Festival am Literarischen Colloquium Berlin

Auf Augenhöhe: Literaturfestival „Coming out, Inviting in“

7. Aug. 2024 Anja Kümmel
Bild: Tobias-Bohm
Diskussions-Panels bilden das Herzstück des Festivals.

„Out & Proud!“ – an diesem Slogan führt in der Pride-Saison kein Weg vorbei. Aber ist das Konzept des Coming-outs überhaupt noch zeitgemäß? Ist es für alle Queers relevant oder so universell, wie es scheint? Dieser komplexen Frage geht ein dreitägiges Festival am Literarischen Colloquium Berlin (LCB) nach – literarisch, filmisch, musikalisch und performativ

Am Anfang stand ein Roman, der Thorsten Dönges, Kurator des literarischen Programms am LCB, begeistert hat: Stephan Lohses „Das Summen unter der Haut“ über die heimliche Sommerliebe eines schwulen Teenagers in der BRD der 70er-Jahre. Hinzu kam ein eindrückliches Bild des französischen Comic-Künstlers Laurier The Fox, auf dem sich das trans Coming-out der Hauptfigur nicht als befreiende, sondern als ziemlich angsteinflößende Erfahrung präsentiert. Und schließlich die auf einer autobiografischen Anekdote basierende Gedichtzeile von Anna Hetzer: „wie lesbisch sind deine gedichte, fragte jemand“.

„Ich finde die Frage spannend: Wie müsste eine Gesellschaft aussehen, in der sich ein Coming-out erübrigt?“

Aus diesem Spannungsfeld ganz unterschiedlicher Coming-out Narrative entstand die Idee, im Rahmen eines literarischen Festivals den Begriff „Coming Out“ im Wandel der Zeit und aus internationalen und intersektionalen Perspektiven zu erkunden. Kurzerhand holte Dönges die Lyrikerin Anna Hetzer als Ko-Kuratorin mit ins Boot, um gemeinsam ein Konzept zu erarbeiten. „Der Begriff Coming-out ist nach wie vor sehr präsent, sowohl in der Literatur als auch medial“, sagt Hetzer zur SIEGESSÄULE. „Aber ich finde auch die Frage spannend: Wie müsste eine Gesellschaft aussehen, in der sich ein Coming-out erübrigt?“

Bild: Privat
Unter anderem treten Performance-Künstler*innen wie Prince Emrah auf dem Festival auf.

Während für viele queere Schreibende das Coming-out nach wie vor einen wichtigen Emanzipationsschritt darstellt, der sich auch zentral in der künstlerischen Praxis niederschlägt, hat es für andere einen weniger hohen Stellenwert oder fühlt sich eher wie ein unabgeschlossener Prozess an. Zudem gilt es zu bedenken, dass ein Coming-out für Menschen verschiedener Identitäten, Orientierungen und Hintergründe ganz unterschiedliche Konsequenzen nach sich ziehen kann. Eine relativ neue Alternative zum weißen, angloamerikanisch geprägten Narrativ ist das „Inviting In“ nicht als Gegensatz zu verstehen, sondern vielmehr als subtile Verschiebung auf der Beziehungsebene: Das Sich-Öffnen wird hier nicht als einzelner, zwingender Akt gedacht, sondern als eine Reihe selektiver und bewusster Entscheidungen, die eine Begegnung auf Augenhöhe ermöglichen. „Uns war es wichtig, diesen Gegenentwurf, der aus einer postkolonialen Begriffskritik herrührt, prominent mit in die Diskussion einzubringen“, erklärt Hetzer: „Er spielte eine große Rolle dabei, wen wir für die Panels eingeladen haben.“

Performances und Picknicks

Mit dabei sind „alte Bekannte“ von den LCB-Bühnen wie Antje Rávik Strubel, Ronya Othmann, Hengameh Yaghoobifarah, Yael Inokai, Gunther Geltinger, Koray Yılmaz Günay, Duygu Aýal oder Kaska Bryla, aber auch neue internationale Stimmen wie der russische Autor Mikita Franko oder der katalanische Shooting-Star Pol Guasch. Das Format von „Coming Out, Inviting In“ ist altbewährt: Panels, in denen zu verschiedenen Schwerpunkten diskutiert wird, bilden das Herzstück des Festivals. Dazwischen gibt es Performances und Picknicks, gefolgt von Lesungen auf zwei Bühnen, musikalischen Liveacts und DJs.

Auch inhaltlich will Dönges an Veranstaltungen wie „Queer*East“ (2018) oder „Cruising als kulturelle Praxis“ (2021) anknüpfen. „Wir haben geschaut, was bei den letzten Festivals diskutiert wurde, welche Themen besonders spannend waren, wo klar ist: Da gibt es Gesprächsbedarf“, erläutert er: „Welche Debatten werden aktuell in verschiedenen Ländern und von verschiedenen Generationen verfolgt?“ Vor allem will das Festival einen offenen Raum bieten, um sich auszutauschen, zu vernetzen, zu solidarisieren, und nicht zuletzt – ganz im Sinne von „Inviting In“ – eine Einladung, zusammenzukommen und Erfahrungen miteinander zu teilen.

SIEGESSÄULE präsentiert Coming Out, Inviting In
Literarisches Colloquium Berlin
08.08., 18:00 (Eröffnung)
09.08., 14:00
10.08., 12:00
lcb.de

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