Gedenktag am 14. Mai

Alle Infos zum ersten Magnus-Hirschfeld-Tag in Berlin

22. Apr. 2024 Selina Hellfritsch, pb
Bild: Archiv der Magnus-Hirschfeld-Gesellschaft e. V.

Berlin ruft als erstes Bundesland am 14. Mai einen Gedenktag für Magnus Hirschfeld aus. Das Datum markiert sowohl den Geburts- als auch den Todestag des Pioniers. Der deutsche Sexualforscher setzte sich in den 20er-Jahren als einer der ersten für die Entkriminalisierung Homosexueller ein. Der Berliner Senat möchte sein Wirken nun ins kollektive Bewusstsein der Stadt zurückholen. Veranstaltungstipps rund um den Gedenktag findet ihr am Ende des Artikels

Die 1920er, Berlin, Weimarer Republik. Eine Zeit, in der sich queere Infrastrukturen allmählich ausbreiteten und queeres Leben erstmals richtig aufblühte. Bevor das Nazi-Regime die Macht ergriff und jeglichen Fortschritt zunichte machte. Damals stich vor allem einer mit seiner Forschung aktivistisch hervor: Magnus Hirschfeld, ein schwuler Arzt, Sexualforscher, Sozialist und Jude. Er war ein Vorkämpfer der queeren Emanzipationsbewegung, welcher er sich unter dem Mantra „Durch Wissenschaft zur Gerechtigkeit“ widmete. Bereits 1897 gründete er das wissenschaftlich-humanitäre Komitee, das es sich zur Aufgabe machte, den Paragrafen 175 abzuschaffen. Dieser stellte sexuelle Handlungen zwischen Männern unter Strafe und wurde erst Mitte der 1990er-Jahre endgültig abgeschafft.

„Dass wir hier in Berlin, mit Magnus Hirschfeld eine einzigartige Historie haben, wird oft vergessen.“

Wie kommt es aber, dass ihn viele Menschen nicht kennen? „Wenn ich mit Personen über queere Meilensteine in der Geschichte spreche, werden meist die Stonewall-Aufstände genannt. Dass wir aber auch hier in Berlin, mit Magnus Hirschfeld eine einzigartige Historie haben, wird oft vergessen“, erzählt der Queer-Beauftragte Alfonso Pantisano gegenüber SIEGESSÄULE. Deshalb haben er und sein Team es sich zur Aufgabe gemacht, einen Gedenktag im Koalitionsvertrag zu verankern. Mit Erfolg: Am 14. Mai feiert der Magnus-Hirschfeld-Tag nun seine Premiere in Berlin. Es handelt sich hierbei jedoch nicht um einen gesetzlichen Feiertag – der 14. Mai bleibt ein Werktag.

Bild: Toni Karat
Berlins Queer-Beauftragter Alfonso Pantisano

Große Mitmach-Aktion

An der Ausgestaltung des Gedenktags beteiligt sich nicht nur die Landesregierung, sondern auch Vereine, Verbände, lokale Unternehmen, Verwaltung und Schulen sind dazu eingeladen, sich mit eigenen Projekten zu engagieren und über den Sexualforscher aufzuklären. Der Aktionszeitraum findet im Rahmen des 10. Queer History Month statt, vom 1. bis zum 31. Mai 2024. Der Gedanktag am 14. Mai bildet den Höhepunkt der Mitmach-Aktion.

Auf einer eigenen Website stellt die Landesstelle für Gleichbehandlung – gegen Diskriminierung (LADS) eine Reihe von Ideen für eigene Projekte vor. So können Vereine und Verbände beispielsweise ein Screening des Films „Anders als die Andern“, der 1919 unter Mitwirkung von Magnus Hirschfeld entstand, oder eine Lesung des neuen Jugendbuchs „Magnus“, anbieten. Schulen können einen Ausflug ins Archiv der Magnus-Hirschfeld-Gesellschaft für Schulklassen organisieren und Unternehmen können zum Beispiel in ihrer Firmen-Newsletter auf den Magnus-Hirschfeld-Tag aufmerksam machen. „Lasst uns allen erzählen, wer dieser Mann war und wie bedeutend er für Schwule, Lesben und Bisexuelle, aber vor allem auch für trans* und queere Menschen gewesen ist,“ schreibt die LADS. Interessierte werden darum gebeten, ihre Aktionen und Events zum Gedenktag bei der Landesstelle anzugeben, damit sie online über die Kanäle der LADS mitbeworben werden können.

