Interview

Betreiber des Hafens: „Wir wollen bleiben“

3. Jan. 2019

Nachdem bekannt wurde, dass der Hafen schließen soll, entstand eine Welle der Solidarität. Bei der heutigen Protestfeier sprachen wir mit Hafen-Betreiber Ulrich Simontowitz über den Stand der Dinge

Die Empörung in der Community war groß, als Mitte Dezember bekannt wurde, dass die Schöneberger Bar und Szeneinstitution Hafen ihre Schlüssel abgeben soll. Der weiterführende Mietvertrag war zurückgezogen worden und die schwule Traditionsbar sollte bis zum 3. Januar ihre Pforten schließen. Für viele, für die der Hafen seit 28 Jahren fest zum Regenbogenkiez gehört, ein herber Schlag.

Gerüchten zufolge hängt die Weigerung des Vermieters, den Mietvertrag zu verlängern, mit einem lukrativeren Angebot zur Nachmiete zusammen. Der potentielle Nachmieter stamme angeblich aus der Szene selbst. In den vergangenen zwei Wochen gab es aber auch viele Solidaritätsbekundungen für den Hafen in der Community und darüber hinaus.

Für den heutigen Donnerstag, der Tag, an dem die Schlüsselabgabe hätte stattfinden sollen, lud der Betreiber Ulrich Simontowitz alle Unterstützer*innen ein, bis Freitagmorgen im Hafen zu feiern und so gegen den Rausschmiss zu protestieren. SIEGESSÄULE war heute um 13:00 Uhr bei der Solidaritätsfeier vor Ort und sprach mit Ulrich Simontowitz darüber, wie es jetzt mit dem Hafen weiter geht

Uli, was ist passiert, seit ihr öffentlich gemacht habt, dass der Hafen zum Jahresbeginn schließen muss? Es war eine Woche vor Weihnachten und wir sind aus einer gewissen Verzweiflung heraus an die Öffentlichkeit gegangen. Wir waren geschockt, als wir erfuhren, dass wir am 3. Januar, also heute, den Laden weiß getüncht hätten übergeben sollen. Sowas ist doch absurd nach 28 Jahren! Wir haben unsere Mannschaft informiert, es den Gästen gesagt, eine Pressemitteilung raus gegeben und dann entstand auf einmal diese riesige Empörungswelle. Das hat sich super rumgesprochen, die Medien wurden aufmerksam und haben es breit aufgegriffen. Auch die Politik hat super reagiert. Das berührt mich total, das ist wie eine Erklärung: Wir schätzen den Hafen, das was ihr hier die ganze Zeit gemacht habt, ist gut.

Warum ist denn der Hafen so existenziell für die Motzstraße?
Das liegt ein bißchen an der Geschichte des Ladens. Wir haben 1990 aufgemacht, am 13. November. Zu diesem Zeitpunkt veränderte sich Berlin sehr stark. Die Mauer war gefallen. Wir wollten eine Bar mit einer offenen Tür, mit offenen Fenstern, ohne Klingel – und damit waren wir die ersten in diesem Kiez. Und das haben die Leute gleich wahnsinnig gut angenommen, als ob sie darauf gewartet hätten. Die hatten keine Lust mehr, sich zu verstecken, waren müde von all diesen Schuldgefühlen, dem Schmerz und dem Leid, die Aids verursacht hat. Wir haben einfach gesagt: Wir sind hier und wir stehen dazu. Und gehen auch nicht weg. Das hat bei vielen Leuten einen wirklichen Einfluss auf ihr Leben gehabt.

Es gibt ja Gerüchte, dass die Probleme, die ihr jetzt habt, aus der Community heraus entstanden sind. Sprich: Die Leute, die euch hier raus drängen wollen, kommen selber aus der Szene. Was kannst oder darfst du denn dazu sagen? Da will ich gar nichts zu sagen. Ich weiß, dass es Leute gibt, die sich für den Laden interessieren. Das ist auch normal, das verstehe ich. Wir wissen nicht genau, wer das ist, nur dass es Leute gibt, die versucht haben, zu verhandeln. Ich muss auch ehrlich sagen: Ich will es nicht wissen. Ich finde sowas nicht ok! Wir können doch alle wunderbar zusammen leben. Wir sind wichtig, auch für die anderen Geschäfte hier im Kiez. Das stabilisiert den Kiez und macht ihn attraktiv. Es gibt also im Grunde für niemanden einen triftigen Grund, um zu sagen: Ich will den Laden jetzt haben, ich mache das alles anders und dadurch wird es tausendmal besser. Wir sollten uns gegenseitig akzeptieren und respektieren. Wenn es homophobe Übergriffe gibt, dann erwarten wir die Solidarität der Gesellschaft. Die Gesellschaft muss aber auch sehen, dass wir untereinander solidarisch sind. Das finde ich ganz wichtig.

Heute ist der 3. Januar und der Laden ist offensichtlich nicht weiß getüncht und geschlossen. Was ist der aktuelle Stand? Wir haben einfach festgestellt, dass wir das nicht schaffen: mental, seelisch und von der Zeit her. Und wir wollen auch nicht. Wir wollen hierbleiben. Wir wollen weitermachen. Zwischen Weihnachten und Silvester hätten wir ohnehin keinen Handwerker gefunden, der uns das hier gemacht hätte. Tim Fischer hat das super ausgedrückt, es hat gesagt: man kann den Hafen nicht auseinandernehmen, das ist ein Gesamtkunstwerk! Der Laden ist über Jahrzehnte gewachsen. Allein bei der Vorstellung, die Decke zu überstreichen, kommen mir die Tränen! Man kann doch nicht die sixtinische Kapelle einfach weiß streichen!

Wie lange dürft ihr denn jetzt noch bleiben? Wir müssten eigentlich raus. Aber wir sehen hoffnungsvolle Signale. Es bewegt sich was. Und das finde ich super.

Ihr wartet jetzt also einfach ab – und es gibt dazu noch keine offizielle Information. Es gibt Angebote über bestimmte Zeiträume. Aber für uns ist folgende Botschaft das Allerwichtigste: Wir wollen bleiben! Und zwar auch noch für lange Zeit. Denn der Kiez kann diesen Laden noch lange vertragen.

Aber ihr bewegt euch dabei im Moment noch auf sehr dünnem Eis, oder? Auf dünnem Eis, aber hoffnungsvoll, würde ich jetzt mal sagen. Und dass ich das sagen kann, liegt nur an dieser enormen Unterstützung, die wir in den letzten Tagen erfahren haben. An nichts anderem.

Die Solidaritätsbekundungen sollten also gerade nicht abreißen, weil noch nichts in trockenen Tüchern ist. Nein, das ist es sicher noch lange nicht.

Dann drücken wir weiterhin die Daumen.

Interview: Jan Noll

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Ulrich Simontowitz, Betreiber des Hafens © Sally B. 

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