Berlinale

Bye bye Raumschiff Berlinale

18. Feb. 2014
Produzent Bryan Mason und Regisseurin Sophie Hyde von 52 Tuesdays (c) Brigitte Dummer

Klatsch und Tratsch, von Berlinale-Marathonistin Karin Schupp

400 Filme, davon 7% schwul oder trans* (lesbisch war leider nix – das wird im nächsten Jahr hoffentlich besser!), und etliche Parties – nach zehn Tagen im Raumschiff Potsdamer Platz muss man sich erst einmal auf den neuesten Stand bringen, was in der echten Welt so alles passiert ist, und freut sich, einfach mal eine Weile im Kreis fahrenden Eisschnellläufern zuzusehen.

Noch deutlicher als in den letzen Jahren ist die Berlinale allerdings nach hintenraus merklich ruhiger geworden: das Bejubeln der Hollywood-Stars und die großen Parties fanden in der ersten Hälfte statt, am Ende winkten nur noch die Bären-Verleihung und die Teddy-Gala mit Glamour. Wobei bei letzterer der Lack auch wenig ab ist: Abgesehen von der Abwechslung bei der Location-Wahl – in diesem Jahr war’s die Komische Oper – ist das Event doch recht gleichförmig und brav geworden. Zwar fehlten die Stammgäste Romy Haag (wegen eines Konzerts in Stuttgart) und der diesjährige Spezial-Teddy-Preisträger Rosa von Prauheim (wegen Grippe), aber davon abgesehen gab’s auch im Publikum wenig Überraschungen: Matthias Freihof, Pierre Sanoussi-Bliss, Georg Uecker, Ralph Morgenstern, Zazie de Paris, Veruschka Gräfin von Lehndorff in Perlenkappe und Sneakers, und mit Klaus Wowereit, Ole von Beust und dem Pariser Stadtoberhaupt Bertrand Delanoë waren fast mehr schwule (Ex-)Bürgermeister als Lesben im Saal, die offensichtlich das Interesse an der doch sehr schwulen Veranstaltung verloren haben.

Und wer hätte gedacht, dass Rosa und Elfi Mikesch, die den zweiten Spezial-Teddy bekam, schon seit 50 Jahren miteinander befreundet sind, wie sie in ihrer Rede erzählte? Die lesbische Kamerafrau und Regisseurin freute sich deshalb auch bei jedem Screening sehr, dass Fieber, ihr Beitrag im Panorama, zusammen mit Praunheims Kurzfilm Mario Wirz gezeigt wurde.

Während in der Komischen Oper noch Preise vergeben wurden, wurde im SchwuZ schon gefeiert – bereits vor 1 Uhr bebten alle drei Floors der Teddy-Party. Wie viele Gala-Gäste sich anschließend noch auf den Weg nach Neukölln machten, ist nicht bekannt, aber wie ich von Shuttle-Betreuerin Gaby Tupper hörte (die ihren Fahrgästen noch einen kleinen Schlenker zur Rainbow Flame am Potsdamer Platz spendierte) waren ihre drei Bus-Touren rappelvoll und bester Stimmung.

Am Samstag hatte dann auch das Filmteam von 52 Tuesdays Grund zum Jubeln: die Trans-Story bekam nicht nur den Siegessäule-Leserpreis ELSE, sondern auch den Gläsernen Bären der Jugendjury. Und von mir bekommen sie zudem noch den Preis für das größte Filmteam mit dem längsten Aufenthalt: Die elf Australier waren schon zur Premiere am 8. Februar da und kommen am Ende noch auch zur Sondervorstellung am Montag im Moviemento.

Und damit: Ende – Fin – The End. Und Abspann!

