50 Jahre Lesbenfrühlingstreffen: Zwischen Abrechnung und Nostalgie
Das Lesbenfrühlingstreffen (LFT) feiert 50-jähriges Jubiläum in Brandenburg. In der Vergangenheit stand das Treffen bereits öfter in der Kritik, unter anderem wegen transfeindlichen Programmpunkten. Dieser Eklat war aber nicht der erste, der die Geschichte des Treffens prägte. Manuela Kay, SIEGESSÄULE-Verlegerin, schreibt einen sehr persönlichen Geburtstagsbrief – zwischen Abrechnung und Nostalgie
„Wir wollen hier keine Presse“ … Das war, glaube ich, der erste Satz, der mir auf meinem ersten LFT – damals noch „Lesbenpfingsttreffen“ – in Tübingen oder Bielefeld entgegengebellt wurde. Ich war Journalistin für eine Berliner schwul-lesbische Radiosendung und wollte endlich mal über dieses lesbische Großereignis berichten – sogar live per Telefon vom Ort des Geschehens. Das muss Ende der 80er-Jahre gewesen sein. Ich gehörte zu dieser Zeit zur neuen Generation der Teilnehmerinnen und staunte etwas verschüchtert über die Pionierinnen dort, die schon in den 70er-Jahren auf dem LFT für lesbische Sichtbarkeit, für Austausch und Netzwerken gesorgt hatten.
Viel zu oft suchen Lesben die Feinde in den eigenen Reihen.
Eigentlich habe ich mich nie richtig zugehörig und auch nicht besonders wohl auf dem LFT gefühlt. Allein schon jedes Jahr in die Provinz fahren zu müssen, war für mich als Westberlinerin eine Überwindung. Doch, es gab die Chance, dort mit damals noch Tausenden von Lesben aus ganz Deutschland (leider kaum aus dem Ausland) zusammenzukommen, zu flirten, zu erkunden, was gerade diskutiert wird, oder auch einfach ganz wunderbar zu lästern … Ja, liebes LFT, ich habe dir viel zu verdanken. Ich habe auf bestimmt 15 Treffen, an denen ich teilnahm – mal als Presse, als Referentin oder einfach nur als Besucherin – vor allem gelernt, dass es bei Lesben in den letzten 50 Jahren immer wieder um Abgrenzung geht. Das ist gut und schlecht zugleich. Klar müssen wir als marginalisierte Gruppe wach sein und bleiben: Wer will uns an den Kragen? Wo müssen wir uns abgrenzen und unsere Feinde bekämpfen? Aber viel zu oft suchen Lesben die Feinde in den eigenen Reihen.
Die „SM-Debatte“
In der langen Tradition des LFT, das immer an einem anderen Ort von anderen ehrenamtlichen Gruppen mit viel Herzblut und mit Selbstausbeutung organisiert wird, gab es legendäre Auseinandersetzungen. Am intensivsten erinnere ich mich an die „SM-Debatte“. In den 80er-Jahren galt „SM“, wie man zu dieser Zeit noch sagte, als eine neue und verheißungsvolle Möglichkeit für Lesben, zu sexueller Selbstbestimmung abseits bekannter Normen zu kommen. Doch viele waren ängstlich und skeptisch gegenüber dem Fetisch, den Peitschen, dem Ja zum Schmerz und zur Unterwerfung. Heftig wurde darüber gestritten, ob sogenannte SM-Lesben an dem Treffen teilnehmen dürfen. Wer auf SM stehe, reproduziere Männergewalt und könne nicht richtig lesbisch sein, so der Vorwurf der Gegnerinnen. Sexuelle Befreiung das Argument der lesbischen Lederszene. Das wurde so heftig diskutiert, dass es sogar mal zu Gewalt gegen die SM-Lesben vonseiten der Kritikerinnen kam.
Wer auf SM stehe, reproduziere Männergewalt und könne nicht richtig lesbisch sein, so der Vorwurf der Gegnerinnen.
Eine andere Diskussion war die um Penetration und Dildos. Auch hier hieß es: „Richtige Lesben benehmen sich nicht wie Männer.“ Als ich im Jahr 2000 meinen Sexratgeber „Schöner kommen“ auf dem LFT präsentierte, war ich mehr als überrascht, als ich das Buch auf dem dortigen Büchertisch sah. Es war an einem kleinen Sockel angekettet und mit einem Schild versehen: „In diesem Buch werden Frauen gequält und es wird ihnen Gewalt angetan.“ Die Besucherinnen allerdings stellten sich als weniger dogmatisch heraus: Bei dem Treffen hat sich das Buch gut verkauft. Schöne Überraschungen gab es aber auch, z. B. als ich ein paar Jahre später eingeladen wurde, Lesbenpornos zu zeigen. Die Stimmung bei der Veranstaltung – trotz starken Besucherinnenschwunds – war offen, locker, lustig und ganz anders als erwartet.
Dennoch sorgt es für lesbische Sichtbarkeit und Vernetzung, für Austausch und Dazulernen – im besten Fall!
Natürlich ist das LFT ein Dinosaurier in der heutigen LGBTIQ*-Community. Aber das bin ich wohl auch. Statt vielen Tausend nehmen heute nur noch einige Hundert teil. Dennoch sorgt es für lesbische Sichtbarkeit und Vernetzung, für Austausch und Dazulernen – im besten Fall! In den letzten Jahren wurde das LFT natürlich ganz in der Tradition der überflüssigen Frage „Wer ist nun eigentlich eine echte, richtige Lesbe?“ von einer überaus engstirnigen „Trans*-Debatte“ überschattet. Würde man die verletzenden und überflüssigen Diskussionen über SM aus den 80ern aufschreiben und lediglich das Wort „SM“ durch „trans“ ersetzen, man hätte die gleiche destruktive und hasserfüllte Tonalität.
Nun findet das LFT erstmals in Brandenburg statt. Das ist gewagt, aber auch gut, so kurz vor den Wahlen, für die ausgerechnet die AfD derzeit in Umfragen führt. Ich wünsche nicht nur ein sicheres und erfolgreiches LFT dieses Jahr, ich wünsche auch, dass die vorgestrigen Debatten genauso hinfällig werden wie die einstige SM-Debatte. Liebe LFT-Teilnehmenden und Orga-Team, bleibt offen und gesprächsbereit. Dass das LFT nach 50 Jahren noch existiert, ist ein Riesenerfolg und letztlich eben nicht dem Ausschluss und dem Dogma, sondern immer wiederkehrender Offenheit und Diskussionsbereitschaft zu verdanken. In diesem Sinne: Alles Gute zum 50. Geburtstag!
LFT 2024 Berlin - Brandenburg
17. – 20. Mai 2024
im Seezeit-Resort am Werbellinsee
lft2024.de
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