Premiere am 8. Juni

Axel Ranisch inszeniert DDR-Operette „Messeschlager Gisela“

3. Juni 2024 Ecki Ramón Weber
Bild: Jan Windszus Photography
Gisa Flake als Gisela (re.) und Andreja Schneider als Emma Puhlmann (li.)

Längst überfällig: Die legendäre DDR-Operette „Messeschlager Gisela“ kommt an der Komischen Oper neu auf die Bühne – mit Gesa Flake, Andreja Schneider und Thorsten Merten als Gaststars, inszeniert von Axel Ranisch

An der Neuköllner Oper gab es schon 1998 eine Inszenierung von „Messeschlager Gisela“, damals in der Handschrift des schwulen Musical-Machers Peter Lund. Jetzt besinnt sich endlich auch die Komische Oper auf das Stück. Es ist natürlich genau das Richtige für das Haus. Schließlich gab es ab 2012, während der Intendanz von Barrie Kosky, viele spektakuläre Operettenproduktionen, vor allem Wiederentdeckungen aus der Weimarer Republik. Nun, in der Doppelintendanz von Susanne Moser und Philip Bröking, widmet sich Barrie Kosky als Gastregisseur Klassikern des US-Musicals. Gleichzeitig wird ab dieser Spielzeit mit anderen Künstler*innen der Blick auf die Entwicklungen in der DDR geworfen.

East Germany's Next Topmodel

Den Anfang dieser neuen Reihe macht Gerd Natschinskis Operette „Messeschlager Gisela“. Natschinski, geboren 1928 in Chemnitz, gestorben 2015 in Berlin, war Meisterschüler von Hanns Eisler, dirigierte Unterhaltungsorchester, schrieb neben Musiktheater eine Menge Filmmusik und Schlager, von 1978 bis 1981 war er zudem Intendant des Metropol-Theaters an der Friedrichstraße, heute Admiralspalast. Dort kam im Oktober 1960, zwei Jahre vor dem Mauerbau, „Messeschlager Gisela“ zur Uraufführung.

Die Operette handelt von Irrungen und Wirrungen in der realsozialistischen Bekleidungsindustrie: Im Berliner Modeatelier VEB Schick versucht der chronisch überforderte Betriebsleiter Robert Kuckuck mangels eigener Ideen die Haute-Couture-Entwürfe aus dem kapitalistischen Paris zu kopieren. Die Modelle bestehen allerdings den Praxistest nicht, erweisen sich als unbrauchbar im Alltag. Stress kommt auf, denn bei der Messe in Leipzig soll der Vorzeigebetrieb Erfolge verzeichnen. Zum Glück gibt es im Team die bislang wenig beachtete Mitarbeiterin Gisela Funke, die ein Kleidermodell entwirft, das in Leipzig als „Messeschlager Gisela“ zum Riesenerfolg wird.

„Wie zu Silvester bei Oma und Opa.“

An der Komischen Oper bringt jetzt Axel Ranisch das Stück auf die Bühne. Der schwule Autor, Film-, Opern- und Theaterregisseur ist ein Kind der DDR. Und außerdem überzeugter Lichtenberger. Er lebt mit seinem Gatten in derselben Plattenbauwohnung, in der er einst aufgewachsen ist. Axel Ranisch zeigt sich im Interview mit SIEGESSÄULE begeistert: „Das Stück sagt mir sehr zu, es hat viel mit meinen Großeltern zu tun. Ich fühle mich so wie als kleiner Junge zu Silvester bei Oma und Opa: Die große Bowle mit den in Cognac getränkten Erdbeeren ist bereitgestellt, alle haben sich schick angezogen und sind so ein bisschen frivol unterwegs. So fühlt sich ,Messeschlager Gisela‘ für mich an.“

