Black Queers, White Gaze, Grauzonen
Zum Black History Month kommentiert Michaela Dudley die Situation von Queers of Color auf dem Berliner Wohnungsmarkt
Sally ist Ende Zwanzig und auf Wohnungssuche. Die Suche gestaltet sich als schwierig, doch auf einmal erreicht sie ein Rückruf. Die studierte Germanistin aus Lyon unterhält sich telefonisch mit dem Vermieter und zwar fließend auf Deutsch. Allerdings ist Sallys Stimme ein wenig markant. Nicht nur wegen der Tonfarbe, sondern auch aufgrund der Tiefe. Denn Sally ist eine trans* Frau. Das offenbart sie ihrem Gesprächspartner vorsichtig, aber immerhin von sich aus. Ach so, gar kein Problem, beteuert der Vermieter, der sich selbst als schwul bezeichnet. Endlich ein Durchbruch, so vermutet Sally frohen Mutes.
Am Tage der Privatbesichtigung fällt sie jedoch aus allen Wolken, und der Regenbogen strahlt für sie nicht: Der Vermieter fängt sie an der Tür seiner Altbauwohnung in Prenzelberg ab. Stirnrunzelnd und kopfschüttelnd steht er da. Mit nervöser Gestik vermeidet er das Händeschütteln. Dafür aber begleitet er Sally zum Foyer. Er flüstert und versucht dabei ein gönnerhaftes Lächeln zustande zu bringen. Im Hause habe er einen guten Ruf, das müsse sie verstehen können. Außerdem würde sie sich sicherlich wohler, viel wohler in einem Bezirk wie Wedding fühlen. Ohnehin sei die Wohnung inzwischen vermietet. Ja, fest vermietet. Ein paar Stunden später ruft der Ehemann des Vermieters bei Sally an, um sich wegen der Unannehmlichkeiten zu entschuldigen und ihr weiterhin Glück zu wünschen. Bei der Terminvereinbarung hatte Sally offenbar vernachlässigt, sich als Schwarze zu outen.
Hartes Pflaster für Wohnungssuchende
Berlin ist allerdings ein hartes Pflaster für alle, die eine Bleibe suchen, ob Schwarz oder weiß, queer oder hetero. Die Stadt, die sich gerne als weltoffen rühmt, kümmert sich kaum, um die Beschaffung bezahlbarer Wohnungen in ausreichender Menge. Dieses Versäumnis macht jährlich abertausenden Menschen einen Strich durch die Rechnung und führt auch dazu, das die Stadt auf dringend nötige Talente verzichten muss.
Besonders hart betroffen sind wiederum Queers of Color. Vor allem Schwarze trans* Frauen berichten über nicht nur unfreundliche, sondern durchaus feindselige Begegnungen mit Vertreter*innen von Wohnungsgenossenschaften, Vermieter*innen und Untermieter*innen. Oft werden sie in Verbindung mit der Prostitution gebracht, während weißen trans* Frauen zumindest diese Stereotypisierung erspart bleibt.
Schutz vor Diskriminierung?
Das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz schützt bei der Wohnungssuche und in bestehenden Mietverhältnissen vor Diskriminierung. Zumindest theoretisch. Vor Gericht können Betroffene gemäß § 21 AGG Entschädigung, Schadensersatz und Unterlassung verlangen, aber das Nachweisen ist oft besonders schwierig – wenn es sich nicht etwa um ausdrücklich rassistische oder queerfeindliche Annoncen handelt – und ohnehin zeitaufwendig. Generell besteht sowieso kein Anspruch auf den Abschluss eines Mietvertrages. Überdies herrscht die „50-Wohnungen-Regel“. Wenn der Vermieter nicht mehr als fünfzig Mietobjekte besitzt, ist laut § 19 (3) AGG „eine unterschiedliche Behandlung im Hinblick auf die Schaffung und Erhaltung sozial stabiler Bewohnerstrukturen und ausgewogener Siedlungsstrukturen sowie ausgeglichener wirtschaftlicher, sozialer und kultureller Verhältnisse zulässig.“ Finde den Fehler!
In wenigen Tagen ist der Black History Month offiziell vorbei, die Diskriminierung aber noch lange nicht. Menschen wie Sally und ich werden tagtäglich mit unserem Schwarzsein – und unserem Queersein – konfrontiert. Selten auf angenehme Weise.
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#queer#Wohnungsmarkt#Black History Month#Berlin