Attacken aus der Alten-Sack-Gasse
Elmar Kraushaar schrieb in der Berliner Zeitung von einem Kulturkampf zwischen „Queer“ und „Schwul“. Dirk Ludigs kritisiert den frauen- und transfeindlichen Artikel, der vor allem faktisch falsch ist
Nun also auch du, Vater Elmar! Dass einer wie der Jan Feddersen diesen Queergida-Unsinn in die Welt posaunt hat, sei drauf g’schissen. Der hat seit 30 Jahren an keiner Entwicklung mehr teilgehabt und muss sich an seiner maoistischen Kindheit abarbeiten. Aber du? Du warst mein Held, du hast mit Matthias Frings das Buch „Männer.Liebe“ geschrieben und einer ganzen Generation junger Schwuler Selbstvertrauen verpasst, als noch nicht jeder Turnschuh und jede Cola voller Regenbogen war. Du hast gefühlt jahrzehntelang mit deiner Kolumne „Der homosexuelle Mann“ in der taz selbst die zunehmende Verspießerung der schwulen Welt aufs Korn genommen.
Und nun? Schreibst du in der Berliner Zeitung am Freitag ohne Not über einen angeblichen „Kulturkampf“, der zwischen „Queer“ und „Schwul“ ausgefochten wird und offensichtlich siehst du die armen Schwulen dabei auf der Verliererstraße. Ich bin ja mittlerweile selbst ein alter weißer schwuler Mann geworden und ich heiße auch wirklich nicht jede widerständige queerfeministische Praxis gut. Oft finde ich sie ideologisch und unpolitisch in dem Sinne, dass zur Politikfähigkeit gehört, zu wissen, dass meine Kulturtheorie keine Wahrheit ist, sondern im politischen Feld nur eine Meinung sein darf. Das könnte ich aber mit gleichem Recht auch über Patsy L’Amour LaLove und die Autor*innen von „Freiheit ist keine Metapher“ sagen. Da geben sich die Ideolog*innen auf beiden Seiten nichts.
Ich verstehe sogar in Teilen die Befindlichkeit, besser vielleicht: die Angst meiner schwulen Generation und älter, die eigene Widerstandsgeschichte der Siebziger oder die existenziellen Kämpfe während der Aids-Katastrophe nicht ausreichend gewürdigt zu sehen von einer Generation, die kaum noch wahrnimmt, dass das alles erst erkämpft werden musste. Zum Beispiel auch von Dir.
Aber eben auch von anderen: von Lesben in der Frauenbewegung, von trans* Personen, von People of Color, deren Kämpfe du nicht gesehen hast oder sehen wolltest, die dir (und übrigens zu lange auch mir) vielleicht nicht so nah waren oder sogar egal. Und da wird es kritisch. Denn dein Text in der Berliner Zeitung zeigt mir, dass du immer noch nicht bereit bist, deren Anteile mit zu würdigen. Er ist ein Ausbund an patriarchaler Denke. Er ist misogyn und transfeindlich. Und vor allem ist er auch noch faktisch falsch.
Die SIEGESSÄULE, zum Beispiel, wurde nicht von „Lesben gekapert“ und dann „queer“ gemacht. Sie hatte sich bereits unter dem beileibe sowas von schwulen Verleger Jackwerth 2006 dafür entschieden, im Untertitel das Wörtchen „queer“ einzuführen. Davor war sie schon über 10 Jahre schwullesbisch mit Manuela Kay als Chefredakteurin, die wiederum aus einem lesbischwulen Projekt, nämlich Eldoradio kam, und der man vieles vorwerfen kann, aber sicher nicht queerfeministisch zu sein. Und sie hat den Laden auch nicht gekapert, sondern mit Gudrun Fertig und einer unternehmerischen Chuzpe, die schwule Männer offensichtlich nicht aufbrachten, und der Unterstützung anderer Frauen gekauft – in schwierigen Zeiten und dem Bewusstsein, dass es auch schiefgehen könnte.
Ähnlich falsch liegst du beim Thema „Schwules Museum“. Auch hier suggeriert dein Text, es sei nicht mit rechten Dingen zugegangen, bei der „Übernahme“ durch Frauen und Gedöns. Dass sich dort tatsächlich im Vorstand eine queerfeministische Linie durchgesetzt hat, ist aber nicht das Ergebnis der Untergrundtätigkeit mafiöser Maulwürf*innen. Sie ist folgerichtige Konsequenz, wenn der Verein seinen seit 2008 formulierten Anspruch, neben Schwulem auch andere sexuelle Orientierungen und geschlechtliche Identitäten ausdrücklich miteinzubeziehen ernst nimmt – und selbst die lautstärksten Kritiker des Vorstands zur entscheidenden Mitgliederversammlung nicht kommen können, weil sie lieber in Urlaub fahren.
Und die sehr schwule Dannecker-Ausstellung, wie auch die sehr schwule Klappen-Ausstellung, wie auch die sehr schwule Ausstellung über Isherwood & Bachardy gerade – sie alle finden in eben jenem Schwulen Museum statt oder haben anstandslos stattgefunden, trotz suspekter weiblicher Rituale.
Was sollen also diese perversen Auslöschungsfantasien von Dir und vielen meiner übrigen schwulen Generationsgenossen? Texte wie deiner vom Freitag tragen nicht dazu bei, die Konflikte, die es natürlich gibt und die – wie der großartige Bernd Gaiser immer zurecht betont – uns schon seit 50 Jahren begleiten – in irgendeiner Art konstruktiv voranzutreiben. Dass die Konflikte heute in Berlin vielleicht härter noch als anderswo zu Tage treten, hat doch auch damit zu tun, dass sie seit 50 Jahren zum Teil von den gleichen schwulen Patriarchen verschleppt wurden, die jetzt lauthals ihre angebliche Unsichtbarmachung bejammern.
Aber es gibt keinen Kulturkampf und es gibt keine Auslöschung von irgendwem! Du darfst zusammen mit mir und den anderen alten Säcken auch in Zukunft schwul sein, bis zur Duttkrempe und über jeden Cockring hinaus. Nur die Richtlinienkompetenz, die sollen und werden schwule Männer eben nicht mehr haben. Und das ist auch gut so.
Dirk Ludigs
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