Die Handlung belässt Axel Ranisch im Entstehungsjahr 1960. Dennoch wird seine Inszenierung kein bloßes nostalgisches Schwelgen mit schrägen Zutaten. Wie stets in seinen Produktionen betrachtet der Regisseur das Geschehen mit einem liebevoll kritischen Blick auf die Menschen mit all ihren tragikomischen und skurrilen Auswüchsen. „Es geht um das Miteinander im Betrieb und die Tatsache, dass der Chef dieses Modebetriebs keine Ahnung von Mode hat“, erklärt Axel Ranisch. „Er scheitert an seinem Job, hat aber eine junge Kollegin vor der Nase, die viel besser ist. Also, es geht sehr stark um Wertschätzung, um einen Umgang auf Augenhöhe. Und um die Frage, wieso eine qualifizierte Frau nicht in der Chefetage landet. Das Stück stellt uns tatsächlich viele Fragen, die uns heute auch beschäftigen.“

Auch eine queere Liebesgeschichte

„Messeschlager Gisela“ wäre keine richtige Operette, wenn es nicht auch einige Herz- und Schmerzgeschichten darin gäbe. Aber kann man aus den Hetero-Beziehungskisten der Handlung noch irgendwelche queere Funken schlagen? „Es geht um Mode, dass man gut aussieht, egal wie man aussieht. Und es geht auch darum, das zu feiern. Das ist ja schon ein queeres Thema“, findet Axel Ranisch und verspricht: „Eine kleine queere Liebesgeschichte habe ich mir auch erlaubt.“

„Mir gefällt, dass Natschinski mittels der Tänze die Figuren charakterisiert.“

Musikalisch gibt es in „Messeschlager Gisela“ eine Riesenpalette an flotten Tanznummern, nahezu sämtliche Modetänze aus der Weimarer Republik und aus den 1950er-Jahren kommen vor, von Foxtrott und Tango bis zu Rock ’n’ Roll und Cha-Cha-Cha. „Mir gefällt, dass Natschinski mittels der Tänze die Figuren charakterisiert“, erklärt Axel Ranisch, „dem Betriebsdirektor, der ein bisschen steif und zackig ist, gibt er zum Beispiel den Tango. Der frechen Chefsekretärin gibt er den Rock ’n’ Roll, weil sie immer rüber in den Westen macht und Freunde im KaDeWe hat. Adam Benzwi, unser musikalischer Leiter, hat das alles neu arrangiert. Das ist fantastisch geworden, perfekt für unser Ensemble.“

Bild: ARNO
Der schwule Film- und Opernregisseur Axel Ranisch

Art-déco-Spiegelzelt

Die Aufführungsserie findet nicht im Schillertheater in Charlottenburg statt, wo die Komische die Zeit der Sanierung des Stammhauses überbrückt, sondern in einem Art-déco-Spiegelzelt neben dem Roten Rathaus am Alexanderplatz. Abgesehen vom besonderen Ambiente bietet die Bühne dort auch Möglichkeiten abseits des herkömmlichen Guckkastentheaters: Die Spielfläche im Zelt hat den Grundriss eines Fächers, die spitze Seite, also da, wo die Hand am Fächer wäre, reicht ins Publikum, wo es nochmals eine kreisrunde Bühne gibt. Die Besucher*innen sitzen somit – wie in einem Zirkus – praktisch 360 Grad um diese Spielfläche herum. „Für das Publikum ist das toll. Es ist nur nicht ganz einfach für den Regisseur“, erzählt Axel Ranisch und lacht, „weil tatsächlich alle Theaterregeln nicht mehr funktionieren. Denn sobald zwei Leute auf der Bühne stehen und sich angucken, sieht das Publikum vorwiegend ja nur noch deren Rücken.“ Gelöst wird diese Herausforderung, indem die Darsteller*innen öfter in Kontakt mit dem Publikum treten. Wie sich das genau abspielen wird, das haben Axel Ranisch und Choreograph Christopher Tölle ausgetüftelt. Und am Ende gibt es selbstverständlich eine Modenschau – schließlich soll ja der neue Kleiderentwurf, der „Messeschlager Gisela“, gebührend in Szene gesetzt werden.

SIEGESSÄULE präsentiert:
Messeschlager Gisela,
08.06. (Premiere), 20:00,
12.+15.+17.+19.+21.+23.+25.+27.+29.06., 20:00, 05.+07.07., 20:00,
Zelt am Roten Rathaus
komische-oper-berlin.de

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