Angst vor dem Coming-out: Maren Kroymann im Interview
Die neue Ausgabe von Maren Kroymanns Satireshow „Kroymann“ ist ein klares Statement zur schwierigen Lage von LGBTI*-Schauspieler*innen. Denn noch immer spüren viele in der Branche den Druck, ihre Sexualität oder Identität verheimlichen zu müssen. Aus diesem Grund hat das „Kroymann“-Team eine Folge mit ausschließlich queeren Mitwirkenden gemacht. Über die Probleme von LGBTI*-Darsteller*innen bei Film und Fernsehen erzählt Maren Kroymann im Interview
Maren, du hast dich 1993 mit einem Interview im Magazin Stern geoutet und dich dazu mit deiner damaligen Lebensgefährtin fotografieren lassen. Heute muss man das natürlich anders machen. Wir haben mittlerweile eine viel fortschrittlichere Gesetzgebung, und ein Coming-out kann deshalb aus einer ganz anderen Haltung heraus geschehen: Es ist nicht mehr etwas so Exotisches, es braucht nicht dieses Seht-her-ich-bin‘s-Pathos. Auch sind wir inzwischen viel präsenter und haben ganz andere Möglichkeiten, die wir nutzen können.
Wie Jannik Schümann unlängst auf Instagram durch ein schlichtes Foto mit seinem Lebenspartner. Ja, das war wirklich cool und sehr lässig. Ich habe den Kolleg*innen dann vorgeschlagen, doch meine Sendung für das Coming-out und für ein gemeinsames Einstehen fürs Queersein zu nutzen, in der geht es schließlich um Humor und Satire. Da lässt sich das ganz beiläufig mit Witz, Leichtigkeit und Selbstverständlichkeit, und vielleicht auch mit etwas Ironie erledigen. Wieso ist Lesbisch-, Schwul- oder Transsein überhaupt immer noch eine Kategorie, auf der Besetzungsentscheidungen fußen? So kam es zu der Idee, das Musikvideo, mit dem die Sendung meist aufhört, diesem Thema zu widmen.
,,Es ist für mich ein kleines Fest für die Einheit der Community und ihre Vielfalt"
In diesem Song wird vordergründig nur über Kurzsichtigkeit gesungen, die man glaubt verheimlichen zu müssen. Es ist genauso hirnrissig, jemanden wegen der Kurzsichtigkeit nicht zu besetzen wie wegen Homosexualität. Die Art, wie ich liebe, darf einfach keine Rolle spielen, ob ich in einem Film oder in einem Theaterstück besetzt werde oder nicht.
Im Video singen zuletzt rund 50 queere Schauspieler*innen und Entertainer*innen und andere Menschen, die vor der Kamera stehen. Es haben sich sehr schnell die unterschiedlichsten Kolleg*innen gefunden, die beim Musikvideo mitmachen wollten. Das war eine tolle Erfahrung und ich bin wahnsinnig glücklich über das Ergebnis. Es ist für mich ein kleines Fest für die Einheit der Community und ihre Vielfalt und auch ein Ausdruck von Solidarität – ungeachtet der Debatten, der Konflikte und der Zersplitterung, die wir sonst erleben. Wir wollen zeigen, was uns verbindet, und nicht, was uns trennt. Wir machen hier etwas gemeinsam und – was ich sehr wichtig finde – außerhalb unserer eigenen Blase.
In der am 28. Januar ausgestrahlten „Kroymann“-Folge ist, was die Besetzungspolitik angeht, dein Team mit bestem Beispiel vorangegangen. Zum Cast gehören beispielsweise Gustav Peter Wöhler, Christina Hecke, Merve Aksoy, Sylvia Mayer, Lukas von Horbatschewsky oder auch Roland Riebeling, den viele aus dem Kölner „Tatort“ kennen dürften. Ja, wir haben alle Rollen in den verschiedenen Sketchen mit Lesben, Schwulen und mit einem trans Mann besetzt.
Ist das Problem, dass queere Schauspieler*innen ihre sexuelle Identität verbergen müssen, nur ein Phänomen der Film- und Fernsehbranche? Im Showbusiness wird offen gelebte Homosexualität viel eher akzeptiert. Bei RTL dürfen Schwule gerne auch in der Jury sitzen. Das ist Unterhaltung und das verachtet der/die korrekte Bildungsbürger*in ohnehin. Wenn’s aber um „Kultur“ oder gar „Hochkultur“ geht, sieht die Sache anders aus. Auch im Theater gibt es viele, sehr bedeutende Schauspieler*innen, die sich nicht trauen.
,,Ihr eigenes Coming-out kann vielen anderen tatsächlich sehr helfen."
Wann ist eigentlich der richtige Zeitpunkt für Schauspieler*innen, sich zu outen? Als ich mein Coming-out hatte, war ich – nach Hella von Sinnen, die viele Denkmäler verdient hätte – weit und breit die einzige offen lesbische Schauspielerin und wurde daher darauf reduziert. Das trübte natürlich den Blick auf das, was ich sonst zu bieten habe. Es ist immer einfacher, man arbeitet, bis man einen unumstößlichen Qualitäts- und vor allem Popularitätsstand hat, das macht die Sache sicherlich leichter. So wie jetzt Jannik Schümann oder damals Ulrike Folkerts. Wenn du mal 9 Millionen Zuschauer*innen hast, wirst du als „Tatort“-Kommissarin nicht mehr so schnell entlassen. Man muss aber diesen Schritt souverän und bewusst gehen. Denn ein Coming-out als öffentliche Figur soll ja auch ermutigen, und das sollten sich eigentlich alle Menschen, die in der Öffentlichkeit stehen, auch bewusst machen: Ihr eigenes Coming-out kann vielen anderen tatsächlich sehr helfen.
Unter den deutschen Schauspieler*innen gibt es ja doch eine Reihe von wirklich großen Stars, die sich bislang noch nicht öffentlich geoutet haben. Haben die einfach den Zeitpunkt verpasst oder müssen sie noch weiter Mut sammeln? Das könnte beides zutreffen. Ich habe beispielsweise einige ältere Kolleg*innen aus meiner Generation für die Sendung angesprochen. Die haben sich in ihrem Status eingerichtet und möchten sich einfach nicht mehr outen. Je länger man damit wartet, desto schwerer wird es natürlich, weil es dann beim Publikum so ankommen könnte, dass sie die ganze Zeit gelogen haben.
Was würdest du dir als bestmöglichen Erfolg dieser „Kroymann“-Ausgabe wünschen? Dass es zu einer Selbstverständlichkeit wird, wenn Schauspieler*innen sagen, dass sie schwul lesbisch oder trans sind.
Eine längere Fassung des Interviews mit Maren Kroymann könnt ihr in der Februarausgabe der SIEGESSÄULE lesen, die als pdf auch auf unserer Webseite verfügbar ist.
28.01. KROYMANN 23.35 Uhr, ARD, und in der ARD-Mediathek
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