Karin Schupp


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John Waters singt (fast) Helene Fischer

Klatsch und Tratsch, vom Berlinale-Orakel Karin Schupp

14.2. – Berlinale-Party oder Berlinale-Kino – das schließt sich fast gegenseitig aus, zumindest vormittags, wo schon so mancher röchelnd schnarchender Kinobesucher in meiner Reihe saß. Und Parties gibt’s viele: von reich und gediegen – etwa die „Cinema for Peace“-Gala am Gendarmenmarkt, wo neben Catherine Deneuve (70) und Uma Thurman (43) auch Lokalprominenz wie Gloria Viagra und die Pussy Riot-Aktivistinnen Marija Aljochina und Nadeschda Tolokonnikowa zu Gast waren, oder die von Marco Kreuzpaintner mitveranstaltete „Stormy Monday“-Party in der Bar Tausend, auf der der schwule Sommersturm-Regisseur den internationalen Verkauf seines neuen Films Coming In (im Herbst im Kino) feierte – bis rauschend und offen für alle wie etwa die Premierenparty des US-Schwulenfilms Test im Südblock.

Gespart werden muss überall, und so wurden beim Panorama-Empfang im Kaisersaal eine Stunde vor Schluss nur noch Rotwein und Bier ausgeschenkt – „alles andere ist schon lange aus“, wie mir die nette Barfrau freundlich versicherte. Da legten vier queere Filme, Pierrot Lunaire, Fucking Different XXY, Feriado und Land of Storms, doch lieber gleich zusammen und feierten eine gemeinsame Premierenparty im Schwuz, wo’s knackig voll war und bei prima Stimmung bis fünf Uhr morgens getanzt wurde. Möglicherweise verirrten sich auch einige Besucher der gleich nebenan stattfindenden Party „100 Jahre türkischer Film“ hierher und blieben gleich!

Am Dienstag hatte der einzige Schwulenfilm im Wettbewerb Premiere: die brasilianisch-deutsche Ko-Produktion Praia do Futuro, die zum Teil in Berlin gedreht wurde. Ein Bären-Gewinner ist das wohl nicht, aber immerhin ist es mal keine Coming-out-Story, niemand muss sterben, und es gibt mehrere Sexszenen mit Clemens Schick und dem brasilianischen Filmstar Wagner Moura – um dessen Reputation sich deswegen auf der Pressekonferenz einige Journalisten aus seiner Heimat sorgten. Moura dazu: „Je weniger wir das zum Thema machen, umso weniger wird das ein Problem sein.“ Schick, der übrigens eigens für den Film Portugiesisch lernte, stimmte ihm zu: „Wenn man den Film nur am Schwulsein festmacht, würde man an der Oberfläche hängen bleiben.“

Berlinale – Kunst – Gay: das scheint gut zu funktionieren. Letztes Jahr wurde während des Festivals James Francos Ausstellung „Gay Town“ eröffnet, in diesem Jahr ist es John Waters’ „Bad Director’s Chair“ in der Galerie Sprüth Magers (noch bis 8. März). Der schwule Kult-Regisseur (Hairspray) begeisterte seine Fans am Sonntag in der Volksbühne mit seiner One-Man-Show „This Filthy World“, die er entgegen erster Überlegungen nicht „mit einem Lied von Helene Fischer oder einem Til-Schweiger-Film“ eröffnete. Schön auch seine Freude über das Hipster-Bashing in Berlin, das ja auch viele seiner Landsleute (etliche davon im Publikum!) trifft: „Da können auch reiche, weiße Mittelschichtskinder mal erleben, was Rassismus ist.“

Ihr könnt mich Orakel nennen: wie in meinem letzten Blog vermutet, speiste George Clooney am Samstagabend im „Bocca di Bacco“, das seine Fenster während der Berlinale mit Papier verklebt und Securitypersonal vor der Tür platziert hat – wohl nicht zu Unrecht: als ich spätabends dort vorbeikam, hingen dort immer noch zehn unverdrossene Fans rum.
Karin Schupp

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(c) Brigitte Dummer

Klatsch und Tratsch von der Berlinale Teil 1

Wer mit wem, wann und wo? Kolumnistin Karin Schupp hat im Blick, was die Stars jenseits der Leinwand an Show bieten

10.2. – Auch der größte Berlinale-Muffel muss doch zumindest eins zugeben: ohne das Festival würden über unsere roten Teppiche immer nur Leute wie Jorge Gonzalez, Uschi Glas, Sophia Thomalla und „Verbotene Liebe“-Darsteller laufen. Nun ja, diese dschungelcampeske Truppe war tatsächlich auch da, aber eben auch: George Clooney! Matt Damon! Bradley Cooper! Christian Bale! Ralph Fiennes!


