Alternative Prides

Der Anarchistische CSD ist zurück

8. Aug. 2024 Florian Bade
Bild: via Pexels Oriel Frankie Ashcroft
Das Team des anarchistischen Kollektivs „Perspektive Selbstverwaltung“ tat sich zusammen, um den ACSD wieder stattfinden zu lassen.

Der Anarchistische CSD (ACSD) ging 2020 aus der Tradition der alternativen Prides und als Gegengewicht zum kommerziellen Berliner CSD hervor. In diesem Jahr zieht der ACSD am 10. August zum vierten Mal gegen Staat, Patriarchat und andere Hierarchien auf die Straße – dabei kämpft die Gruppierung aber auch mit der Spaltung innerhalb der Szene

„Anarchismus ist der konsequenteste und beste Weg zur queeren Befreiung”, verspricht Sonia*, Mitorganisatorin des ACSD und prangert im selben Atemzug an, „Der repressive Staat hilft uns nicht weiter. Diese neoliberalen Zugeständnisse wie Selbstbestimmungsgesetz und Homo-Ehe sind keine wirkliche Befreiung queerer Menschen – gerade vor der zunehmenden queerfeindlichen Gewalt, die von rechts kommt.”

Und so protestieren die LGBTIQ*-Anarchist*innen am 10. August ab 17:00 gegen jedwede Form der Machtstrukturen und homophoben Gewalt. Versammlungsort ist der Hermannplatz. Von dort marschiert die Demo nach einer Eröffnungsrede über den Kottbusser Damm und die Orianienstraße. Ziel ist der Mariannenplatz, auf dem die Hauptkundgebung stattfindet. Begleitet wird das Programm von Drag-Performances, Musik und weiteren Redebeiträgen zu Themen wie den repressiven Inhalten des Selbstbestimmungsgesetz und feministischen Vernetzungen. „Wir möchten uns breit aufstellen und viele queere Perspektiven aufzeigen”, so Holly* – auch Mitorganisatorin des ACSDs – wobei sie sich dabei vom zu kommerziellen, zu weißen, zu pinkwashed Berliner CSD abgrenzen wolle.

Internere Konflikte

Damit reiht sich der ACSD in die Geschichte der alternativen Pride-Paraden ein. Aber innere Streitigkeiten, insbesondere zum Nahostkonflikt und die damit einhergehenden spaltenden Solidarisierungen mit Palästina oder Israel, ließen die linken Orga-Bündnisse immer wieder auseinanderbrechen – so auch 2023. Daraufhin formierte sich dieses Jahr ein junges Team des anarchistischen Kollektivs „Perspektive Selbstverwaltung“, um den ACSD zu retten und wieder stattfinden zu lassen.

„Queer-Feminismus ist eben nicht nur weiß, sondern auch antikolonial und antirassistisch.”

Für Sonia und Holly lasse sich der queere Kampf und der Genozid in Palästina nicht auseinander halten. „Es geht ganz klar darum, Unterdrückung zu beenden und Herrschaftsverhältnisse anzuprangern. So, dass Menschen in Freiheit und gewaltfrei leben, sich ausleben können. Solange wir nicht alle frei sind, ist niemand frei”, plädiert Holly. Sonia pflichtet bei: „Queer-Feminismus ist eben nicht nur weiß, sondern auch antikolonial und antirassistisch.” Außerdem sprechen sich die beiden Aktivistinnen klar gegen sogenannten Homonationalismus aus. Ein Phänomen, bei dem Machtinhaber*innen die Rechte und Anliegen der LGBTIQ*-Community instrumentalisieren und damit die eigene Politik legitimieren. Im Fall der israelischen Regierung wird das “zivile, moderne Leben“ in Israel in Kontrast mit dem angeblich “unzivilisierten, barbarischen Leben“ in Palästina in Kontrast gesetzt.

Beide an einem Tag: ACSD und TIN* Pride

Zurück nach Berlin: Dass der ACSD am selben Tag wie die TIN*-Pride (trans*, inter*, nicht binär) stattfinde, sei etwas blöd gelaufen. „Das war ein Versehen!”, erklärt Holly zerknirscht. „Wir haben uns mit den Leuten von der TIN*-Pride zusammengetan und bewusst unsere Demo auf 17:00 verlegt, damit Menschen die Möglichkeit haben, an beiden Events teilzunehmen.” Die Organisator*innen erwarten um die 300 Demonstrant*innen, die im besten Fall nach der TIN*-Pride mit ihnen auf die Straße gehen.

Führen eigentlich zu viele LGBTIQ*-Paraden nicht zu weiteren Verinselungen und Trennlinien in der queeren Community? „Homos sind nicht homogen”, bemerkt Sonia spöttisch. „Die queere Community ist keine feste, monolithische Community. Wir sind ein sehr breites, diverses Spektrum an Menschen.” Eine Demo zu organisieren, auf der alle gleichmäßig zur Geltung kämen, wäre nicht möglich, so Sonia. „Wir wollen spezifisch anarchistisch auf die Straße gehen.” Holly erinnert: „Prides bieten die Möglichkeit, in den Dialog zu treten, vielen Perspektiven und einander zuzuhören. Das kann Verbundenheit und Solidarität schaffen. Wir brauchen einen gemeinsamen starken Kampf und das nicht nur in kleine Häppchen, wie beim Selbstbestimmungsgesetz.” Deshalb freut sich das ACSD-Team über viele Teilnehmende, die wie sie bedingungslose Gleichberechtigung aller, ohne Kompromisse fordern. Eben dort, wo queerer Aktivismus und Anarchismus sich treffen.

Bild: ACSD
In diesem Jahr findet der ACSD wieder statt.

ACSD Berlin
Start: 17:00 Hermannplatz
Route: Kottbusser Damm – Orianienstraße – Mariannenplatz
@acsd_berlin

Anm. d. Red.: Auf Wunsch der Aktivistinnen wurden ihre Namen geändert.

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