#gemeinsambunt

Debatte um Neukölln und LGBTI-Feindlichkeit: Bezirksbürgermeister im Gespräch

28. Mai 2019
Martin Hikel © A. M.

Bezirksbürgermeister Martin Hikel ist einer der Schirmherren des Events #gemeinsambunt, das ein Zeichen für das Recht auf Selbstbestimmung und gegen Homo- und Transphobie in Neukölln setzen will

Am 29. Mai laden der Bezirk Neukölln, die Berliner Polizei und die Neuköllner Oper gemeinsam zu einem großen Benefizkonzert „für ein vielfältiges Neukölln“ ein. Die Schirmherrschaft für #gemeinsambunt haben, neben Désirée Nick und Thomas Hermanns, der Neuköllner Bezirksbürgermeister Martin Hikel (SPD). Wir sprachen mit Hikel vorab über Neukölln im Spannungsfeld der Debatten um Vielfalt, LGBTI-Feindlichkeit und Vorurteilen gegenüber Migrant*innen.

Herr Hikel, Neukölln scheint eine Art Brennglas für die aufgeheizten Diskussionen, die wir um die Themen Migration und Vielfalt erleben. Von einigen wird LGBTI-Feindlichkeit im Bezirk bagatellisiert, während andere ihn als „Problembezirk“ sehen und dabei Begriffe mit einem rassistischen Subtext verwenden wie „gefährlicher Migrationsbezirk" oder „homophobe Migrant*innen". Wie gehen Sie damit um? Ich bin natürlich nicht glücklich darüber, wenn Neukölln immer mit den üblichen Bildern in den Medien vertreten ist. Etwa, dass hier andere Regeln gelten würden und sich Menschen mit einer LGBTI-Identität nicht hierher trauen könnten, weil es sofort eins über die Mütze gibt. Als sei Neukölln eine No Go-Area. Ich glaube, die Schwierigkeit ist, Nüchternheit reinzubringen, ohne dabei Dinge zu beschönigen. Ich würde behaupten, Neukölln ist ein Ort der Vielfalt, wir haben hier auch eine sehr aktive queere Community. Das heißt aber nicht, dass es keine Konflikte oder Übergriffe gibt. Ganz im Gegenteil, der letzte Bericht von Maneo hat gezeigt, dass die Anzahl an LGBTI-feindlichen Übergriffen gestiegen ist bzw. dass vielleicht auch mehr Menschen Übergriffe anzeigen.

Was können sie gegen diese Übergriffe tun? Die Polizeipräsenz im Bezirk ist ja schon relativ hoch. Die Polizei, die ja auch Partner der Veranstaltung #gemeinsambunt ist, muss dafür sensibilisiert werden, wo die Locations sind, wo es zu den Übergriffen kommt. Und natürlich braucht es auch eine soziale Komponente. Wir haben verschiedenste Bündnisse im Bezirk, z.B. Quartiersmanagements und viele Anlaufstationen, wo sich Kieze miteinander vernetzen und wo Institutionen und Vereine miteinander ins Gespräch kommen können. Und ich wünsche mir, dass die Community hier auch organisiert ist und ihre Interessen artikuliert. Das SchwuZ und die Bar Ludwig beispielsweise machen ja schon ganz viel in dem Bereich und haben in Neukölln eine Heimat gefunden.

Im April hatte ein Bündnis aus Kirchen, Gewerkschaften, Initiativen und Parteien zu einer Demo „gegen den rechten Terror in Neukölln“ aufgerufen. Worum ging es bei der Aktion? Wir haben in Neukölln seit 2016 allein 55 Brandanschläge gehabt. Alle waren gegen Menschen gerichtet, die sich für unsere Demokratie und unsere Vielfalt einsetzen. Ein Buchhändler, Gewerkschafter und andere wurden bedroht. Uns geht es darum, dass diese Anschlagsserie als Terror eingestuft wird. Denn sie hat das Ziel, dass man sein demokratisches Handeln einschränkt, sich bedroht fühlt und es vielleicht sogar einstellt.

Was ist das Ziel des Events #gemeinsambunt am 29. Mai? Für mich, ein klares Zeichen zu setzen für einen vielfältigen Kiez und eine vielfältige Gesellschaft. Denn wir können ja schon feststellen, dass die Feindlichkeit gegenüber Menschen mit einem anderen Lebensentwurf in einzelnen Bereichen stark zunimmt. Und da ein Zeichen zu setzen als Neuköllner Bürgermeister, zusammen mit Prominenten, finde ich eine ganz tolle Geste und hoffe, dass von der Veranstaltung auch eine Signalwirkung ausgeht.

Was erhoffen Sie sich konkret? Es wäre schön, wenn viele Menschen kommen und sich das Programm anschauen. Und, dass Leute vielleicht anschließend Mut fassen, sich mit anderen zusammentun und damit das Selbstbewusstsein, die queere Sichtbarkeit im Kiez stärken. Denn ich finde, Vielfältigkeit ist Normalität. Neukölln ist ein Bezirk mit 150 Nationen, mit 80 Religionsgemeinschaften und selbstverständlich gehören alle Menschen dazu - ob sie eine andere sexuelle Orientierung, eine andere Hautfarbe, eine andere Herkunft oder alles gleichzeitig haben, das ist vollkommen wurscht. Außerdem hoffe ich, dass es vielleicht auch eine Demonstration und wieder einen Tuntenspaziergang geben wird. Im letzten Jahr hat der hier stattgefunden und da bin ich auch mitgelaufen.

Interview: Andreas Marschner

#gemeinsambunt, Unserer Stimme für ein vielfältiges Neukölln Benefizkonzert gegen Ausgrenzung und Gewalt,
29.05., 20:00, Neuköllner Oper
u. a. mit Beiträgen von Seyran Ates, Anne Grießbach und Martin Hikel,
Moderation: Gaby Tupper, Kaey

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