Bittere Realität: Rede von AfD-Politikerin beim IDAHOBIT*
Zum IDAHOBIT* am 17. Mai soll ausgerechnet die AfD-Landesvorsitzende Birgit Bessin eine Rede vor dem Brandenburger Landtag halten. LGBTIQ*-Aktivist Christoph R. Alms berichtet und kommentiert für SIEGESSÄULE
Steigende Zahlen an Hassverbrechen gegen queere Menschen, das Verbrennen von öffentlich gehissten Regenbogenfahnen, der Versuch, Lesungen von Drag-Künstler*innen und trans* Autor*innen in einer Bibliothek zu verbieten – und eine Rede der AfD zu Queerness vor dem Brandenburger Landtag. Klingt nach einer dystopischen Vorstellung zum morgigen Internationalen Tag gegen Homo-, Bi-, Inter- und Transfeindlichkeit (IDAHOBIT*)?
Während die ersten beklemmenden Beispiele bereits eingetreten sind, scheint auch das zuletzt genannte Szenario bereits morgen bittere Realität zu werden. So ist für den 17. Mai 2023 am Brandenburger Landtag die öffentliche Hissung der Regenbogenfahne geplant. Neben Redebeiträgen der Landtagspräsidentin, Prof. Dr. Ulrike Liedtke (SPD), und der Brandenburger Ministerin für Soziales, Gesundheit, Integration und Verbraucherschutz, Ursula Nonnemacher (Bündnis 90/Die Grünen), kommen hier auch Vertreter*innen aus der queeren Community Brandenburgs zu Wort.
Es darf stets eine Rede von einer Person gehalten werden, die sich im Brandenburger Landtag für gleichstellungs- oder queerpolitische Belange einsetzt. Da hier das Rotationsprinzip bei den Fraktionen angewendet wird, kommt das Rederecht jedes Jahr einer anderen Partei zu. Dieses Jahr kann ausgerechnet die AfD eine Rednerin stellen: Birgit Bessin.
„So war es Bessin, die mit besonderem Eifer und Engagement zahlreiche queerfeindliche Anträge der AfD-Fraktion im Landtag vertreten hat.“
Bessin selbst ist keine Unbekannte in Brandenburg und in der Brandenburger Queer-Community – im Gegenteil! So war es Bessin, die mit besonderem Eifer und Engagement zahlreiche queerfeindliche Anträge der AfD-Fraktion im Landtag vertreten hat.
Unter anderem sollte die bereits sehr knapp bemessene finanzielle Förderung im Bereich sexueller und geschlechtlicher Vielfalt abgeschafft werden. Argumentiert wurde zynisch bis absurd, dass eine derartige Förderung von Beratungs- und Unterstützungsmaßnahmen schließlich eine nicht hinnehmbare „Übervorteilung” der queeren Community gegenüber der „heterosexuellen Mehrheitsgesellschaft” darstelle.
Auch die zuständigen Ministerien, die sich für die Akzeptanz queerer und vielfältiger Lebensweisen verantwortlich zeigen, wurden in den letzten Jahren mit einer Flut an unsinnigen Anfragen von der AfD-Fraktion überschwemmt und so in ihrer eigentlichen Arbeit blockiert.
Es regt sich Widerstand
Zum Glück regt sich Widerstand gegen Bessins Auftritt. So haben der Landesverband AndersARTIG e.V., der LSVD Berlin-Brandenburg sowie der CSD Cottbus in einer gemeinsamen Presseerklärung zum Protest aufgerufen: „Der Internationale Tag gegen Homo-, Bi-, Inter- und Transfeindlichkeit ist ein Tag des Erinnerns an die Opfer queerfeindlicher Übergriffe. Es ist ein Tag, an dem wir unseren Blick darauf richten, was noch zu tun ist.“ Man finde die Vorstellung unerträglich, dass eine Politikerin der AfD Hand an die Regenbogenflagge lege. „Das konterkariert alles, wofür die Regenbogenflagge und wofür wir als queere Community stehen”, so das Bündnis weiter.
Auch die Landeskoordinierungsstelle „Queeres Brandenburg” versucht noch, eine Rede zu verhindern. In einem Brief an die Landtagspräsidentin und die Fraktionsgeschäftsführungen der demokratischen Parteien wird angeregt, eine Mehrheitsfindung zwischen den demokratischen Parteien zu initiieren und auf den bisher üblichen festen Turnus zur Bestimmung eines Redebeitrags zu verzichten. Man sei sich sicher, „dass die Erlangung demokratischer Mehrheiten in allen Belangen im Sinne unserer Landesverfassung ein richtiger und gangbarer Weg” sei, so die Unterzeichnenden des Schreibens weiter.
Ob die Rede von Bessin auf diesem Wege jedoch so kurzfristig noch verhindert werden kann, darf bezweifelt werden. Stattdessen wird es wohl wieder an den queeren Vereinen, Initiativen und an unterstützenden Einzelakteur*innen der Zivilgesellschaft selbst sein, in der Brandenburger Landeshauptstadt entsprechenden Protest zu zeigen.
Dabei wird es wirklich allerhöchste Zeit, dass nicht nur die verschiedenen queeren Communitys solidarisch füreinander einstehen und sich gegenseitig unterstützen. Sondern auch andere Unterstützer*innen sollen ein deutliches Zeichen für Solidarität, Vielfalt und Demokratie zeigen. Nur so kann sich die eingangs beschriebene Dystopie nicht noch weiter unwidersprochen verfestigen, sondern womöglich sogar aufgelöst werden.
Update: Rede der AfD-Politikerin verhindert
Während der Flaggenhissung zum IDAHOBIT* am 17. Mai haben laut dpa-Berichten rund 120 Menschen gegen die angekündigte Rede der AfD-Politikerin Birgit Bessin vor dem Brandenburger Landtag protestiert – mit Erfolg! Die Protestierenden pfiffen die Fraktionsvorsitzende fünf Minuten lang während ihrer Rede aus – so lang wäre ihre Redezeit gewesen. Nach Ablauf dieser Zeit wurde die Veranstaltung ohne den Beitrag der AfD-Politikerin fortgesetzt.
Folge uns auf Instagram
#Landtag#IDAHOBIT*#AfD#Birgit Bessin#Brandenburg