Berlin

Schwul? Hetero? It's Rugby, Darling

2. März 2014 Christian Mentz
Nach dem Spiel: cheers! (c) cm

Wochenend-Alltag bei Vereinsspielen in Berlin? Nicht ganz, wenn ein schwules Team mitmischt – und das niemanden mehr stört

„Go for the legs, boys“, schreit Adam über den Sportplatz, um seine Berlin Bruisers gegen die Rugbymannschaft des Berliner Sport Clubs (BSC) anzufeuern. Sie sollen die Beine der heranstürmenden Gegner umklammern, um sie zu Fall zu bringen, denn darum geht es schließlich beim Rugby. Das  „Tackling“ wäre beim Fußball ein Foul, beim Rugby ist eine Technik, die mit etwas Erfahrung gar nicht so gefährlich ist, wie sie aussieht. Blessuren bleiben dennoch nicht aus, die Zuschauerinnen und Freunde beider Teams, die sich am Spielfeldrand eingefunden haben, scheinen das Aufeinanderprallen der Körper mitzufühlen. Sie jubeln dafür umso mehr, wenn es gelingt, die ovale „Rugbypille“ über die gegnerische Schlusslinie zu tragen. Dass mit den Bruisers gestern eine schwule Mannschaft auf dem BSC-Sportplatz in Wilmersdorf antrat, ist nach einigen Minuten Spiel schon weniger aufregend als das Spiel selbst. Die Blicke der BSC-AnhängerInnen am Spielfeldrand sind freundlich-neugierig. Schnell entstehen Gespräche, denn es gibt einigen Informationsbedarf:

Die Bruisers gibt es seit 2012, der Gründungsmythos führt in eine Berliner Kneipe, in der einige Rugbybegeisterte auf die Idee kamen, auch in Berlin eine schwule Mannschaft zu gründen, wie es sie in New York, Amsterdam und vielen anderen Metropolen schon lange gibt. Es geht aber nicht nur um Sport. Solidarität und Vorurteile bekämpfen gehören auch dazu. Die Unterhaltungen am Spielfeldrand tragen dazu bei.

„Wir treffen bei anderen Teams auf große Offenheit und Unterstützung“

Auf dem Spielfeld wird währenddessen gerannt und getackelt und manchmal ist unklar, wo gerade die Pille ist, wenn sich die Mannschaften zu großen Körperknäueln verhaken. Rugby ist eigentlich eine Mischung aus Fußball und Ringen – man kommt sich sehr nahe. Wäre da nicht zu erwarten, dass heterosexuelle Männer bei so viel Körperlichkeit etwas fremdeln? „Wann immer wir gegen andere Teams antreten, treffen wir auf große Offenheit und Unterstützung“, sagt Colin, der Mannschaftskapitän der Bruisers. „Wenn du versuchst gut zu spielen, bekommst du Respekt, egal welche Hautfarbe, Religion, Sexualität du hast“, so der in Berlin lebende Schotte. „Schwulsein ist höchstens mal nach dem Spiel beim Biertrinken ein Thema.“ Da würde dann schon gefragt, wie das Leben als schwuler Mann so sei. „Fragen, die man sich sonst vielleicht nicht zu stellen traut, aber nach 80 Minuten Spiel sind die Hemmungen weg. Ich glaube, viele sind auch stolz darauf, plötzlich schwule Freunde zu haben, mit denen sie locker herumalbern können.“

Oft komme dann auch die Frage, warum es einer schwulen Rugby-Mannschaft bedürfe. Adam: „Genau genommen sind wir eine schwule, aber straight-friendly Mannschaft“, und so haben sich unterdessen auch einige Heteros den Bruisers angeschlossen. Der Zusammenschluss als schwule Mannschaft sei aber auch eine Folge der Homophobie, wie sie im Sport oft herrsche, als Homosexueller sei man eben nicht überall willkommen. „Und natürlich setzen wir auch ein politisches Zeichen“, so Adam, „wenn wir uns als eine schwule Rugbymannschaft zu erkennen geben. Wir wollen zeigen, dass Homosexuelle, egal ob Männer oder Frauen, in der Sportwelt absolut mithalten können.“

So ähnlich sieht es auch Hendrick, der Kapitän des BSC-Teams: „Wir kennen die Bruisers seit einem Jahr, und am Anfang war da schon die Frage, wollen die wirklich Rugby spielen oder ist das eher so ein soziales Ding?“ Aber unterdessen sei es klar, dass es um den Sport gehe, man trainiere auch öfter zusammen. „Mir gefällt das sehr, das sind nette, lockere Typen, die mit den Vorurteilen auch ironisch spielen können“, so Hendrick. In der Rugbywelt habe vor allem das Coming-out des walisischen Nationalspielers Gareth Thomas im Jahr 2009 zu einem Umdenken beigetragen, so der BSC-Spieler.

Und wie ging das Spiel am Samstag aus? Um es kurz zu machen, die Bruisers haben haushoch verloren. Adam, der ein bisschen Herz und Seele des Teams ist und daher den Titel „Rugby-Daddy“ auf dem Trikot trägt, ist dennoch hochzufrieden mit seinen Jungs: „Es geht nicht nur um die Punkte. Es geht darum, alles gegeben zu haben und jetzt ein Bier mit der gegnerischen Mannschaft zu trinken, denn das sind nach dem Spiel alles deine Freunde.“

Ein Freund der Bruisers ist auch die erwähnte Rugbylegende Gareth Thomas. Er ist so etwas wie der Säulenheilige des schwulen Rugbys. Und er wird im Mai nach Berlin kommen, wenn die Bruisers ihr „Bash About“ ausrichten, ein Turnier, zu dem sich schon mehr als 120 Spieler internationaler Gay-Rugby-Clubs angemeldet haben. Thomas dürfte ziemlichen Kreischalarm auslösen. Proud to be gay und Rumtucken sind ganz klar part of the game – mindestens nach dem Spiel unter der Dusche. Und beim Bier.

www.berlin-bruisers.com

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