Hilfe bei Hass im Netz: „Love-Storm“
Auf der Plattform „Love-Storm – Gemeinsam gegen Hass im Netz“ können Betroffene von Hassrede Kommentare melden. Dabei erhalten sie Unterstützung durch eine stetig wachsende Community
„Wie kann man Zivilcourage ins Netz tragen?“: Diese Frage war der Auslöser für ihr Projekt, erinnert sich Björn Kunter, professioneller Zivilcouragetrainer und Gründer der Online-Plattform „Love-Storm“. „Als ich selber Opfer eines Shitstorms wurde, hat mich das für lange Zeit zum Schweigen gebracht. Es hat mich insbesondere verunsichert, wie viele Leute – Freunde und Bekannte – nicht reagiert haben, obwohl ich wusste, dass sie die hasserfüllten Kommentare sehen. Wenn Opfer und Zuschauer durch solche Angriffe verstummen, kann Meinungsfreiheit und offener Dialog im Netz nicht mehr stattfinden.“
Insbesondere LGBTI und andere Angehörige von gesellschaftlich marginalisierten Gruppen werden häufig Opfer von Anfeindungen im Netz. Eine aktuelle Studie der Landesanstalt für Medien NRW fand heraus, dass vor allem Jüngere, das heißt unter 25-Jährige, oft online mit Hatespeech in Berührung kommen. Doch falle es einem Großteil der Nutzer*innen schwer, sich verbal zu verteidigen oder zu solidarisieren.
Die Trainings- und Aktionsplattform love-storm.de will dies ändern und Opfern von Hassrede durch verschiedene Angebote helfen, ihr Schweigen zu brechen und sich zur Wehr zu setzen. So gibt es auf der Webseite eine Reihe von Tipps, beispielsweise: Wie verhalte ich mich am besten, wenn ich Mobbing im Netz erfahre? Wie reagiere ich auf Angriffe und an wen kann ich mich wenden, wenn ich Unterstützung brauche?
„Es geht nicht darum, Hatern mehr Raum zu geben“
Außerdem können Hasskommentare auf der Seite direkt gemeldet werden. Die Idee dahinter: das „Love-Storm“-Team und die „Love-Storm“-Community können dann einspringen und auf dem betreffenden Social-Media-Channel oder auf der Seite, auf der das Hassposting gefunden wurde, mit guten Argumenten kontern. „Wenn man sich bei Gegenrede im Netz von anderen unterstützt fühlt, wirkt die Situation nicht gleich so ausweglos,“ erklärt Björn Kunter. „Es geht nicht darum, den Hatern mehr Raum zu geben. Es geht darum, den Angreifenden aktiv zu zeigen: Wenn du Raum willst, kannst du den haben, aber nicht in dieser Form!“
Das fünfköpfige Team um Björn Kunter wird unter anderem gefördert durch den Bund für soziale Verteidigung (BSV) e. V., ein pazifistischer Fachverband der deutschen Friedensbewegung, sowie dem Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (BMFSFJ). Schon mehr als 500 Menschen haben in den letzten Monaten an den „Love-Storm“-Trainings teilgenommen und fast 400 haben sich als aktive Community-Mitglieder auf der Plattform registriert. Die Community ist dabei größtenteils selbstorganisiert. Das heißt: Mitglieder können bei jedem gemeldeten Kommentar selbst einschätzen, ob sie in den Dialog einsteigen wollen oder nicht.
Positive Diskussionskultur
Der Großteil der Hasskommentare, die über „Love-Storm“ bereits gemeldet wurden, stamme übrigens von Facebook, sagt Kunter. Den Versuchen, Hass im Netz durch strengere Gesetze oder gar Verbote entgegenzuwirken, wie es gerade für Facebook und andere große Social Media-Plattformen immer wieder im Gespräch ist, stehe er jedoch kritisch gegenüber: „Wenn die Politik auf soziale Netzwerke Druck ausübt und daraufhin unsere Werbung vom Algorithmus geblockt wird, weil wir den Angreifer*innen darin den Stinkefinger zeigen, unterstützt das den Prozess der freien Meinungsäußerung nicht.“ Anstatt Kommentarspalten zu löschen, sollten Social Media-Teams seiner Ansicht nach eher darin geschult werden, Hasskommentare gezielt abzuwehren. „Wir müssen lernen, online eine positive Diskussionskultur zu entwickeln.“
Andreas Dohmen
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