Berliner Clubs: Zukunft nach Corona muss ausgehandelt werden
Die Spendenkampagne von „United We Stream“ sammelt zur Rettung der Clublandschaft. Doch die Situation bleibt existenzbedrohend, da viele Clubs durch die Raster staatlicher Hilfen fallen
In Berlin gehörten Clubs mit zu den ersten Betrieben, die vom Lockdown ab Mitte März betroffen waren. Die Clubszene reagierte darauf schnell und kreativ: Innerhalb weniger Tage wurde mit „United We Stream“ eine digitale Plattform geschaffen. Sie soll dabei helfen, alle durch diese schwierige Zeit zu bringen – von den betroffenen Clubs bis hin zu beteiligten Projekten, Institutionen oder Künstler*innen.
DJs senden aus menschenleeren Clubs
Die Idee: jeden Tag wird ein Livestream aus einem anderen Club übertragen. Die Streams sind kostenfrei für alle zugänglich und können über Social Media weiter geteilt werden. DJs, Musiker*innen und Performer*innen spielen so vor menschenleeren Sälen… und vor virtuellem Publikum.
Die Clubcommission Berlin e.V. und das Bündnis Reclaim Club Culture betreiben die Plattform in Zusammenarbeit mit Arte Concert. Mit Stand vom ersten April 2020 beteiligen sich über 40 Clubs, die Beiträge wurden über fünf Millionen Mal aufgerufen. Verbunden ist das Ganze mit der Spendenkampagne „Save Berlins Club Culture in Quarantine“.
Acht Prozent an die Seenotrettung
300.000 Euro kamen so bereits zusammen. Das sei ein Drittel des angestrebten Spendenziels, sagte Lutz Leichsenring, Sprecher der Clubcommission, auf einer digitalen Pressekonferenz am 01.04.2020. Die Einnahmen werden nach einem Verteilungsschlüssel ausbezahlt, um vor allem Mietkosten zu decken. Acht Prozent fließen außerdem an den „Stiftungsfond Zivile Seenotrettung“. Dieser verwaltet Spendengelder, die an NGOs in Griechenland und an die Seenotrettung im Mittelmeer gehen.
„In Berlin wird zusammengearbeitet, man sieht sich nicht als Konkurrenz.“
„Als wir vor drei Wochen zum ersten Mal einen Coronafall in Berlin hatten, waren wir als Clubs schon vorgewarnt“, erzählte Leichsenring auf der Pressekonferenz. Dass aber in so kurzer Zeit ein gemeinsames Hilfsprojekt auf die Beine gestellt werden konnte, habe auch damit zu tun, „dass in Berlin zusammengearbeitet wird und man sich nicht als Konkurrenz sieht“.
Auch andere Städte beteiligen sich
Diese Form der Solidarität mache Schule: es gebe bereits Nachahmer*innen über Berlin hinaus. Ab dem 4. April will das Projekt sich entsprechend öffnen. Unter dem Motto „United We Stream Global“ können dann nicht nur Clubs in Berlin, sondern auch in anderen Städten und Regionen die Live-Übertragungen mitgestalten. Dabei sind z. B. schon Wien, Amsterdam oder Manchester.
„Tendenziell machen wir dieses Jahr noch auf. Die Frage ist, ob es dann alle Clubs noch gibt.“
Zur Sprache kam auf der Pressekonferenz auch die schwierige Situation kleinerer bis mittlerer Betriebe in Berlin. Während Solo-Selbstständige und Betriebe mit weniger als zehn Angestellten Förderungen beantragen können, fallen die meisten Clubs momentan durch das Raster staatlicher Hilfen, sagte Katja Lucker vom Musicboard Berlin.
„Tendenziell machen wir dieses Jahr noch auf“, ergänzte Pamela Schobeß, Betreiberin des Gretchen-Clubs und Vorsitzende der Clubcommission. „Aber es ist die Frage, ob es uns dann alle noch gibt. Unsere Kosten- und Erlös-Strukturen sind super tight.“ Die Förderprogramme müssten seitens der Politik dringend nachgebessert werden. Ohne Hilfen sei eine Perspektive jenseits von Mitte April undenkbar, sagte ähnlich Konstantin Krex, Betreiber des Kater Blau.
Was passiert nach der Krise?
Das digitale Programm wurde auch noch um ein Debattenformat erweitert: „United We Talk: Point Zero“. Zweimal die Woche werden Filme gezeigt, Inputs gegeben und mit verschiedenen Gästen diskutiert. Die Themen gehen weit über die Situation der Clubs hinaus: von Mietenbewegung über die Situation von Geflüchteten an den EU-Außengrenzen, solidarisches Wirtschaften oder Pflege- und Care-Arbeit.
„Die Welt ist aus den Fugen geraten. Dinge sind diskutierbar, die bisher nie möglich schienen.“
„Point Zero“ beschreibe den fiktiven Punkt nach der Corona-Krise, erklärte Hannah Göppert von „United We Talk“ auf der Pressekonferenz. „Die Welt ist aus den Fugen geraten. Dinge sind diskutierbar, die bisher nie möglich schienen. Die Zukunft nach Corona muss jetzt ausgehandelt werden.“
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