Anschlag auf das Schwule Museum: Nur die Spitze des Eisbergs?

Ende Februar schossen Unbekannte auf das Schwule Museum (SIEGESSÄULE berichtete) – nicht zum ersten Mal. Vorstandsmitglied Heiner Schulze erklärt im Interview, warum das Schwule Museum immer wieder queerfeindlichen Attacken ausgesetzt ist, wie das Museum mit den Einschüchterungsversuchen umgeht und auf welche Weise die Community helfen kann.
Das war nicht der erste Angriff auf das Schwule Museum: 2020 schlugen Unbekannte mit Steinen die Fensterscheiben ein und 2016 wurde auf das Museum geschossen. Heiner, wie kommt es, dass das Schwule Museum häufiger zur Zielscheibe für Queerfeindlichkeit wird? Ich glaube, ein Unterschied zu anderen Einrichtungen ist vor allem der große Schriftzug „Schwules Museum“ an der Fassade. Dadurch sind wir natürlich viel sichtbarer als ein queeres Lokal mit einem kleinen Regenbogensticker im Schaufenster. Das ist das Paradox der Sichtbarkeit: Einerseits stärkt sie unsere Rechte, andererseits macht sie uns auch angreifbar. Der Name des Museums wurde vor ca. vierzig Jahren unter anderem aus einer „In your face“-Haltung heraus gewählt. Ich finde es ziemlich spannend, dass das Wort „schwul“ immer noch so provoziert.
„Ich finde es ziemlich spannend, dass das Wort 'schwul' immer noch so provoziert.“
Sind die Anschläge, über die berichtet wurden, nur die Spitze des Eisbergs? Ja, vor allem, wenn man die Sozialen Medien berücksichtigt. Da kommen sowohl von der Quantität als auch von der Qualität die schlimmsten Nachrichten zusammen. Gelegentlich bekommen wir auch komische Anrufe. Ich habe außerdem schon beobachtet, wie Passant*innen gegen den Aufsteller vorm Schaufenster getreten und dabei geschimpft haben. Vereinzelt ist es vorgekommen, dass jemand die Tür aufgemacht und dumme Sprüche gerissen hat. Die Ehrenamtlichen, die am Empfang des Museums stehen, haben alle sowas schon mal erlebt. Diese Vorfälle sind aber zum Glück nur Ausnahmesituationen und kein Alltag.
Wie geht es euch und vor allem den ehrenamtlichen Mitarbeiter*innen jetzt nach dem Vorfall? Was ich den Gesprächen entnehmen kann, die ich mit meinen Kolleg*innen geführt habe: Es gibt natürlich eine gewisse Verunsicherung. Du fragst dich immer wieder: Was hätte noch alles passieren können? Gleichzeitig sehen viele von uns die Attacke als eine Art Bestätigung. Sie verdeutlicht, wie wichtig unsere Arbeit ist. Wir sind eine Bedrohung für die heteronormative Gesellschaft und diese wehrt sich gegen uns. Das zeigt doch, dass wir etwas richtig machen.
„Wir sind eine Bedrohung für die heteronormative Gesellschaft und diese wehrt sich gegen uns. Das zeigt doch, dass wir etwas richtig machen.“
Was sind eure nächsten Schritte? Wir diskutieren gerade, wie wir mit den entstandenen Schäden umgehen wollen. Das betrifft vor allem das Schaufenster und die Leuchtschrift. Wir haben uns gefragt, ob wir die Fensterscheibe so stehen lassen wollen, als Erinnerung daran, was passiert ist. Schließlich haben wir uns doch dafür entschieden, das Glas zu ersetzen und zu schauen, ob wir die Fensterscheibe mit den Einschusslöchern archivieren können, für zukünftige Ausstellungen oder als Zeitzeugnis unserer Museumsgeschichte.
Bei der Leuchtschrift ist es ein bisschen komplizierter, da weigert sich die Versicherung, die Kosten zu übernehmen. Deswegen müssen wir diese Reparatur ärgerlicherweise aus eigener Tasche bezahlen. Außerdem reden wir natürlich darüber, was wir tun können, damit sich unsere Mitarbeiter*innen wieder wohl und sicher fühlen.
Wie kann euch die Community dabei unterstützen? Es gibt drei Punkte: Erstens hilft es, wenn sich Privatpersonen, queere Einrichtungen, Politiker*innen und Medien solidarisch positionieren, damit dieser Einschüchterungsversuch an Kraft verliert und auch nach außen hin deutlich wird, dass wir als Gesellschaft so etwas nicht tolerieren. Bei den vorherigen Anschlägen war die Resonanz in den Medien viel geringer. Ich glaube, es ist ein starkes Zeichen, dass das in diesem Fall anders ist. Zweitens ist das aktuell auch eine gute Gelegenheit, mal wieder ins Schwule Museum zu kommen und uns auf diese Weise zu unterstützen. Und vielleicht auch den Ehrenamtlichen zu sagen: Was ihr hier macht, ist toll. Ihre Arbeit wird leider zu selten wertgeschätzt. Der dritte Punkt ist, dass wir uns natürlich über Spenden freuen, gerade jetzt, wo wir zusätzliche Kosten für die Reparatur der Leuchtschrift haben.
Ihr wünscht euch sozusagen Solidarität auf drei Ebenen? Ja, aber nicht nur Solidarität mit uns. Auch andere queere Einrichtungen werden zu Zielscheiben von Gewalt. Ich finde es wichtig, das Thema größer zu betrachten und auf den Rechtsruck aufmerksam zu machen, den es gesamtgesellschaftlich, aber auch innerhalb der LGBTIQ* Community gibt. Zum Beispiel, wenn queere Menschen gegen andere marginalisierte Gruppen oder bestimmte Teile der Community hetzen. Da müssen wir uns dagegen stellen und zeigen: Wir lassen uns nicht auf diesen Rechtsruck ein.
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