Annäherung an rechtspopulistische Debatten: Busche-Inhaberin in der Kritik
Ende letzter Woche berichteten Bild und B.Z. über einen offenen Brief der Inhaberin des Berliner LGBTIQ*-Clubs Busche an den Regierenden Bürgermeister. Sie sieht die Zukunft der Busche in Gefahr, weil in umittelbarer Nähe eine Unterkunft für Geflüchtete entstehen soll. Michaela Dudley kommentiert
„In den vergangenen Monaten erhöhte sich die Zahl der Straftaten gegen homosexuelle Personen in Berlin enorm“, so schrieb Carla Pahlau jüngst in ihrem offenen Brief. Das Schreiben war an keinen Geringeren als Berlins Regierenden Bürgermeister Kai Wegner (CDU) adressiert. Carla Pahlau ist Inhaberin des legendären LGBTIQ*-Clubs Busche. Das Etablissement,1985 an der Buschallee in Weißensee gegründet, befindet sich seit nahezu 20 Jahren am Warschauer Platz in Friedrichshain. Techno und Schlager pulsieren ebenda auf zwei verschiedenen Tanzflächen und ziehen Besuchende nicht nur aus den Kiezen, sondern regelmäßig auch aus Brandenburg an. Seit vier Dekaden ist der Laden aus der Berliner Szene gar nicht mehr wegzudenken. Oder vielleicht doch?
Carla Pahlau droht mit der Schließung ihrer Location, seitdem bekannt geworden ist, dass dort demnächst ein Heim für Geflüchtete aus Afghanistan, Syrien und der Türkei in der unmittelbaren Nachbarschaft eröffnet wird. Wann genau die Unterkunft in ihrer neuen Eigenschaft tatsächlich bezugsfertig sein soll, ist noch unklar. Das Gebäude, ein ehemaliges Hostel, steht also schon da und soll mehr als 600 Menschen beherbergen. In ihrem Schreiben beruft sie sich auf unbestätigte Äußerungen der Bauarbeiter*innen, wonach bis zu 1.000 Asylbewerbende einziehen sollten. Auf alle Fälle wirft das geplante Heim seinen Schatten auf die Blütenträume Pahlaus, die laut Angaben von Bild und B.Z. als Clubbesitzerin warnt: „Die weitaus überwiegende Zahl der Straftäter sind Migranten mit muslimischem Hintergrund.“
Diese Aussage kann man jedoch nicht einfach so gelten lassen. Denn die Justizverwaltung Berlins erhebt keine statistischen Angaben zur Religionszugehörigkeit der Tatverdächtigen. Und Pahlau legt ihre diesbezügliche Datenquelle nicht vor.
Fakt ist, laut Angaben des Bundeskriminalamtes, seien knapp 7 Prozent aller Tatverdächtigen bundesweit Geflüchtete. Zu berücksichtigen sei übrigens, dass wegen xenophober Ressentiments die Bereitschaft der Bevölkerung überhaupt höher ist, geflohene Menschen nicht europäischer Herkunft – sowie auch Bundesbürger*innen mit Migrationshintergrund – strafrechtlich anzuzeigen.
Zudem dienen die bürokratischen und sozioökonomischen Umstände der Unterbringung dazu, das Abrutschen einiger Geflüchtete in die Kriminalität zu begünstigen. Sie werden eingezäunt und zugleich ausgegrenzt. Mit ihnen wird kaum gesprochen, dafür aber laufend über ihre Köpfe hinweg, ein Zustand, der nicht gerade zur sinnvollen Integration beiträgt.
Was genau steckt hinter dem offenen Brief? Populismus? Oder ein PR-Stunt? Das eine schließt das andere bekanntlich nicht aus. So oder so wird das Thema aber jetzt von der Boulevardpresse lesenden besorgten Bürgerschaft aufgegriffen und von der rechten Influencer-Welle virusartig verbreitet. Eine erfundene Gefährdung wird zum gefundenen Fressen für all jene, die „den muslimischen Mann“ als Erzfeind der queeren Community darstellen.
Dämonisierung von Migrant*innen
Diese Haltung ist eigentlich sehr typisch: Wenn es darum geht, Migrant*innen zu dämonisieren, werden rechte Demagog*innen, die sonst Gift und Galle gegen nicht heterosexuelle Menschen speien, von jetzt auf gleich zu „Verbündeten“ der LGBTIQ*-Community. Stichwort: Homonationalismus. Braunes wird pink gespült. Man denke an das AfD-Plakat anno 2016 im Wahlkampf um das Berliner Stadtparlament. Es bildete zwei Männer ab und enthielt das Zitat: „Mein Partner und ich legen keinen Wert auf die Bekanntschaft mit muslimischen Einwanderern, für die unsere Liebe eine Todsünde ist.“ Das von einer Partei, die inzwischen ganz offen mit Anspielungen auf den Rosa-Winkel hetzt.
Besonders bedauerlich ist, dass ausgerechnet queere Menschen auf den Homonationalismus hereinfallen und meinen, den eigenen Schlächter wählen zu müssen, weil dieser eine konsequentere „Sicherheitspolitik“ anbiete. Diese selbstzerstörerische Tendenz erwähnte ich auch in meiner Titelreportage „Tacheles reden“ über den Rassismus in der queeren Szene im August-Heft der Siegessäule vor ziemlich genau 5 Jahren an.
Es gab übrigens viel Aufruhr nach dem Bericht. Man warf mir „Nestbeschmutzung“ vor, weil ich mich erdreistet hätte, den strukturellen Rassismus anzusprechen, der unterhalb des Regenbogens existiert und sich tagtäglich manifestiert. Andererseits meinten zahlreiche Direktbetroffene, mit meinen Schilderungen und Schlussfolgerungen hätte ich ihnen als Queers of Color aus der Seele gesprochen. Das Lob gebührt übrigens auch jenen Personen, die den Mut hatten, sich öffentlich als Opfer zu „outen“. Ich denke diesbezüglich unter anderem an Lux, die gelernte Köchin, trans Femme und transdisziplinäre Künstlerin, die sich als Latina mit arabisch-jüdischen Wurzeln vorstellte. Solche Menschen müssen weiterhin zu Wort kommen. Solche Menschen, die in ihrem Facettenreichtum dieses Land Farbe verleihen und die völkische Vorstellungskraft sprengen.
Tacheles reden – aber mit Respekt
Es muss überdies laufend betont werden, dass es Asylbewerbende gibt, die queer sind und schon deswegen die Flucht ergriffen haben. Ihre Schutzbedürfnisse – sowohl innerhalb ihrer Herbergen als auch auf offener Straße – müssen wahrgenommen werden. Tacheles müssen wir alle miteinander reden dürfen, aber eben mit Respekt für die Menschenwürde und mit Rücksicht auf die Chancen dieser bunter werdenden Gesellschaft, ein harmonisches Zusammenleben zu ermöglichen. Was auch immer das peinliche Schreiben aus der Busche bewirkt, ist eine Sache klar: Es beinhaltet keinen Fortschritt, wenn die Regenbogen-Community Nebelkerzen anzündet und braune Rauchschwaden verbreitet.
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