Bild: LADS
Offizielles Plakat zum Magnus-Hirschfeld-Tag

Prägende Figur der queeren Community

Ziel ist es, diesen Teil der Geschichte niederschwellig an möglichst viele Menschen heranzutragen. Der 14. Mai markiert sowohl den Geburts- als auch Todestag des Pioniers und erhält den Untertitel „Seele der queeren Community“. Das verdeutlicht, wie sehr Magnus Hirschfeld neben seinen Forschungsarbeiten das queere Berliner Stadtleben geprägt hat. Er erreichte, dass trans Personen mit einem ärztlichen „Transvestitenpass“ die Kleidung des vermeintlich anderen Geschlechts in der Öffentlichkeit tragen konnten, ohne verhaftet zu werden.

Außerdem veröffentlichte er das Buch „Berlins Drittes Geschlecht“ und führte seine „Zwischenstufentheorie“ ein, anhand der er die Binarität der Geschlechter aufbrach. Heute gäbe es berechtigte Kritikpunkte an Hirschfelds biologistischen Ansätzen, zu seiner Zeit war er aber ungewöhnlich progressiv.

„Ausgangspunkt seiner Forschung wurde das 1919 von ihm gegründete Institut für Sexualwissenschaften.“

Ausgangspunkt seiner Forschung und Anlaufstelle für Queers in Berlin wurde das 1919 von ihm gegründete Institut für Sexualwissenschaften, in dem auch später eine der ersten geschlechtsangleichenden Operationen dokumentiert und durchgeführt wurde. Das Institut war gleichzeitig Beratungsstelle für sexuelle Minderheiten und ein für die Zeit beeindruckendes Sammelbecken für sexualwissenschaftliche Literatur.

Als schwuler, jüdischer Arzt befand sich Magnus Hirschfeld im nationalsozialistischen Deutschland aber in akuter Gefahr. Er flüchtete daher schon früh ins Exil mit Stationen in Zürich, Ascona, Paris und Nizza. Kurze Zeit später überfielen und plünderten die Nazis das Institut für Sexualwissenschaften. Der Höhepunkt dieses Angriffs fand am 10. Mai 1933 statt, als bei der Bücherverbrennung über 20.000 marxistische, pazifistische und liberale Werke zerstört wurden, die zum Großteil aus der Bibliothek des Instituts entwendet wurden.

Event am Vorabend im Metropol

Mit Blick auf die Vergangenheit, dem aktuellen Rechtsruck in Europa und der Mahnung, dass Geschichte sich wiederholen kann, möchte die Berliner Landesregierung am Vorabend des Magnus-Hirschfeld-Tages mit einer Veranstaltung ein Zeichen setzen. Queere Vereine, politische Verbände und die Regierung werden ins Metropol am Nollendorfplatz eingeladen, um mit einem Festakt den Gedenktag zu beginnen.

„Wir wollen daran erinnern, wie wichtig Safer Spaces sind. Wir müssen sie schützen und unterstützen, damit sie uns erhalten bleiben.“

Das Thema des Abends: Eldorado. Das ehemalige Szenelokal war ein wichtiger Ort für queere und trans Personen in den 1920er-Jahren, bevor es von den Nazis eingenommen wurde. „Wir wollen daran erinnern, wie wichtig Safer Spaces sind. Wir müssen sie schützen und unterstützen, damit sie uns erhalten bleiben“, betont Pantisano.

Bild: Archiv der Magnus-Hirschfeld-Gesellschaft e.V.
Das 1919 von Magnus Hirschfeld gegründete Institut für Sexualwissenschaften.

Veranstaltungen um den Magnus-Hirschfeld-Tag

KiezTour: Magnus Hirschfeld im queeren Kiez am Nollendorfplatz

Die erfolgreiche KiezTour durch den Regenbogenkiez führt traditionell durch den ältesten queeren Stadtteil Europas. Angeleitet von Berlins Drag Queens (u.a. Jurassica Parka, Margot Schlönzke, Jacky-Oh Weinhaus und Anna Klatsche) geht es zu Schönebergs queeren Bars, Fetisch- und Bekleidungsgeschäften und Orten der queeren Subkultur. Aktuell wird das Leben, Tun und Werken von Magnus Hirschfeld in den Mittelpunkt gerückt.

Nächste Termine:
· 09.05. ab 17:30
· 16.05. ab 17:30
· 23.05. ab 17:30
· 30.05. ab 17:30

Komische Oper Berlin: La Cage Aux Folles

Der schwule Klassiker „La Cage aux Folles“ („Ein Käfig voller Narren“) kommt im Aktionsmonat zum Magnus-Hirschfeld-Tag zurück auf die Bühne der Komischen Oper. „Welches Stück könnte besser zum Anliegen des neuen Berliner Gedenktags passen? Inszeniert von Barrie Kosky wird das Stück zu einem immer gültigen Plädoyer für den Mut, zu sich selbst und zueinander zu stehen", kommentieren Ko-Intendanz Susanne Moser und Philip Bröking auf der Website der Spielstätte.

