskriminierungsgesetz ist ein ungerechtfertigter Misstrauensbeweis gegen unsere Polizei."
2020 gab es in Folge des LADG nur 17 Beschwerden gegen die Polizei – bei rund 750.000 Einsätzen. Ist das die Klagewelle, die Sie befürchten? Nein. So dramatisch, wie viele das befürchtet hatten, ist es nicht gekommen. Umso mehr zeigt sich, dass das LADG ein ungerechtfertigter Misstrauensbeweis gegen unsere Polizei ist. Und die Gewalt auf den Straßen hat es auch nicht reduziert. Wenn wir Hassverbrechen unterbinden wollen, brauchen wir eine starke Berliner Polizei, die Täter auch mal abholen kann. Das LADG aber stellt die Polizei unter Generalverdacht.
Dann drehen wir den Blickwinkel mal um. In Berlin leben viele Menschen, die von der Polizei häufiger kontrolliert werden, weil sie eine bestimmte Hautfarbe haben. Auch die fühlen sich unter Generalverdacht gestellt. Kontrolliert wird, wer sich verdächtig verhält, egal welche Hautfarbe. Dafür ist die Polizei da. Wenn es hier Diskriminierung von staatlichen Stellen geben würde, wäre das ein großes Problem, keine Frage! Dann würde ich erwarten, dass sich die Berliner Polizei von solchen Leuten trennt. Aber mir ist kein solcher Fall bekannt. In der Hauptstadtpolizei haben 30 Prozent der Beamtinnen und Beamten einen Migrationshintergrund. Ausgerechnet diese vielfältige Polizei soll Menschen aufgrund von Hautfarbe oder Herkunft diskriminieren? Das kann und will ich nicht glauben!
„Es ist höchste Zeit, dass wir zu einer vernünftigen Neuordnung kommen."
Als Abgeordneter im Bundestag haben Sie im Mai gegen eine Reform des Transsexuellengesetzes gestimmt. Warum? Die Gesetzentwürfe der Opposition wurden den vielfältigen Herausforderungen der Thematik nicht gerecht. Grundsätzlich bin ich für eine Reform offen, wünsche mir dafür aber eine breite Mehrheit. Ich kann mir durchaus vorstellen, dass wir da in den nächsten Jahren vorankommen. Übrigens auch bei der Ergänzung des Grundgesetzartikels 3, in dem die sexuelle Identität erwähnt werden soll. Ich bin regelmäßig im Austausch mit der Community. Da lerne ich viel dazu. Zum Beispiel, dass schwule Männer kein Blut spenden dürfen. Natürlich muss das Blut auf Krankheitserreger untersucht werden, aber das gilt doch für Heterosexuelle genauso. Es ist höchste Zeit, dass wir da zu einer vernünftigen Neuordnung kommen.
Steht die Berliner CDU bei diesen Themen fest an Ihrer Seite? Ja! Ich freue mich sehr darüber, dass sich hier viel verändert hat, auch durch meine Arbeit, vor allem aber durch den Einsatz der LSU, der Lesben und Schwulen in der Union.
„Auf den ersten sieben Plätzen unserer Wahlliste stehen vier Frauen. Das gab es noch nie in der Berliner CDU."
Ihr Parteikollege, Ex-Senator Mario Czaja, vermutet, Sie seien „dichter an den Positionen von Hans-Georg Maaßen als an denen von Angela Merkel und Armin Laschet“. Was stimmt daran? Nichts. Wenn Sie meine Politik der letzten Jahre verfolgt haben, wissen Sie: Ich betone immer, dass die Vielfalt Berlins eine der größten Chancen dieser Stadt ist. Ich habe mich in der Union als einer der Ersten für die Ehe für alle eingesetzt. Ich habe den Antrag gestellt, dass die LSU mit anderen Vereinigungen in der Partei gleichgestellt wird. Ich glaube nicht, dass ich damit nahe an Hans-Georg Maaßen bin. Ich habe ein eigenes Profil und will Politik für Berlin machen. Ich liebe diese Stadt und will nicht, dass sie anders wird. Aber sie soll besser funktionieren!
Aber Sie haben betont, dass Maaßen auch in der Berliner CDU „selbstverständlich“ Mitglied sein könnte ... ... und ich habe hinzugesetzt, dass Herr Maaßen in Berlin nicht Bundestagskandidat geworden wäre. Wir haben bei der Aufstellung unserer Kandidatinnen und Kandidaten für den Bundestag darauf geachtet, ein Angebot zu machen, das so vielfältig ist wie Berlin. In meinem Wahlkreis Spandau-Charlottenburg-Nord kandidiert zum Beispiel der Musikmanager Joe Chialo, der aus einer tansanischen Familie stammt. Auf den ersten sieben Plätzen unserer Wahlliste stehen vier Frauen. Das gab es noch nie in der Berliner CDU. Darauf bin ich echt stolz!
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