40 Jahre SIEGESSÄULE

8 Mythen über SIEGESSÄULE

3. Dez. 2024
Das Cover-Model vom Satire-Sonderheft „SIEGESSÄULE UND ICH“, November 1998

Zum krönenden Abschluss unserer Reihe „40 Jahre SIEGESSÄULE“ wird es Zeit für Debunking: Was ist dran an Gerüchten und Klischees über das Heft und sein Team? Was glauben Leser*innenschaft und Community – und wie ist es wirklich?

1. „SIEGESSÄULE ist doch so ein altes Magazin für schwule Männer“

Alt mag es sein, schwul hat‘s angefangen, aber seit 1984 hat sich bei uns einiges getan. Gegründet wurde unser Heft damals als „Monatsblatt für Schwule“ aus der linken Schwulenbewegung heraus, später fusionierten wir mit dem Nürnberger Magazin Rosa Flieder zum bundesweiten schwulen Kaufmagazin Magnus. Das ging zwar pleite, aber SIEGESSÄULE feierte Anfang der 90er-Jahre ein Comeback und wurde 1996 zunächst das schwule Stadtmagazin und dann offiziell „schwul-lesbisch“. Seit September 2005 gelten wir als „queeres“ Stadtmagazin. Das geschah nicht immer ohne Widerstand aus der cis-schwulen Gemeinde, aber es war ein gradueller Prozess, der uns zu dem gemacht hat, das wir heute sind: ein Community-Blatt für das gesamte LGBTIQ*-Spektrum Berlins.

2. „Die Inhalte der SIEGESSÄULE werden von fiesen, superreichen Lesben vorgegeben“

Schon seit 1996 mischen Lesben stark in entscheidenden Funktionen mit (wie zum Beispiel in der Chefredaktion). Seit 2012 erscheint SIEGESSÄULE nach der Übernahme von einem Kölner Verleger, für dessen politischen, sexuellen oder sonstigen Hintergrund sich nie jemand interessierte, in einem Verlag, der zu 100 Prozent Lesben gehört. Über die Inhalte bestimmt das Redaktionsteam. Superreich, nicht mal ein bisschen reich, ist seither niemand mit der SIEGESSÄULE geworden. Und wer fies ist, das liegt im Auge der Betrachtenden.

3. „SIEGESSÄULE bestimmt die Geschicke der Berliner Community“

Eine gewisse Wirkmacht ist der Medienmarke SIEGESSÄULE innerhalb und außerhalb der LGBTIQ*-Community nicht abzusprechen. Doch so zerstritten wie diese Community ist, lässt sie sich auch von einem Medium eigentlich nichts vorschreiben. Ein Indiz dafür: In den 40 Jahren ihres Bestehens hat SIEGESSÄULE noch nie einen von der Community oder ihren politischen oder wirtschaftlichen Begleiter*innen vergebenen Preis oder eine Auszeichnung bekommen. So viel zum Thema Einfluss. (Aber auch zum Thema Dankbarkeit!)

4. „Ein gedrucktes Heft trägt zur Klimaschädigung bei“

Im Schnitt lesen 2,1 Menschen ein Heft. Die Hefte werden auf Recyclingpapier mit umweltschonenden Verfahren und modernsten Mitteln gedruckt und verteilt. Ein Heft einen Monat lang – mit mehreren – zu benutzen, ohne mehrmals täglich online zu gehen, ohne Nutzung mobiler Endgeräte, die ständig auf dem neuesten technischen Stand sein und aufgeladen werden müssen, kann die Nutzung eines Papierhefts durchaus nachhaltiger sein als eine Nutzung online.

5. „Anzeigenkund*innen bestimmen die Inhalte“

Bei diesem Thema ist SIEGESSÄULE sehr konservativ, arbeitet nach den Regeln des Deutschen Pressekodex und trennt bezahlte Werbung klar von Inhalten. Dies wird in der Medienwelt immer seltener und kann zur Überraschung bei potenziellen Anzeigenkund*innen führen, wenn sie hören, dass man Inhalte in der SIEGESSÄULE nicht kaufen kann. Auch verstehen viele nicht, dass trotz gekaufter Anzeigen die Inhalte neutral bleiben bzw. Themen trotz eines Anzeigenbezugs nicht vorkommen können. Deshalb hat SIEGESSÄULE sowohl bei Anzeigenkund*innen als auch bei Lesenden eine hohe Glaubwürdigkeit.

6. „SIEGESSÄULE hasst Schöneberg!“

Für viele ist Schöneberg mit dem Nollendorfkiez das Zentrum des Berliner LGBTIQ*-Universums. Viele Tausend Hefte liegen in Cafés, Kneipen und Läden rund um den Nollendorfplatz aus – tatsächlich befinden sich in Schöneberg die meisten unserer über 1.000 Auslagestellen. Doch gern macht die Motzstraße ihrem Namen alle Ehre, und anliegende schwule Wirte und Shopbetreiber meinen hartnäckig, SIEGESSÄULE würde ihr Umfeld gezielt ignorieren, weil es vermeintlich nicht „queer“ genug sei. Wahr ist vielmehr, dass die etablierten Lokalitäten selten neue Veranstaltungsformate haben. Aber beim Stadtfest oder Weihnachtsmarkt, bei politischen Kontroversen oder Schließungen (Café Berio) ist SIEGESSÄULE voller Aufmerksamkeit und Liebe zu Schöneberg zur Stelle.

7. „Bei SIEGESSÄULE arbeiten nur Ehrenamtliche“

Immer wieder gibt es Leute, die verwundert darüber sind, dass man bei SIEGESSÄULE „richtig arbeiten“ kann oder Autor*innen für ihre Texte bezahlt werden. Auch wenn wir es charmant finden, nach 40-jährigem Bestehen immer noch als so underground wahrgenommen zu werden, stimmt dieses Gerücht nicht. Seit den 1990ern schreibt oder arbeitet niemand mehr ehrenamtlich für uns.

8. „SIEGESSÄULE führt einen woken Kulturkampf“

Selbst in der LGBTIQ*-Community stören sich manche Leute an unseren Gendersternchen, Artikeln über Rassismus oder an den ganzen „Weiberthemen“, wie es ein wütender Leser mal in seinem Brief formulierte. Was heute oft abfällig „woke“ genannt wird, wurde vor einigen Jahren noch als „politisch korrekt“ abgetan. Das ist eigentlich ein Indiz dafür, dass wir etwas richtig machen. Von einem „Kulturkampf“ kann nicht die Rede sein. Wir haben eine Redaktion, die über die Relevanz von Themen entscheidet – und dazu gehören „Weiberthemen“ genauso wie zum Beispiel unsere alljährlichen Folsom-Highlights.

SIEGESSÄULE UND ICH

Jeden Monat von April bis Dezember 2024 digitalisieren wir eine alte Ausgabe und stellen sie hier als E-Paper zum Download zur Verfügung. Im Dezember ist es die Ausgabe vom November 1998, die als SIEGESSÄULE UND ICH eine Satireversion war, die viele dennoch ernst nahmen und befürchteten, dass Diättipps, Psychotests oder Haushaltshinweise künftig ernsthaft die Inhalte ausmachen würden ...

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