George Clooney
und Matt Damon sind ja inzwischen Stammgäste der Berlinale und drehen gefühlt jedes Jahr einen Film in Babelsberg, so auch den aktuellen Wettbewerbsfilm „The Monuments Men“. Obwohl sie sich in der Stadt also gut auskennen, gehen sie, wie ein altes Rentnerehepaar, immer in dieselben Läden in Mitte und speisten am Freitag wieder mal im „Grill Royal“ (und als nächstes steht bestimmt das „Bocca di Bacco“ an). Damit erfreuen sie immerhin die Paparazzi, denen sie eine lange Sucherei ersparen.

Und wer mutmaßte, dass Clooneys Stern allmählich am Sinken sei, hat sich komplett getäuscht: Wegen tumultartiger Zustände vor der Pressekonferenz – unter Journalisten, wohlgemerkt, nicht unter Autogrammjägern – musste das Pressezentrum zeitweilig geschlossen werden.

Weil Cate Blanchett nicht gekommen war, konnte ich es verschmerzen, die Pressekonferenz verpasst zu haben (vermutlich hatte sie einen Termin mit dem Schneider ihres Oscar-Kleids). Mit weiblichen Stars sieht’s überhaupt mau aus: da waren bisher nur Léa Seydoux (die mit den blauen Haaren), Marie de Villepin, die in „Yves Saint Laurent“ ein (bisexuelles? lesbisches?) Model spielt und in echt mit Amber Heard und Ex-Tennisstar Amélie Mauresmo getechtelt haben soll, und natürlich Tilda Swinton. Die ist ein echter Berlinale-Fan und seit 1986 – damals mit ihrem ersten Film „Caravaggio“ von Derek Jarman – schon zum 16. Mal hier, und hat, wie sie sagte, schon fast alles gemacht, was so anfiel - „bis auf Putzen.“ Mit zwei Teddy Awards (1988, 2008) gehört sie natürlich auch zur Teddy-Familie (und wenn’s einen Teddy für „Bester Lesbischer Look“ gäbe, hätte sie ihn bestimmt schon längst gekriegt!). Auf der Teddy Opening Party im Schwuz, bei der auch der Filmemacher Bruce LaBruce auflegte und die „transgenre“ Band Godmother spielte, habe ich sie leider nicht gesehen – das könnte aber auch an den weiten Hallen des neuen Schwuz oder dem härtesten Wodka Tonic, den mir je einer Bar serviert hat, gelegen haben…

Die ersten großen Schwulenfilme liefen auch schon: zur Premiere des Biopics „Yves Saint Laurent“ reiste Pierre Bergé an, der 50 Jahre lang der Lebensgefährte und Geschäftspartner des Modeschöpfers war, und für „Love is Strange“ war John Lithgow da, leider ohne seinen Film-Ehemann Alfred Molina, dem Lithgow aber ein charmantes Kompliment machte: „Ich konnte mir gar keinen anderen Ehemann vorstellen als ihn.” Am Samstagabend dann der ungarische Film „Viharsarok“ mit allen drei Hauptdarstellern und dem Regisseur Ádám Császi, der genauso wortkarg ist wie seine Charaktere – aber Dialoge hätten ja auch nur unnötig von den vielen Knutsch- und Sexszenen abgelenkt…

Und wer hier Lesbenfilme vermisst: mir geht’s genauso, es gibt in diesem Jahr nämlich keine (lest auch K-Word #30 hier bei L-MAG). Aber ich gehe fest davon aus, dass das Festival uns im nächsten Jahr mit vielen tollen Filmen dafür entschädigen wird!
Karin Schupp


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