Verein Keshet: „Als jüdisch-queerer Mensch ist man doppeltem Leidensdruck ausgesetzt“
LGBTI-Feindlichkeit, Antisemitismus: Mehrfachdiskriminierung ist ein Problem für viele queere Juden und Jüdinnen in Deutschland. Wir sprachen darüber mit Monty Ott vom Verein Keshet Deutschland e. V.
21.11.18 – Monty – „Keshet“, der Name eures Vereins, ist das hebräische Wort für Regenbogen. Was genau macht ihr? Wir sind eine Anlaufstelle und Interessenvertretung des queer-jüdischen Lebens in Deutschland. Es gab schon einmal eine ähnliche Institution namens Yachad, die sich aber vor vielen Jahren aufgelöst hat. Mit Keshet wollen wir wieder einen Safe Space kreiieren – denn als jüdischer queerer Mensch ist man einem doppelten Leidensdruck ausgesetzt.
Inwiefern? Zum einen gibt es in konservativeren jüdischen Gruppierungen noch immer Homophobie. Wie in den meisten Religionen trifft man auch in der jüdischen Gemeinde auf Menschen, die mit queerer Identität nicht umgehen können. Ein anderes dringliches Thema ist der Antisemitismus, der nicht nur allgemein immer salonfähiger wird, sondern eben auch in der queeren Community, gerade in Berlin. Um jüdische LGBTI davor zu schützen, wollen wir den öffentlichen Diskurs öffnen. Bei uns können sich Betroffene auch positiv mit ihrer queer-jüdischen Identität auseinander setzen und sie formen.
Keshet Deutschland gibt es seit Anfang November. Wie kam es dazu, dass ihr euch gegründet habt? Eines unserer Vorstandsmitglieder, Leo Schapiro, war schon lange an dem Thema interessiert. Als er mit der Präsidentin der Jüdischen Studierendenunion Deutschland, Dalia Grinfeld, über die Idee sprach, war sie sofort dabei. Auf mich wurde er durch eine Podiumsdiskussion über jüdische LGBTI in Frankreich und Deutschland im Wilde Oscar aufmerksam. So fanden Leo, Dalia und ich zusammen und wurden zum Vorstand von Keshet gewählt.
Und wie sehen eure nächsten Schritte aus? Es ist uns wichtig, deutschlandweit UnterstützerInnen zu gewinnen – sowohl aus der jüdischen Gemeinde als auch aus queeren Organisationen. Am 30.11. ist ein erstes kleines Event geplant: Wir machen einen Gottesdienst zum Schabbat, im Anschluss gibt es ein Essen und wir stellen unsere Arbeit vor. Wir sehen uns nicht als Gegenangebot zur jüdischen Gemeinde, sondern wollen in die Gemeinschaft hineinwirken.
Was verbindet dich selbst mit dem Thema? Ich bin Jude und bisexuell. Neben meiner derzeitigen Arbeit im Bundestag schreibe ich meine Dissertation zu queerem Judentum in Deutschland. Mein eigenes Verhältnis zu Religion ist ambivalent, daher ist mein Zugang eher akademisch-politisch und kulturell. Jüdisch und queer zu sein ist für mich aber kein Widerspruch. Ich bin schon vielen Rabbinern begegnet, die mich unterstützt haben und auch ihre Hilfe für Keshet zugesagt haben.
Hat sich die Jüdische Gemeinschaft in Deutschland in den letzten Jahren verändert? Sie ist noch immer relativ klein, denn vor etwa 30 Jahren hat sie erst einen richtigen Schub in ihrer Entwicklung nach der Shoa erhalten. Unter anderem mit Institutionen wie dem Ernst-Ludwig-Ehrlich Studienwerk oder der Jüdischen Studierendenunion öffnet sich das deutsche Judentum aber auch für junge Perspektiven. Dadurch gibt es Erneuerungsprozesse und mehr sichtbare Vielfalt.
Elliot Zehms
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