Was bringt eigentlich das Berliner Antidiskriminierungsgesetz?
Als erstes Bundesland bekommt Berlin ein Landesantidiskriminierungsgesetz. Welche Auswirkungen es hat und ob es auch trans* Personen hilft, ihre Rechte auf den Standesämtern einzufordern, fragten wir Senator Dirk Behrendt
Bundesweit ist das einmalig: Als erstes Bundesland überhaupt soll Berlin ein Landesantidiskriminierungsgesetz (LADG) erhalten.
Anfang Juni hatte der Senat auf Vorlage des Senators für Justiz, Verbraucherschutz und Antidiskriminierung, Dr. Dirk Behrendt (Bündnis 90/Die Grünen), einen entsprechenden Entwurf beschlossen. Bürger*innen, die sich im Kontakt mit der Berliner Verwaltung diskriminiert fühlen, erhalten damit die Möglichkeit, verfassungsrechtliche Diskriminierungsverbote durchzusetzen.
Wie das genau aussehen soll und ob das neue Gesetz auch trans* Personen bei dem momentanen Chaos um die Handhabung des Personenstandsgesetzes hilft, fragten wir Dirk Behrendt im Interview
Herr Dr. Behrendt: wen soll das Landesantidiskriminierungsgesetz (LADG) schützen und wie? Das LADG wird eine Lücke schließen: Das allgemeine Gleichbehandlungsgesetz des Bundes erfasst nicht die Tätigkeit der Landesverwaltung. Das LADG gilt für sämtliches Handeln aller Stellen im Lande Berlin: von der Kita, Schule, Bürgeramt, bis hin zur Friedhofsverwaltung. Es bietet Schutz vor Diskriminierungen aufgrund rassistischer Zuschreibungen, der ethnischen Herkunft, des Geschlechts, der Religion und Weltanschauung, einer Behinderung, einer chronischen Erkrankung, des Lebensalters, der Sprache, der sexuellen und geschlechtlichen Identität sowie des sozialen Status.
Welche Verbesserung bringt das Gesetz für Betroffene? Das wichtigste ist, dass Betroffene Schadensersatz und Entschädigung verlangen können. Sie können die Beweiserleichterung nutzen: Es reicht in Zukunft, die Tatsachen glaubhaft zu machen, die für eine Diskriminierung sprechen. Man muss also nicht den Vollbeweis antreten, denn kaum einer unserer Bediensteten wird offen eingestehen, dass er diskriminiert. Wir ermöglichen mit dem LADG auch Prozessstandschaft und Verbandsklagerecht – das heißt diejenigen Menschen, die ihre Rechte nicht selbst wahrzunehmen können oder wollen, können Antidiskriminierungsverbände einschalten, die für sie vor Gericht gehen.
Wie ist bisher die Situation, im Vergleich? Wenn ich bei der Berliner Verwaltung aufgrund meiner sexuellen Orientierung diskriminiert werde, wie kann ich dagegen vorgehen? Wenn Sie jetzt eine Genehmigung begehren und sie aufgrund Ihrer sexuellen Orientierung nicht bekommen, können Sie die Leistung möglicherweise einklagen, sofern Sie die Diskriminierung nachweisen können. Dieses Feld ändert sich nicht. Die Neuerung durch das LADG ist, dass Sie Schadensersatz verlangen und die erleichterte Beweismöglichkeit nutzen können. Das wiederum eröffnet so genannten Testing-Verfahren den Weg zu den Gerichten. Wenn Antidiskriminierungsverbände durch Testings (das heißt inszenierte Testsituationen, Anm. d. Red.), feststellen: Diese fünf Personen haben die gleiche Genehmigung beantragt, vier haben sie bekommen und die fünfte nicht, die als einzige queer ist, dann spricht einiges für Diskriminierung.
Wann kommt das Gesetz? Geplant ist es ja für 2020 ... Wir haben den Gesetzesentwurf dem Abgeordnetenhaus zugeleitet. Damit haben wir unseren Teil als Senat erledigt. Wie und in welcher Geschwindigkeit das Abgeordnetenhaus das berät ist seine Sache. Aber mit gutem Willen, und den setze ich bei der rot-rot-grünen Regierungskoalition voraus, sollte das in der zweiten Jahreshälfte abgeschlossen sein, sodass das Gesetz zum ersten Januar in Kraft treten kann.
Könnte das LADG auch Auswirkungen auf den Umgang mit dem Personenstandsgesetz (§45b PStG) haben? Bei dem ist ja immer noch umstritten, ob die Regelung für die Änderung des Geschlechtseintrags und des Vornamens nur inter* Personen mit einer bestimmten medizinischen Diagnose offensteht – oder ob das Gesetz auch trans* Personen nutzen können (SIEGESSÄULE berichtete)? Das LADG wird sowohl trans- als auch intersexuelle Personen vor Diskriminierungen im Bereich des öffentlich-rechtlichen Handelns schützen. Einen unmittelbaren Einfluss auf das Registerrecht werden die Bestimmungen nicht haben. Die Frage, ob auch trans Personen von der vereinfachten Möglichkeit der Erklärung nach § 45b PStG Gebrauch machen können, ist eine Auslegungsfrage des Personenstandsgesetzes. Wenn in Zukunft Verwaltungsstellen des Landes Berlin zustehende Änderungen des Personenstands verweigern, kann das durchaus ein Anwendungsfall vom LADG sein. Es kommt allerdings auf den Einzelfall und die konkreten Umstände an.
Was soll das LADG langfristig bewirken? Wir wollen eine Kultur des diskriminierungsfreien Verwaltungshandelns etablieren und laden alle anderen Bundesländer dazu ein, so ein ähnliches Gesetz zu verabschieden. Mit dem LADG haben wir einen wichtigen Meilenstein der Antidiskriminierungspolitik erreicht. In Zeiten, in denen sich Formationen in den Parlamenten bilden, die die Gleichheit aller Menschen grundsätzlich in Zweifel ziehen, ist das LADG ein richtiges und wichtiges Zeichen.
Interview: Paula Balov
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