Beratungsstelle Mut hilft bei sexualisierter Gewalt gegen Männer
Sexualisierte Gewalt gegen Männer ist immer noch ein Tabuthema, selbst in der queeren Community. Mut – Traumahilfe für Männer* ist eine der wenigen Beratungsstellen mit diesem Fokus und richtet sich auch an trans*, nicht binäre und inter* Personen. Trotz des hohen Bedarfs ist sie aufgrund der Haushaltskürzungen des Senats gefährdet
An einem verregneten Wintertag stehe ich vor der Tür eines ebenerdigen Büros. Auf der Milchglasscheibe steht: „Mut“ in hoffnungsgrünen Lettern, darunter „Traumahilfe für Männer*“ in dezentem Grau. Als ich klopfe, wird mir fast mulmig. Erst hier verstehe ich den Namen für diese Beratungsstelle für Männer, die sexualisierte Gewalt erfahren haben, so richtig. Wer hier klopft, bekommt Unterstützung, um sich im geschützten Raum dem zu stellen, was ihm gewaltsam widerfahren ist.
„Für viele Männer, egal wie aufgeklärt sie in Sachen Sexualität und Gender sind, ist ihre Belastung ein Scham- und Angstthema.“
Drinnen wird mir Markus Wickert erklären: „Für viele Männer, egal wie aufgeklärt sie in Sachen Sexualität und Gender sind, ist ihre Belastung ein Scham- und Angstthema.“ Markus ist ausgebildeter Traumapädagoge und einer von zwei Fachberatern von Mut. Das mulmige Gefühl verschwindet, nachdem er mir die Tür aufhält und mir eine Tour gibt. „Wir sind erst vor einem Jahr von Neukölln nach Friedrichshain umgezogen“, erklärt er. „Eigentlich hatten wir noch mit einer weiteren Stelle für unser Office gerechnet.“ Aber keine Chance dank der Sparmaßnahmen des Senats. „Da reden wir gleich drüber“, sagt er und führt mich am Wartebereich mit Weihnachtskeksen und am Seminarraum vorbei in einen von zwei Beratungsräumen. Kurz darauf kommt auch schon Lukas Weber um die Ecke. Seit 2014 ist er Geschäftsführer beim Dachverein Hilfe für Jungs* e.V. und berichtet: „Der Verein existiert seit den 90ern. Mit Projekten wie zum Beispiel Mut, Subway und Smart begleiten wir junge Männer, die von sexueller Ausbeutung und sexualisierter Gewalt bedroht oder betroffen sind – inzwischen mit knapp 30 Festangestellten.“
Besserer Umgang mit Folgen sexualisierter Gewalt
Markus ist seit 2013 im Verein und rief drei Jahre später Mut ins Leben. „Es gibt einfach zu wenige Fachangebote, gerade im Bereich Erwachsenenunterstützung. Es gibt neben uns nur noch eine weitere Beratungsstelle“, so Markus. „Und im Gegensatz zu Therapieplätzen können wir meist innerhalb von 14 Tagen Beratungsplätze anbieten.“ Alles anonym und kostenlos, versteht sich. Im Erstgespräch werde dann ein gemeinsamer Fahrplan erstellt. Das Ziel: ein besserer Umgang mit den Konsequenzen der erlebten sexualisierten Gewalt. „Dabei gehen wir gezielt auf die Bedürfnisse der Leute ein”, verdeutlicht Markus. Nach Wunsch bieten wir die Gesprächstermine in unseren Räumen, telefonisch, aber auch bei einem Spaziergang, in Notunterkünften oder in Einzelfällen auch Zuhause an.“ Es brauche nur einen Anruf.
„Es betrifft schätzungsweise 250.000 Männer allein in Berlin. Und pro Jahr haben wir um die 900 Beratungen – und das auf zwei Teilzeitstellen.”
Und Männer, die sexualisierte Gewalt erfahren oder erfahren haben, seien keine Einzelfälle. „Es betrifft schätzungsweise 250.000 Männer allein in Berlin“, so Lukas. „Und pro Jahr haben wir um die 900 Beratungen – und das auf zwei Teilzeitstellen.” Eine Herkulesaufgabe, die sich Mut mit dem Beratungszentrum Tauwetter in Kreuzberg, das ähnliche Zahlen in einem gemeinsamen Papier an die Politik vorlegt, teilt. Und trotz des enormen Bedarfs sind ihre Arbeit und die der Partnerprojekte akut bedroht. Die Haushaltskürzungen des Berliner Senats, die Projekte im Bereich „Diversität“ und „Inklusion“ überproportional stark beschneiden, könnten jetzt auch Mut und Tauwetter an den Kragen gehen. „Seit Ende des vergangenen Jahres befinden wir uns in Bürokratiespiralen und Rechtfertigungsmustern“, erklärt Lukas. „Plötzlich steht die Lobbyarbeit im Vordergrund und nicht die Personen, die hierherkommen. Es geht hier doch nicht um queere Bonbons, sondern um Gewaltschutz”, so auch Markus. Lukas pflichtet ihm bei: „Die aktuelle Regierung wird sich daran messen lassen müssen, was und wie sie die Zukunft der Stadt für den Haushalt 2026/27 aufstellen möchte. Ein weiteres Jahr wie dieses wird unerträglich.“ Gemeinsam verfassten sie deshalb mit 42 Projekten aus dem Gesundheitsbereich ein Protestpapier, in dem sie eine verlässliche Finanzierung für die nächsten Jahre fordern. „Diesen Schulterschluss der Berliner Träger fand ich stark”, freut sich Lukas. „Es zeigt, dass die letzten Jahre gewirkt haben. Und es wäre unfassbar schade, wenn durch Kürzungen Dinge zerstört würden, die nur schwer nachwachsen.”
Mut – Traumahilfe für Männer*
Rigaer Str. 4, 10247 Berlin
hilfefuerjungs.de
Kontakt: anfrage@muttraumahilfe.de
Tel.: (030) 80 61 00 77
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