Drag- und Burlesque Festival im Wintergarten

Boylesque Drag Festival: „Inspiration ist der Schlüssel“

23. Juli 2024 Ecki Ramón Weber
Bild: Rudy Jeevan Jee; Ranobrac; Daniel Paikov
Von links nach rechts: Die Drag- und Burlesque-Künstler*innen Rudy Jee van Jee, Venedita von Dash und Rana Hava.

Seit 14 Jahren produziert die Berliner Dragqueen Sheila Wolf aufwendige Burlesque-Shows. Zur vierten Ausgabe ihres „Boylesque Drag Festivals“ bringt sie wieder die Crème de la Crème der internationalen Szene an zwei Abenden nach Berlin

Sheila Wolf, erst mal für alle, die nicht so sehr im Thema sind: Worin unterscheidet sich New Burlesque vom traditionellen Burlesque? Es gibt mehr Vielfalt. Die Performances sind bunter, dynamischer, wilder. Die Bandbreite geht deutlich über das klassische Burlesque hinaus, wie es einst von Ikonen wie Tempest Storm, Dixie Evans und anderen in den USA geprägt wurde.

Und Boylesque? „Männlicher (Strip)Tease mit Storyline“, wie es in eurer Ankündigung heißt, plus Drag? Genau das ist es. Boylesque ist eine der Spielarten, die in den letzten 15 Jahren das New Burlesque weiterentwickelt hat. Im Gegensatz zu klassischen Männerstripgruppen à la Sixx Paxx und Co. zelebrieren die Künstler*innen im Boylesque oft Humor und eine Geschichte, manchmal auch eine sehr persönliche. Manche nutzen Varieté oder Akrobatik und geben damit ihrer Performance mehr Tiefe und Ausdruck und letzten Endes auch mehr Tease. Die Acts sind vielfältiger und sehr individuell.

Eines der Vorbilder des „Boylesque Drag Festival Berlin“ ist das österreichische „Vienna Boylesque Festival“. Was hat dich dort so beeindruckt, dass du etwas Ähnliches in Berlin starten wolltest? Ich hatte die Ehre und das große Vergnügen, 2014, kurz nach dem Sieg von Conchita beim „Eurovision Song Contest“, mit im Cast beim „Boylesque Festival“ in Wien zu sein. Der Spaß und die Energie, die von dem Abend ausgingen, haben mich sehr inspiriert. Zwar habe ich dann erst mal meine „Vaudeville Variety Revue“ in Berlin auf die Bühne gebracht, aber eine gehörige Portion Boylesque stand auch da schon im Fokus. 2019 habe ich dann das „Boylesque Drag Festival“ in Berlin gegründet.

Es kommen Stars aus Tschechien, Puerto Rico, Spanien, Portugal, Großbritannien, USA, Frankreich und Australien nach Berlin. Wie schaffst du es, die internationalen Gäste nach Berlin zu locken? Mein guter Ruf in der internationalen Szene hilft. Aufgebaut durch maximale Wertschätzung der Künstler*innen und bestmögliche Festivalgagen. Und die Leute haben mitbekommen, dass es großen Spaß macht, bei mir aufzutreten. Natürlich zieht auch Berlin, die Stadt ist immer ein starkes Argument.

Dragkings und Dragqueens mit dicken Schnauzbärten, göttliche Wesen, Fantasiegestalten, BDSM-Fetisch-Personifikationen – die Gender-Varianzen sind unglaublich breit gefächert … Ich freue mich wahnsinnig auf neue Gesichter, wie zum Beispiel Dito Castro aus Madrid, der erstmalig in Deutschland als Headliner auf der Bühne steht, und ganz besonders freut mich der prozentuale Anstieg an Dragkings aus aller „Herren“ Länder. Natürlich ist es mir eine besondere Ehre, der großartigen Sherry Vine, Urgestein des Drag – sie macht es schon länger als RuPaul –, erneut eine Bühne im Wintergarten zu geben. Ach, ich freue mich einfach auf die endlose Vielfalt und die enorme Energie, die im Backstage herrschen, aber auch in den Zuschauer*innenraum überschwappen werden. Ich möchte die maximale Vielfalt der queeren Unterhaltung auf die große Bühne bringen und damit auch Safer Spaces für neue Künstler*innen schaffen. Im Übrigen schätze ich als altes Zirkuspferd auch immer Livegesang und Akrobatik.

Inwiefern ist das „Boylesque Drag Festival Berlin“ ein brillantes Experimentierfeld, um Queerness neu zu erkunden? Ich werde oft von Leuten auf TikTok gefragt, wie sie aus ihrem Schneckenhaus herauskommen und Queen oder King werden können. Meine Antwort: Inspiration ist der Schlüssel. Und die bekommt man nur, wenn man Shows besucht. Man muss das Live-Entertainment fühlen. Es gab auch schon Menschen im Publikum meiner Shows, die sich derart inspirieren ließen, dass sie heute ihren Träumen mehr Freiraum geben – und zwar in der Öffentlichkeit.

Privat bist du ein heterosexueller Familienvater. Was entgegnest du Kritiker*innen, die dir Aneignung von queerer Kultur vorwerfen? Ich lebe ein buntes Leben, erziehe mein Kind mit maximaler Toleranz für alle Menschen und versuche manche Zweifler*innen davon zu überzeugen, dass am Ende des Regenbogens auch für sie ein Schatz zu finden ist. Tatsächlich bin ich jetzt schon so lange in der queeren Kultur unterwegs und biete so viele Räume für Performances, dass alle, die mir so etwas vorwerfen, sich erst mal an die eigene Nase fassen und darlegen sollen, was sie selbst für die queere Kultur getan haben. Ich bin nicht der Meinung, dass ich mir etwas aneigne, sondern dass ich die Leute dazu anrege, Toleranz und Respekt für alle Menschen zu haben – auf der Bühne und drum herum.

Boylesque Drag Festival Berlin
26.+27.07.2024
Wintergarten Berlin

The Friday Opening Big Bang
26.07., 20:00

The Saturday Night Extravaganza
27.07., 20:00

boylesque-festival.de

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