Kommentar

Transfeindlichkeit in der schwulen Szene

6. Dez. 2019 Max Appenroth
Bild: © Alex Giegold
Max Appenroth © Alex Giegold

Trans Männer sind oft noch mit Ablehnung und Ausgrenzung konfrontiert – auch innerhalb schwuler Räume. Trans Aktivist und Wissenschaftler Max Appenroth erzählt von seinen persönlichen Erfahrungen

Als ich vor gut 8 Jahren meine erste Spritze mit Testosteron bekommen habe, hätte ich nie damit gerechnet, was alles mit diesem kleinen Pieks einhergeht. Klar, man geht davon aus, dass der Körper sich verändert. Was mir vorab aber niemand sagte, war, dass sich eben auch mein Begehren, bzw. meine Sexualität an sich, komplett ändern könnte. Ich war damals 25 und hatte bis dato nur Beziehungen mit cis Frauen geführt. Ich wurde neugierig und habe mich bei der Internetplattform Gayromeo (heute PlanetRomeo) angemeldet. Das erste was mir auffiel, war, dass trans-Sein unter sexuelle Orientierung geführt wurde. Bis heute ist dies nicht geändert worden. Dass Sexualität und Geschlechtsidentität nicht dasselbe sind, haben offensichtlich noch nicht alle verstanden. Dennoch traf ich mich bereits nach meiner ersten Spritze und den ersten sichtbaren körperlichen Veränderungen mit einem cis Mann – Alex. Ich war sehr aufgeregt, aber ich erinnere mich gerne daran, denn es war eine der guten Erfahrungen.

Doch jetzt, 8 Jahre und viele Dates später, blicke ich eher mit gemischten Gefühlen auf das zurück, was ich mit diversen Apps oder in schwulen Bars, Clubs und Saunen erlebt habe. Es war alles dabei – von netten Begegnungen, wie mit Alex, bis hin zu Gewaltandrohungen, weil ich „abnormal“ sei. Ich traf auf Personen, die mir z. B. aufgrund ihrer Unwissenheit sagten, es gebe nur trans Frauen und das so ‚etwas‘ wie ich gar nicht existieren würde. Auch wenn ich in der virtuellen Welt häufiger mit negativen Reaktionen konfrontiert war, hatte ich auch im realen Leben unter schwulen cis Männern unterschiedliche Erlebnisse.

„Dass mich jemand für mein Sein, für meine Identität schlichtweg auslacht, war ein neues Level der Ignoranz.“

Kürzlich war ich zum Beispiel in einer Berliner Sauna für Männer*, an sich ein Ort, an dem ich mich verhältnismäßig sicher fühle. Auch weil ich weiß, dass das Personal zum Teil speziell darin geschult ist, trans Personen in heiklen Situationen zu unterstützen. Dass sich dieser Ort allerdings öffentlich, z. B. auf deren Webseite, als trans-inklusiv bekennt, soweit geht die Liebe dann leider nicht. Jedenfalls kam ich mit einer Person zunächst nett ins Plaudern. Als ich ihm eröffnete, dass ich trans bin, ging es jedoch rapide bergab. Wie gesagt, ich habe schon vieles gehört und erlebt, aber auf seine Reaktion war ich nicht gefasst. Er fing lauthals an zu lachen. So laut, dass andere stehen blieben und zu uns herüberschauten.

Dass Leute diese Information verunsichert und sie sich dann schnell verziehen, ist mir nicht neu. Aber dass mich jemand für mein Sein, für meine Identität schlichtweg auslacht, war ein neues Level der Ignoranz. Warum diese Person jetzt letzten Endes gelacht hat, werde ich nie erfahren. Meiner Meinung nach könnte es tatsächlich Verunsicherung gewesen sein, hervorgerufen durch die Überraschung, dass eben nicht nur cis Männer sich in Räumen für Männer* aufhalten. Vielleicht klingt diese Erfahrung erst einmal nicht so tragisch, aber sie hat sich dennoch bei mir fest eingebrannt.

Ablehnung kennen vermutlich alle, die jemals gedatet haben, egal ob real oder virtuell. Und ja, das kann eine_n treffen. Wenn diese Ablehnung aber in einer gezielten Ausgrenzung und Diskriminierung einer ganzen Gruppe mündet, haben wir ein Problem.

„Als trans Person bin ich nicht überall in schwulen Orten willkommen.“

Meine Erfahrungen der letzten Jahre zeigen mir deutlich, dass ich als trans Person nicht überall in schwulen Orten willkommen bin. Dabei mag man doch eigentlich meinen, dass schwule cis Männer genau an diesem Punkt auch einmal gewesen sind. Dass sie sich Räume, Sichtbarkeit und das Leben und Erleben ihrer Sexualität erkämpfen mussten. Deswegen sitzen diese negativen Reaktionen, die aus der schwulen Community kommen, umso tiefer.

Wir, trans männliche Personen, waren und sind Teil der schwulen Community. Dass nicht jeder auf mich steht, ist mir egal. Wenn mir aber (meist) wildfremde Leute sagen, dass ich in dieser Community nichts zu suchen hätte, ist mir das nicht egal. Ob’s den Leuten passt oder nicht: „deine“ schwule Community ist auch „meine“ schwule Community. Und hierbei bin ich auf die Hilfe meiner schwulen cis Allies angewiesen. Setzt euch dafür ein, dass „eure“ Räume offen sind für uns, denn es sind auch „unsere“ Räume. Sprecht transfeindlichen Müll an, wenn ihr ihn hört. Gemeinsam für ein vielfältiges Miteinander.


Max Appenroth ist Doktorand am Institut für Public Health der Charité Universitätsmedizin Berlin und einer der Herausgeber*innen des Sammelbandes „Trans & Care – Trans Personen zwischen Selbstsorge, Fürsorge und Versorgung“. Seit Oktober 2019 leitet er die Arbeitsgruppe zu Trans Men & HIV bei der Organisation Global Action for Trans Equality (GATE). Er bietet Workshops und Seminare zu den Themen Gender, Geschlecht und Sexualität an und hat in Vorträgen u. a. über Trans-Exklusion in der schwulen Szene gesprochen.

Max Appenroth und María do Mar Castro Varela (Hg.): „Trans & Care – Trans Personen zwischen Selbstsorge, Fürsorge und Versorgung"

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