Berliner Regierung verspricht mehr Queerpolitik
Am Montag präsentierte der neu aufgestellte rot-grün-rote Berliner Senat seinen Koalitionsvertrag. Darin einigten sich die Parteien auf einen Ausbau ihres queerpolitischen Programms
2016 einigte sich die Berliner Regierung in ihrem Koalitionsvertrag auf ein umfangreiches queerpolitisches Programm. Dieses soll nun auch in der neuen Legislaturperiode fortgesetzt und ausgebaut werden.
Nach der Wahl des Berliner Abgeordnetenhauses am 26. September war zunächst unklar, ob Rot-Rot-Grün in Berlin fortgeführt wird. Die designierte Regierende Bürgermeisterin Franziska Giffey hatte sich im Vorfeld der Wahlen offen für verschiedene Koalitionspartner gezeigt, auch mit der Union und der FDP.
Nun haben SPD, Grüne und Linke unter Führung von Giffey ihre Koalitionsverhandlungen erfolgreich beendet. Montagmittag stellten die Parteien ihren neuen Koalitionsvertrag unter der Überschrift „Zukunftshauptstadt Berlin. Sozial. Ökologisch. Vielfältig. Wirtschaftsstark” in einer Pressekonferenz vor. In dem rund 150 Seiten umfassenden Dokument widmet sich ein längerer Abschnitt in dem Kapitel „Offene Gesellschaft” auch „queerem Leben”. Der erste darin enthaltene Satz lautet: „Berlin bleibt Regenbogenhauptstadt.” Katrin Schubert von der Partei die Linke betonte in der Pressekonferenz, dass das vereinbarte queerpolitische Programm über das hinausgehen solle, was bereits umgesetzt ist.
Das verspricht der neue Senat für LGBTIQ*
Die Koalition verspricht die 2010 von der damaligen rot-roten Regierung initiierte „Initiative geschlechtliche und sexuelle Vielfalt“ (IGSV) in Zusammenarbeit mit den LGBTIQ*-Communities auszubauen. 2023 werde ein aktualisierter IGSV-Maßnahmenplan verabschiedet. Die Projektförderung soll stärker intersektional angelegt sein, um „Mehrfachdiskriminierung entgegenzuwirken und neue Handlungsfelder zu erschließen”. Angebote zur politischen und gesellschaftlichen Partizipation für queere Personen mit Migrationsgeschichte sollen demnach stärker in der IGSV verankert werden.
Eine Studie zur Wohnungslosigkeit von LGBTIQ* soll in Auftrag gegeben und ein eigenes Projekt zur Unterbringung von wohnungs- und obdachlosen LGBTIQ* auf den Weg gebracht werden. Eine weitere Studie soll Fälle von Sorgerechtsentzug bei lesbischen Müttern aufarbeiten. Die Präventions- und Antigewaltarbeit zum Schutz queerer Personen verspricht der Senat zudem auszubauen und um ein eigenes Beratungsangebot für trans, inter und nichtbinäre Betroffene zu erweitern.
Die Koalition bekenne sich zum „Kampf gegen rechte Gewalt, Antisemitismus, Queerfeindlichkeit, Antiziganismus, Islamfeindlichkeit und gegen jegliche Form von menschenfeindlichen Einstellungen und Bestrebungen.” So habe „die Stärkung zivilgesellschaftlicher Projekte und die konsequente Bekämpfung von rechten und menschenfeindlichen Straftaten sowie von Hasskriminalität” besondere Priorität.
Wenig Konkretes im Koalitionsvertrag
Viele der im Koalitionsvertrag enthaltenen Punkte zu „queerem Leben” sind allerdings wenig konkret. So wird sehr allgemein versprochen, dass die Sichtbarkeit von lesbischen, trans, inter und nicht binären Personen gestärkt werden solle. Auch die besonderen Bedarfe von bisexuellen Berliner*innen wolle man berücksichtigen. „Diskriminierungssensible Begegnungsräume und Safer Spaces” sollen vor Verdrängung geschützt und queere Veranstaltungen im öffentlichen Straßenraum unterstützt werden. Wie die Unterstützung genau aussehen soll, bleibt jedoch erst einmal offen.
Die negativen Auswirkungen der Corona-Pandemie auf die Community, auf ihre Institutionen, ihre Club- und Eventkultur werden nicht gesondert erwähnt. In der Pressekonferenz gab Franziska Giffey lediglich zu verstehen, dass gerade Branchen, die unter der Pandemie besonders „gelitten haben”, gefördert werden sollen. Giffey versprach, sich „nicht aus der Krise heraus zu sparen.”
Ebenfalls fehlt ein Hinweis auf das mittlerweile umstrittene Elberskirchen-Hirschfeld-Haus, in dem verschiedene queere Kultur- und Bildungseinrichtungen zusammengeführt werden sollten und das als eines der großen Prestigeprojekte des letzten Koalitionsvertrags galt.
Weitere zentrale Themen, die in dem Dokument angesprochen werden, sind Stadtentwicklung, Mieten und Klimaschutz. Über den Koalitionsvertrag wird in den jeweiligen Parteien noch abgestimmt. Franziska Giffey soll dann am 21. Dezember zur Regierenden Bürgermeisterin gewählt werden.
Die Koalitionsparteien haben sich auch auf die Zuteilung der verschiedenen Ressorts geeignet, allerdings noch keine Senator*innen präsentiert. Da die Senatsverwaltung für Kultur und Europa in den Händen der Linken bleibt, ist davon auszugehen, dass der schwule Spitzenkandidat Klaus Lederer weiterhin Kultursenator bleibt. Der schwule Justizsenator Dirk Behrendt von den Grünen wird hingegen sein Amt verlieren, da die Senatsverwaltung für Justiz und Vielfalt inklusive Antidiskriminierung in der nächsten Legislaturperiode von den Linken übernommen wird.
LSVD BB kristisiert den Koalitionsvertrag
Der LSVD Berlin-Brandenburg gab in einer Pressemitteilung bekannt, dass der neue Koalitionsvertrag eine solide Grundlage für den Ausbau bestehender Beratungs-, Hilfs- und Sensibilisierungsstrukturen biete. Betont werden hier zum Beispiel die geplanten Studien, ein Ausbau des Krisenwohnungsangebots oder die stärkere Berücksichtigung der Bedarfe von bisexuellen Personen. Der LSVD kritisiert allerdings, dass keine neuen Pfade in queerpolitischer Hinsicht beschritten werden: „Konkrete Vorhaben in den Bereichen LSBTIQ* und Alter bzw. Pflege sowie Bekämpfung queerfeindlicher Hasskriminalität in Berlin werden nicht formuliert. Auch beim internationalen Engagement für die Rechte und den Schutz queerer Menschen – besonders in Berliner Partnerstädten wie Moskau, Budapest und Warschau – bleibt der Koalitionsvertrag weit hinter unseren Erwartungen zurück," erklärte Christopher Schreiber, Geschäftsführer des Lesben- und Schwulenverbandes (LSVD) Berlin-Brandenburg. Die neue Regierungskoalition nehme sich lediglich vor, „Akteur*innen, die die Rechte queerer Menschen schützen, im Rahmen der Städtepartnerschaften besonders zu würdigen".
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