Nächste Termine:
· 11.05. ab 19:30
· 14.05. ab 19:00
· 18.05. ab 19:30

Gedenken zum Geburts- und Todestag von Magnus Hirschfeld

Am 14. Mai, dem Geburts- und Todestag des Sexualwissenschaftlers laden das Bezirksamt Charlottenburg-Wilmersdorf, die Magnus-Hirschfeld-Gesellschaft, die Bundesstiftung Magnus Hirschfeld, der LSVD Berlin-Brandenburg und Maneo gemeinsam zur Ehrung des Vordenkers der queeren Bewegung ein. Ab 16:30 gibt es eine Kranzniederlegung und Redebeiträge an der Gedenkstelle in Berlin-Charlottenburg (Otto-Suhr-Allee 93).

Oliver Bieber liest aus seinem Jugendroman „Magnus"

Oliver Bieber präsentiert am 14. Mai in einer Online-Lesung ab 19:00 erstmals seinen neuen Jugendroman „Magnus“. Dabei wird er Auszüge aus seinem Buch lesen, selbstgestaltete Illustrationen zeigen und die Fragen der Zuschauer*innen beantworten. Am 31. Mai findet um 20:30 die offizielle Buchvorstellung mit dem Autor und seiner Verlegerin Nora Pester im Buchladen Eisenherz statt. Der soziologisch-historische Roman richtet sich an 12- bis 16-Jährige und soll queere Geschichte aus den 1920ern – der Lebenszeit von Magnus Hirschfeld – erlebbar machen.

Diverse Geschichte an der VHS-Friedrichshain-Kreuzberg

Dr. Rainer Herrn ist Medizinhistoriker an der Berliner Charité und Mitarbeiter der Magnus Hirschfeld-Gesellschaft e. V. und wird den Pionier der Sexualwissenschaft aus medizinischer und historischer Sicht vorstellen. In seinem Vortrag am 15. Mai ab 18:00 wird er an der Volkshochschule vor allem auf die Errungenschaften des Instituts für Sexualwissenschaften eingehen, das 1919 von Magnus Hirschfeld gegründet wurde.

Vortrag & Bildpräsentation in der Humboldt-Bibliothek

Helmut Metzner ist Vorstand der Bundesstiftung Magnus Hirschfeld und hält am 16. Mai ab 19:30 einen Vortrag mit Bildpräsentation über den berühmten Arzt und Sexualforscher. Dabei geht er vor allem darauf ein, welche Auswirkungen Hirschfelds Forschungen noch heute haben und wie sie politische Debatten formen. Die Veranstaltung wird von Alfonso Pantisano eingeleitet und steht unter dem Zitat Hirschfelds: „Die Menschen sind, wenn überhaupt etwas, dann von Geburt an ungleich."

Viele weitere Veranstaltungen

Aber auch an vielen weiteren Orten in Berlin wird an Magnus Hirschfeld gedacht werden. So beteiligt sich beispielsweise das KitKat mit festlichen Bannern, die an der Außenfassade angebracht werden. Oder falls es den einen oder die andere diesen Monat in eines der Yorck Kinos verschlägt, so wird es dort vor jedem Film einen Info-Trailer über den Sexualwissenschaftler geben.

„Der Magnus-Hirschfeld-Tag steht auch stellvertretend als Schutzschild der Demokratie und für queere Anliegen“, ergänzt Alfonso Pantisano in einer Pressekonferenz am 8. Mai im Schwulen Museum. Auch das Museum beteiligt sich im Rahmen der aktuellen Ausstellung „With Legs Wide Open“ am Gedenktag: Es wird die Berliner Geschichte der Sexarbeit aus Hurenperspektive gezeigt, für die auch das Institut für Sexualwissenschaften bedeutsam ist. Mit dem bundesweiten Gedenktag sollen queere Geschichte, Errungenschaften der Community und Safer Spaces gewürdigt und in den Mittelpunkt gerückt werden.

Lichtenberg bekommt Queer-Beirat

„Der Lichtenberger Queer-Beirat nimmt genau am Magnus-Hirschfeld-Tag seine Arbeit auf,“ erklärt Bezirksbürgermeister Martin Schaefer (CDU) in einer Pressemitteilung. „Der Bezirk Lichtenberg und nun auch der bezirkliche Queer-Beirat setzen sich damit zur Stärkung von Akzeptanz und Sichtbarkeit von Menschen unterschiedlicher sexueller Orientierung und geschlechtlicher Identitäten ein.“

Der Queer-Beirat Lichtenberg ist damit der zweite Beirat für LGBTIQ*-Belange in Berlin und besteht nun aus 16 Vertreter*innen von Vereinen und Organisationen wie AG Queer Lichtenberg, blu:boks Berlin, FZM* Feministisches Zentrum für Migrant*innen und Lesben* Leben Familie (Les*LeFam).

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